Die WM ist auch der Beweis dafür, dass die Uhren in der Snooker-Welt etwas anders ticken. Größer, schneller, lauter ist hier nicht das Motto, Tradition steht im Vordergrund. Gespielt wird die WM seit 1977 im Crucible Theatre in Sheffield. Das ist nach Corona auch wieder voll mit Fans. Allerdings passen nur 980 Zuschauer hinein, obwohl gerade in der entscheidenden Turnier-Phase wesentlich mehr kommen würden. Viel mehr sind jedoch gar nicht unbedingt erwünscht. "Vielleicht könnten wir auch vor 10.000 Fans spielen. Aber vor 90.000 Leuten? Das wäre ein Problem", sagt Ronnie O’Sullivan und erklärt: "Snooker ist ein ruhiger Sport – und versuchen sie einmal, bei 90.000 Menschen für Ruhe zu sorgen."
Strenge Etikette
Der Engländer O’Sullivan ist aktuell die Nummer eins der Welt. Er ist aber nicht nur für sein brillantes Spiel bekannt, sondern auch für seine Ausraster. So auch bei der aktuellen WM. Bei seinem Erstrundensieg gegen David Gilbert sorgte er mit einer obszönen Geste nach einem Fehler für Aufsehen. Eine Strafe droht, es wäre nicht seine erste. Wegen eines ähnlichen Vorfalls musste er schon einmal 3.000 Euro zahlen, und es wurden ihm wertvolle Ranglistenpunkte abgezogen. Wutausbrüche sind im Snooker genauso verpönt wie ausgefallener Jubel, ein Verstoß gegen die Etikette wird beinhart bestraft.
Von den Spielern wird erwartet, ein von ihnen begangenes Foul anzuzeigen, sollte es der Schiedsrichter übersehen. Ein ungeschriebenes Gesetz. Hochoffiziell ist der Dresscode, Anzughose, Hemd, Weste und die Fliege sind Pflicht. Das kommt noch aus der Zeit, als Snooker fast ausschließlich in Offizierscasinos beim Militär gespielt wurde.
Ebenfalls Tradition ist es, dass die besten Spieler einen Beinamen bekommen. Passt eigentlich nicht zur feinen Etikette und dem Outfit der Sportler. Den Spitznamen muss man sich verdienen. Man darf ihn sich nicht selbst aussuchen, man bekommt ihn. Oft hat er mit der Spielweise zu tun. Wie etwa bei Ronnie O’Sullivan, der wegen seines schnellen Spiels "The Rocket" genannt wird. Er hat 1997 in fünf Minuten und acht Sekunden das schnellste Maximum-Break (147 Punkte), also ein perfektes Spiel geschafft.
Raketen und Drachen
Oft spielt auch die Herkunft eine Rolle. So wird der Australier Neil Robertson als "Thunder from Down Under" bezeichnet. Mark Selby kommt aus Leicester. Er wird "Jester from Leicester" (Spaßvogel aus Leicester) genannt. Wohl auch wegen des Reimes. "The Magician" Shaun Murphy hat bei der WM bereits ausgezaubert, er verlor gegen den "Merlin of Milton" Stephen Maguire. Der wiederum ist einer der wenigen, die ohne Fliege spielen dürfen – er hat ein ärztliches Attest. Und Anthony Hamilton: Der kommt aus Nottingham, wird aber auch wegen seines Kinn- und Oberlippenbärtchens "Robin Hood" genannt. "The Ace in the Pack", das Ass im Ärmel, ist Judd Trump. Angst hat der Mitfavorit aber auch vor dem "Welsh Dragon", dem walisischen Drachen Matthew Stevens, nicht. Der musste in Runde eins sowieso erst versuchen, "Jack-Pot" Jack Lisowski zu knacken.
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