Schach-WM: Heute geht's um alles oder nichts

Den Ding im Nacken: Dreimal ging Nepomnjaschtschi in Führung, dreimal verlor er sie wieder. Er steht unter dem größeren Druck
Verjuxte Chancen, ungewohnte Spielstile und über alledem die Weltpolitik: Das Duell zwischen Nepomnjaschtschi und Ding ist nichts für schwache Nerven – mit Live-Stream

Ihr Auftritt nach der 13. Partie am Donnerstag war bezeichnend: Während dem zurückhaltenden Ding Liren (30) mehrmals ein Lächeln auskam, wirkte Jan Nepomnjaschtschi (32) zum Ende hin schon ziemlich genervt. Gerade hatten sich die Kontrahenten in der vorletzten WM-Begegnung auf ein Remis geeinigt, doch die Fragen auf der Pressekonferenz drehten sich zu einem guten Teil um den Tag davor: Da hatte der Russe eine Gewinnstellung nicht nur verschenkt sondern gar verloren und somit den Chinesen zum 6:6 ausgleichen lassen, anstatt mit einer Zwei-Punkte-Führung eine Vorentscheidung herbeizuführen. „It was not the sweetest moment“, räumte „Nepo“ ein.

Zwei Faktoren prägen diesen 49. Wettkampf in der Geschichte der Schachweltmeisterschaften: Fehler, aus denen wilde Wendungen resultieren – und wer damit besser umgeht. Hier sitzen und schwitzen zwei Menschen aus Fleisch und Blut, die trotz Schnitzern weitermachen müssen. Vor allem heute, wenn es in der 14. Partie (11 Uhr MESZ, Livestream auf Youtube – bzw. weiter unten eingebunden) um alles oder nichts geht – wer gewinnt, ist Weltmeister. Bei einem Remis folgt am Sonntag ein Tiebreak mit Schnell- und eventuell Blitzpartien.

 

Chinesische Mauer

Das Momentum spricht für Ding, der dreimal einen Rückstand aufgeholt und im 14. Spiel Weiß hat. Aber es wäre kein Wunder, wenn wieder alles anders kommt. Ding, als dessen besondere Stärke die Defensive galt, hat sich als Angriffsspieler gezeigt, wenn es nötig ist. Valentin Dragnev, 24-jähriger Großmeister aus Wien, ist nicht überrascht: „Das ist einfach der Not geschuldet. Ding brauchte ein Ergebnis, klar kann er auf Angriff umschalten. Die besten Spieler können alles.“ Einmal, in der 7. Partie, verfiel Ding aber auch geradezu in eine Schockstarre und zog minutenlang nicht, gerade als er sich hätte beeilen müssen.

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