Sarah Fischer: Die stärkste Frau Österreichs

Sarah Fischer lebt für den Sport. Vater Ewald ist zugleich ihr Trainer.
Sarah Fischer ist 17 Jahre jung und hebt bis zu 15 Tonnen pro Trainingseinheit. Ihr Ziel: Olympia.

Die Stange mit den mächtigen Gewichten donnert krachend auf die Bühne, wie das zentimeterhohe Podest genannt wird, der Beton zittert. "Noch einmal! Du zangelst schon wieder mit! Enger an den Körper! Mehr Spannung in den Oberkörper bringen!" Kurz, präzise, laut sind die Anweisungen des Trainers, ihres Vaters.

Während andere 17-jährige Mädchen sich am Samstagvormittag vom Vorabend erholen, trainiert Sarah Fischer in der angeräumten "Stemmerhalle" im Sportzentrum Krems "Standumsetzen", eine Technik, die zum Stoßen gehört. Aus den Knien hebt sie die Hantel hoch, in einer dynamischen Bewegung wuchtet sie sie auf die Schultern. Dann kracht sie wieder auf den Boden. Fischer bläst aus, lacht. Die "Stemmerhalle" ist ihr Zuhause, der Sport ihr Leben.

Schwere Last

Sarah Fischer ist die stärkste Frau Österreichs. 12 bis 15 Tonnen hebt sie insgesamt in einer Trainingseinheit, Kniebeugen macht sie mit 165 Kilogramm, 249 österreichische Rekorde hat sie aufgestellt. Sie gewann heuer bei der U-17-Weltmeisterschaft in Bangkok den Titel, und zuletzt holte sie bei der Europameisterschaft in Albanien im Reißen und im Zweikampf jeweils Silber und im Stoßen Bronze – in der U-20-Klasse.

"Das Gewichtheben, das ist einfach mein Sport", sagt sie. "Ich habe nie daran gedacht, einen anderen Sport zu machen." Schon Vater Ewald war Stemmer, 13 Mal wurde er Staatsmeister. "Ich war nicht schlecht", sagt Fischer Senior. "Aber so gut wie meine Kinder war ich nie." Kinder? Auch Sohn David (19) ist Gewichtheber, auch er erkämpfte sich bei der Unter-20-EM in Albanien eine (Bronze-) Medaille.

Sarah Fischer war schon als Kleinkind bei den Gewichthebern in der Halle. Mit acht absolvierte sie ihren ersten Wettbewerb, bestehend aus Liegestützen, Leichtathletik und Gewichtheber-Übungen mit Holzstangen. Erst bei über Zehnjährigen geht es um das gehobene Gewicht. Sarah Fischer hob – und gewann viele Jahre lang jeden Bewerb. "Das Gewinnen und die Rekorde. Das will ich, das ist es, was mich antreibt."

Bei der EM im April 2018 wird sie in der allgemeinen Klasse antreten, der Klasse der Erwachsenen. Ihre Gewichtsklasse: 75 bis 90 Kilogramm. Vom Körpergewicht her hat sie da noch Luft nach oben, obwohl "ein Gewichtheber rund um die Uhr essen muss." In ihrem Fall bedeutet das fünf "ordentliche" Mahlzeiten am Tag. Viel von allem: Eiweiß, Fleisch, Kohlenhydrate, Salat, Gemüse.

Bei der EM ist Rang acht das Ziel. Doch das langfristige Ziel liegt in Tokio. Dort finden 2020 die Olympischen Spiele statt. "Mit 130 Kilo im Reißen und 160 im Stoßen ist sie dort unter den Top Fünf, vielleicht sogar in einem Medaillenrang", rechnet Vater Ewald vor und zeigt auf die Tafel, auf der die Zahlen "130" und "160" stehen. "Dort müssen wir hin."

Fischers derzeitige Bestleistungen liegen bei 99 und 121 Kilogramm. "Das ist noch ein weiter Weg. Aber wir haben ja noch viel Zeit."

In Phasen der Wettkampfvorbereitung trainiert sie bis zu 14 Mal pro Woche. Ausreden? Gibt es nicht. Feiertag? Egal. Heiliger Abend? Wurscht. "Wenn man will, kann man immer trainieren", sagt sie und bedankt sich bei ihrer Schule, die ihr mit Freistellungen sehr entgegen kommt. Dort, im Nachwuchskompetenzzentrum NÖ in St. Pölten, einer Handelsschule für Leistungssportler, hat man Verständnis für ihre Leidenschaft.

Teurer Spaß

Nach der Schul-Karriere will sie sich voll auf den Sport konzentrieren. Doch vom Gewichtheben leben wird sie in Österreich nie können. 4000 Euro kostet allein eine Hantelstange mit Scheiben, der Aufwand für eine Saison beträgt 25.000 bis 35.000 Euro. "Wir brauchen Physiotherapeuten und Masseure und wir müssen die Reisen zahlen", sagt Vater Ewald. "Wenn ein Sponsor einmal 500 oder 1000 Euro hergibt, sind wir schon glücklich." Ganz anders die Situation in Osteuropa. Dort sind Gewichtheber Helden und werden entsprechend entlohnt.

Großes Problem

In Osteuropa hat das Gewichtheben Tradition, das Know-how ist vorhanden. Allerdings auch das Know-how in Sachen Doping. "Ich werde ungefähr alle vier Wochen von den Doping-Kontrolloren besucht", sagt Sarah Fischer. Chancengleichheit gebe es derzeit nicht. "Ich habe mit einem Kollegen aus einer Ost-Nation gesprochen. Der ist vor einem Wettkampf zwei Jahre lang nicht getestet worden. Der kann dort machen, was er will." Ob sie selbst dabei in Versuchung kommen könnte? "Nein. Ich darf mir das auf keinen Fall leisten. Wenn ich dope, fliege ich sofort aus der Schule – und die Karriere wäre vorbei."

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