Sportrechtler: Doping-Tests bei Olympia absagen

Das System der Doping-Kontrolle steht auf der Kippe.
Die Probenbehälter sind nicht manipulationssicher - nun sollte man das ganze Doping-Kontrollsystem absagen.

Der deutsche Sportrechtler Michael Lehner hat nach der Aufdeckung von manipulierbaren Urin-Flaschen durch die ARD die Aussetzung aller Wettkampf-Kontrollen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang gefordert. "Um ein Rechts-Chaos zu vermeiden, müsste das IOC jetzt zugeben: Wir haben einen Fehler gemacht. Ein System, das Fehler macht, muss die Größe haben, so etwas auch zu verkraften."

Für Lehner ist das bisherige System der Anti-Doping-Kontrollen am Ende. Man habe keinen Ersatz dafür, und jetzt könne man nicht "eine Wischiwaschi-Übergangszeit ausrufen, nur um den Schein zu wahren", sagte Lehner am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich erwarte jetzt eine klare, ehrliche Kante vom IOC", fügt er hinzu.

Notbremse "einzige Lösung"

"Wenn irgendetwas unsicher ist, nehme ich das sofort vom Markt, wie in der Autoindustrie - da gibt es eine Rückrufaktion, bis das Auto wieder sicher ist. Da ist es besser, ich mache keine Doping-Kontrollen und vertraue auf die Ehrlichkeit der Athleten. Das würde dem Sport und seiner Ethik nutzen", ergänzte der Heidelberger Experte und sagte: "Ich würde Beifall klatschen und nicht hämisch grinsen, wenn sie die Notbremse ziehen. Das ist aus meiner Sicht die einzige Lösung."

Laut Lehner hätten Doping-Labore den Fehler bei den seit September auf dem Markt befindlichen Probe-Flaschen der Firma Berlinger schon längere Zeit bemerkt, an die WADA weitergeleitet und keine Antworten bekommen. Daher könne er nicht verstehen, warum die Führungskreise des IOC "jetzt so unprofessionell mit diesem Fall" umgegangen seien. Die Kosten für Doping-Kontrollen in Pyeongchang solle man sich sparen. "Gebt die Millionen ins Waisenhaus nach Nepal, dann habt ihr toll etwas bewirkt." Und dann soll das IOC nach Olympia mit einem neuen, perfekten System kommen - "und alles ist okay."

Sportrechtler: Doping-Tests bei Olympia absagen
Die neuen Probenfläschchen sind nicht manipulationssicher.

Der Leiter des Kölner Anti-Dopinglabors, Mario Thevis, geht davon aus, dass die Dopingtests bei Olympia trotz der Probleme mit den Probenflaschen verlässlich sein können. "Es gibt Möglichkeiten, die Integrität von Urinproben zu sichern. Das würde bedeuten, dass wir auch für Pyeongchang die Möglichkeit sehen, dass ordentliche Dopingkontrollen durchgeführt werden können", sagte Thevis im ZDF-"Morgenmagazin" am Dienstag.

Notfallpläne

Das Kölner Analyselabor hatte die WADA am 19. Jänner informiert, dass die neuen Flaschen nach dem Einfrieren einer Probe manuell geöffnet und wieder geschlossen werden könnten. Die Behälter waren nach dem Doping-Skandal in Russland neu gestaltet worden.

"Es gibt Notfallpläne", sagte Thevis im Hinblick auf Verlässlichkeit bei den Dopingproben. Für diese Pläne sei es aber "zu früh", fügte er an. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sei "sehr besorgt", sagte ein Sprecher.

Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi waren Dopingproben russischer Athleten mit Hilfe des Inlandsgeheimdienstes FSB geöffnet und der Inhalt gegen sauberen Urin ausgetauscht worden. Der Verschluss der neuen Flaschen sei ein "Problem, dass es unbedingt in den Griff zu kriegen gilt", betonte Thevis. Er sagte: "Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass wahrscheinlich kein System manipulationssicher sein kann."

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