Sportfan Peter Filzmaier: "Bubenträume kann man erfüllen"
Peter Filzmaier und die Politik? Ein Zusammenspiel, das perfekt passt. Seit Jahren steht der mittlerweile 52-Jährige als TV-Analytiker seinen Mann. Peter Filzmaier und der Sport? Auch diese Symbiose passt – besser, als man denkt.
In seinem Buch "Atemlos. Meine schönsten Sportgeschichten und was sie mit Politik zu tun haben" (Brandstätter Verlag) schreibt Filzmaier Details über seine „heimliche“ Liebe.
KURIER: Ich hoffe, Sie brechen das Gespräch nicht ab, wenn ich gestehe, dass ich beim Fußball immer zu Deutschland halte.
Peter Filzmaier: Das ist eine Herausforderung für unser Gespräch. Sie sind wohl nicht so sozialisiert worden wie ich, mit einer deutschen Ehefrau und Tochter.
... meine Großmutter war Deutsche.
Bei Deutschland gegen Jugoslawien bei der WM 1990 konnte ich einfach nicht gegen Deutschland halten, denn Jugoslawien, das war damals Milošević. Und ein Diktator, der sich da inszeniert, das ging für mich einfach nicht, trotz der Begeisterung für manche Spieler.
Sie müssen gelitten haben beim WM-Finale 2014, als Deutschland Argentinien mit Messi geschlagen hat.
Für mich war die wahre emotionale Tragödie schon in der Vorrunde, als mein Spanien sang- und klanglos ausgeschieden ist. Aber ich fand die Reaktion in Spanien so großartig, wo man gesagt hat: Danke für sechs tolle Jahre.
Sie waren ein Tiki-Taka-Fan. Es gibt ja auch Fußballfreunde, die das Tiki-Taka der Spanier eitel fanden.
Das Tiki-Taka von Xavi, Iniesta und Co. war etwas ganz Besonderes – auch wenn sie, zugegeben, oft versucht haben, den Torpfosten auch noch zu umspielen.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es Ihr Traum wäre, als Sportkommentator zu arbeiten. Hat der ORF schon ein Angebot gemacht?
Ja. Es gibt Pläne. Bubenträume kann man manchmal doch erfüllen! Wir haben ja einige Sport-Großereignisse in diesem Jahr. Natürlich nicht als Kommentator, aber auf der analytischen Ebene, was Sport für die Länder bedeutet ... viele wissen, dass wegen eines Fußballmatches ein Krieg begonnen hat (Honduras – El Salvador; Anm.), aber wenige wissen, dass deshalb die mittel- und südamerikanische Wirtschaftsunion gescheitert ist.
Sind Sie deshalb so ein Sportfan, weil Sie beim Sport – im Unterschied zur Politik – nicht objektiv sein müssen?
Ich lebe meine Schizophrenie beim Sport hemmungslos aus: Ob etwas Abseits oder nicht Abseits ist, hängt davon ab, ob es Barça nutzt. Und hätte Tsitsipas im Masters-Finale gegen Thiem einen Doppelfehler gemacht, hätte ich wahrscheinlich nicht nur versteckt die Triumph-Faust geballt.
Sie schreiben über das Gruppen-Erlebnis beim Fußball. Kann das nicht auch etwas Negatives sein, wenn ein ganzes Stadion angesichts eines schwarzen Spielers „Uh-uh-uh“ schreit?
Was zum Beispiel Fans von Lazio Rom aufführen, ist widerlich. Das ist diese Gratwanderung: Sport schafft Identifikations- und Integrationseffekte. Meine Lieblingsgeschichte in dem Zusammenhang ist die australische Schwimmstaffel, die 2000 in Sydney Olympia-Gold gewonnen hat. Das wurde extrem patriotisch ausgelebt, ist aber nicht in Hass gegen die Amerikaner gekippt.
- Der Professor
Peter Filzmaier, 52, ist Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems und für Politische Kommunikation an der Karl-Franzens-Universität Graz. Filzmaiers Forschungsschwerpunkte umfassen Wahlen, Politische Kommunikation, Politische Bildung und Demokratie sowie internationale Politik mit dem Fokus USA.
- Der Medienmann
Filzmaier verfasst Kommentare in Zeitungen (u. a. Der Standard und Kronen Zeitung) und arbeitet als politischer Analytiker für den ORF.
- Der Pate
Sein Familienname stand Pate für das Zeitwort „Filzmaiern“ (= Politik analysieren). 2015 schaffte es der Begriff auf Platz drei im Ranking „Wort des Jahres“.
Sie schreiben in Ihrem Buch über Ihre Liebe zum Radsport. Wird einem diese Liebe nicht vergällt durch die Einsicht, dass dort vermutlich fast alle dopen?
Da bin ich gleich mehrfach gespalten. Denn einerseits habe ich Pantani zugejubelt, als er Jan Ullrich geschlagen hat, und das war der absurdeste Wettbewerb, nämlich jener von Medizin. Trotzdem finde ich es wichtig, dass man gesamtgesellschaftliche Einstellungen, die man hat, auch beim Thema Doping nicht aufgibt: Pauschalverurteilungen für eine Gruppe sind abzulehnen. Aber wenn man etwa Froome gesehen hat, wie er beim Giro das Feld zertrümmert hat, fragt man sich, wo ist der Unterschied zu Floyd Landis bei der Tour de France, der nachweislich einen Medikamentencocktail eingeworfen hatte.
Sie sind Fan von Ausdauersport wie Laufen, Radfahren, Langlaufen.
Wenn man selbst Laufsport betrieben hat, hat man halt eine Affinität zu Ausdauerbewerben, weil man sie nachvollziehen kann. Skispringen fasziniert mich auch, aber da endet mein Verständnis schon bei der Frage: Wie kann man das überhaupt überleben?
Sie schreiben im Buch auch über das Erlebnis des Córdoba-Spiels. Ich habe Jahre später das Spiel auf DVD gekauft und verblüfft festgestellt: Das Spiel war ziemlich schwach, und Deutschland war klar besser.
Dieses Spiel hat gelebt von den letzten drei Minuten. Und von der Tatsache, dass Deutschland mit einem Sieg mit fünf Toren Differenz noch eine Finalchance gehabt hätte. Und in den deutschen Medien wurde mit aller Arroganz genau das erwartet. Aber das Spiel war objektiv nicht vom Stuhl reißend.
Sie bekennen sich dazu, gerne Boxen zu sehen – das gilt heute als politisch überhaupt nicht korrekt.
Ich bin auch da gespalten. Dass Menschen sich messen, indem sie einander schlagen, entzieht sich meiner Logik. Aber beim Boxen sind es wieder die Geschichten, mit denen ich etwas verbinde. Die Bedeutung, auch politisch, von Ali wurde mir erst retrospektiv bewusst. Aber die Geschichte von Roy Jones jr. bei Olympia 1988 habe ich durch Zufall erlebt. Roy Jones jr. verprügelt seinen Gegner drei Runden lang – und der andere ist Punktesieger.
Sie schreiben in Ihrem Buch, Niki Lauda war nie der Schnellste, was mich als Lauda-Fan empört. Wie ist man nicht der Schnellste und wird dreimal Weltmeister?
Indem es seine Fähigkeit war, ein Auto abzustimmen und mit diesem Auto der Schnellste zu sein.
Alain Prost saß 1984 im gleichen Auto.
Er ist öfter ausgeschieden. Sonst wäre Prost 1984 Weltmeister geworden. Wenn man die Trainingsergebnisse vergleicht, war es nicht einmal knapp.
Wer war für Sie der Schnellste aller Zeiten? Senna?
Vermutlich als Gesamtpaket Senna. Wobei da die fast österreichische Mystifizierung durch seinen frühen Tod dazugehört. Es heißt auch, James Dean war der beste Schauspieler – was objektiv auch nicht belegbar ist.
Sie schreiben im Buch über Andreas Gabalier, der die Hymne ohne „Töchter“ gesungen hat. Es ist mittlerweile üblich geworden, dass man in Stadien trotzig ganz laut „großer SÖHNE“ singt.
Das ist mir in der Intensität noch nicht aufgefallen. Aber mir ist das Thema wichtig. Der Sport ist immer gefährdet, Diskriminierung zu betreiben. Das Schlimme daran ist: Die damalige Ministerin für Unterricht und Sport hat auf Facebook darauf hingewiesen – und musste widerlichste Beschimpfungen bis hin zur Morddrohung über sich ergehen lassen. Ich frage mich: Wie ticken Menschen, die ihre politische Meinung nur so ausdrücken können?
Sie schreiben, dass unser Nationalsport Skifahren von nicht einmal zehn Ländern professionell betrieben wird. Wird Ihnen das die Nation verzeihen?
Ich blendete beim Schreiben jeden Gedanken aus: Was kommt gut an? Der Verlag ist auch nicht sehr erfreut darüber, dass ich die Deutschen als meinen Lieblingsgegner beschreibe, denn es ist ein deutschsprachiges Buch. Aber ich schreibe ja auch meine Skisportgeschichten – etwa als Hermann Maier einmal Zehnter in einem Slalom war, was kaum jemand weiß.
Ihr Lieblingssport ist Laufen. Das Schöne am Laufen ist ja: Jeder kann sofort damit anfangen, man braucht nur zwei Schuhe.
Ich habe mit dem Laufsport begonnen, weil ich seit einem Skiunfall kaputte Ellenbogen habe. Und weil ich Laufschuhe und Dress auch auf Reisen überallhin mitnehmen kann.
Wie können Sie mit Armin Wolf zusammenarbeiten, der ja vom Sport keine Ahnung hat?
Er versteht mich, denn er hat als Äquivalent Karl May. Also auch etwas, das gar nichts mit dem Beruf zu tun hat. Und er tanzt sehr gerne und gut, was ich nicht tue – ich will ja niemanden verletzen.
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