Teil I der Serie: Alis olympischer Geniestreich

Wie Cassius Clay 1960 in Rom Olympiasieger wurde.

Cassius Clay war ein großartiger Amateurboxer. Sein Kampfrekord, die Olympia-Fights in Rom mitgerechnet, lautete für den Achtzehnjährigen: 141 Kämpfe, 128 Siege (davon 38 durch K.o.), sechs Unentschieden und sieben Niederlagen. Er holte sich sechs Golden-Gloves-Titel, gewann im Halbschwer- und Schwergewicht den US-amerikanischen Meistertitel und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele 1960 in Rom.

Bei Olympia schlug der 18-jährige US-Halbschwergewichtsmeister, dem nach Rom schon der Ruf des "boxerischen Wunderknaben" vorausgeeilt war, im ersten Fight den Belgier Becaus in der 2. Runde K.o., dann schaltete er den sowjetischen Olympiasieger von 1956, Schatkow, also den Titelverteidiger, mit einem klaren Punktsieg aus. Im Semifinale blieb der Australier Madigan auf der Strecke.

Trotzdem: Immer, wenn Cassius Clay im Palazzo dello Sport den Ring betrat, wurde er von einem gellenden Pfeifkonzert empfangen. Cassius hatte schon richtige Depressionen und stöhnte: "Im Publikum müssen nur box-ahnungslose Kommunisten sitzen!"

Das Highlight

Und dann kam das große Finale gegen den polnischen Favoriten Zbigniew Pietrzykowski, der den dreifachen ungarischen Olympiasieger Laci Papp K.o. geschlagen hatte. An diesem Fight nahm auch ein Österreicher teil: Der Punkterichter Toni Stascha. Er zeigte mir sein Punkteprotokoll und begann zu schwärmen: "Tausende Boxkämpfe habe ich schon gesehen, aber so etwas Großartiges wie die dritte Runde des Finalfights habe ich noch nie erlebt.

Nach zwei Runden lag Clay punktemäßig zurück, aber mit einer Gewaltleistung und technischer Brillanz drehte er die drohende Niederlage in einen glänzenden Sieg um. Er rotierte ständig um den Polen herum, ließ sich nie treffen und bombardierte den Gegner mit linken Geraden, Aufwärtshaken und perfekten rechten Crossschlägen.

Nach dem Schlussgong taumelte der Pole mit blutverschmiertem Gesicht in seine Ecke zurück – Clay war Olympiasieger und ich war glücklich, so eine Leistung aus nächster Nähe bewundern zu dürfen. Als Clay 22 war, Muhammad Ali hieß und Profi-Weltmeister wurde, musste ich lächeln: Diese Prognose hätte ich schon vier Jahre vorher stellen können!"

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