„Die Situation ist richtig komisch“, gesteht Dominic Thiem. „Seit 2014 geht es in meiner Karriere Schlag auf Schlag, da gab es fast jede Woche ein großes Highlight – und jetzt steht das System komplett still.“
Einzelne Auftritte gibt es, wie jüngst bei ServusTV, sonst ist auch im Leben des besten österreichischen Tennisspielers in jeder Hinsicht Entschleunigung angesagt.
Gejammert wird überhaupt nicht. „Das wahre Problem ist die Pandemie. Unsere Aufgabe kann derzeit nur sein, diese zu stoppen.“
Beim Training in Indian Wells hat der 26-Jährige vor ziemlich genau einem Monat das bisher letzte Mal einen Schläger in der Hand gehabt. Trainiert wird eben nun ohne sein wichtigstes Arbeitsgerät. „Ich mache Stabilisationsübungen, gehe laufen und wandern.“
Alles nicht so schlimm. „Die Bedingungen sind für alle gleich. Wir werden sicher eineinhalb Monate zuvor erfahren, wann es mit den Turnieren weitergeht. Das reicht, um dann ein reichhaltiges Aufbauprogramm zu machen. Und Tennis zu spielen, verlerne ich ja nicht. Man kommt eben zu vielen anderen Dingen, die Ruhe tut auch gut.“ Dass der Sport einmal eine untergeordnete Rolle spielt, ist nicht nur ein Problem. „Ich komme auch endlich einmal dazu, meine Wehwehchen auszukurieren, die sich im Laufe der stressigen Zeit angesammelt haben.“
Fußball als Indikator
Wichtig sind eben andere Dinge. „Ich selber habe vor dem Virus keine Angst, aber ich habe auch in meiner Familie Risikogruppen – wie etwa meine Großeltern.“
Die Absage in Kalifornien traf freilich auch ihn. Von einem Tag auf den anderen konnte nicht mehr gespielt werden, da es auch dort einen Corona-Fall gab. „Dass es danach eine lange Pause geben würde, war mir auch klar. Vor allem, als die Fußball-EM abgesagt wurde. Der Fußball ist im Sport ein Indikator für diese Dinge.“
„Mehr als Tennis fehlt mir Dennis.“ Er meint damit seinen besten Freund Dennis Novak. Die Mütter der beiden Niederösterreicher waren im Spätsommer 1993 sogar im gleichen Krankenhaus, als die beiden zur Welt kamen. „Wir kommunizieren jeden Tag, fast sogar mehr als sonst. Das Abhängen, das gemeinsame Abendessen, solche Dinge gehen eben derzeit nicht. Da sieht man erst, wie dankbar man sein muss, dass wir das sonst alles haben.“
Träume und Helden
Sein großer Traum, die French Open zu gewinnen, wurde nur verschoben. „Wenn es im September nicht klappt, dann eben nächstes Jahr. Jetzt stehen andere Dinge an“, sagt Thiem, der seine Popularität nützen will. „Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, haben eine enorme Vorbildwirkung.“
Die Stars von heute sind für ihn Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger. „Aber sie sind auch abseits der Krisenzeiten Helden.“
Den Titelhelden spielen soll Thiem noch heuer im zweiten Teil der Doku „Der Thiem-Spirit“. Im Mai, zu den French Open, hätte er präsentiert werden sollen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Zwei österreichische Tennisspieler hat die Corona-Krise hart getroffen. Auch deshalb, weil beide gut in Form waren.
Der erst 20-jährige Jurij Rodionov hat sich nach einem schwachen Jahr 2019 aus dem Sumpf gezogen und heuer bereits zwei Challenger-Turniere gewonnen. „Das ist natürlich jetzt besonders zäh, aber die Bedingungen sind für alle gleich“, sagt der Niederösterreicher, der in der Krisenzeit auf Platz 166 parkt. Finanzielle Probleme hat er dank Sponsor und Bundesheer aber nicht. Von seinem Konditionstrainer Florian Pernhaupt bekommt er Programme. „Alles, um fit zu bleiben. Tennis kann derzeit ohnehin keiner trainieren. Da gibt es für keinen einen Wettbewerbsnachteil.“
Auf Platz 137 hat sich die Oberösterreicherin Barbara Haas gespielt, im Februar hielt die 24-Jährige mit Rang 133 ihr bestes Ranking. Existenzängste gibt es keine. „Man kann die Dinge mit einer Verletzungspause vergleichen, auch da verdient man keine Preisgelder“, sagt Manager Manfred Nareyka. Dank eines großen Sponsors sei sein Schützling abgesichert. Und fit hält sich Haas nach den Vorgaben eines der weltbesten Konditionstrainer. Gebhard Gritsch, jahrelang für die Erfolge von Novak Djokovic mitverantwortlich, beliefert Österreichs Nummer eins mit Trainingsmethoden.
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