Rad-Star Großschartner: "Als Radprofi warst du immer unterernährt"

Felix Großschartner ist grundsätzlich kein Radfahrer für die erste Reihe. Er strampelt sich lieber für andere ab und ebnet so den Weg für Erfolge. Das macht den 31-jährigen Oberösterreicher auch so wertvoll für das UAE-Team rund um Superstar Tadej Pogacar.
„Ich bin als Helfer engagiert und fahre inzwischen kaum noch bei einem Rennen mit, um für mich ein gutes Ergebnis zu erreichen“, erklärt Großschartner. „Außer es ergibt sich zufällig was.“
So wie am Mittwoch beim Auftakt der Tour of Austria in Steyr, den der Lokalmatador für sich entschied. Und dieser erste Etappensieg eines Österreichers seit 2015 hat sich keineswegs zufällig ergeben. „Ich hatte es genauso geplant. Die letzten 500 Meter ins Ziel haben sich surreal angefühlt“, sagte Großschartner.

KURIER: Warum sind Sie eigentlich so gerne Helfer?
Felix Großschartner: Erstens fahre ich gerne für Leute, die Rennen gewinnen. Und zweitens macht es riesigen Spaß. Wenn ich zum Beispiel in den Bergen das Tempo mache und merke, dass irgendwann nur mehr die Besten übrig sind. Es ist lässig, ein Teil eines so erfolgreichen Teams sein zu dürfen. Und die Rolle als Helfer hat auch ihre Vorteile: Wenn ich einen schlechten Tag habe, ist es nicht so schlimm, weil eh jemand anderer aus dem Team abliefert. Wobei ich zu 99 Prozent ein sehr zuverlässiger Helfer bin.
Sie sind seit mehr als zehn Jahren Profi. Wie sehr hat sich der Radsport in dieser Zeit verändert?
Man kann das eigentlich fast nicht mehr vergleichen. Beim Training selbst hat sich wahrscheinlich noch am wenigsten verändert, aber rundherum ist alles viel professioneller geworden. Allein wenn ich an die Ernährung denke.
Was ist da heute anders?
Kurz gesagt: Alles. Früher war’s normal, dass du von jedem Training mit einem Hungerast heimgekommen bist. Du warst als Radprofi im Prinzip immer unterernährt. Wir haben es auch nicht anders gekannt und nicht besser gewusst. Wir haben den Körper so trainiert, dass er mit möglichst wenig Energie auskommt.
Und das war falsch?
Jetzt geben wir dem Körper die Energie, die er braucht. Mit dem Effekt, dass es dir im Alltag und beim Trainieren viel besser geht. Früher hast du dich ja gefühlt wie eine halbe Leiche. Ich wiege heute weniger, weil ich immer schaue, dass ich gleich viel zu mir nehme, wie ich verbrenne. Es gibt da inzwischen Apps, die das genau überwachen. Wobei am Ende des Tages das eigene Körpergefühl immer noch das Wichtigste ist. Wenn ich Hunger habe, dann esse ich was.
Wird heute auch anders gefahren? Herrscht im Peloton mehr Stress?
Es ist mehr Technologie im Spiel. Wir haben heute alle GPS am Radcomputer und sehen daher wie bei einem Navi genau, wo es hingeht. Dadurch hat sich auch das Fahren im Feld verändert.
Es müsste eigentlich sicherer geworden sein.
Wenn du am GPS siehst, dass eine Engstelle kommt, dann schaust du, dass du dich im Feld vorne positionierst. Nur denken sich das alle 150 im Feld. Und das macht das Fahren viel stressiger. Früher hat man nicht so viel darüber nachgedacht, was auf einen zukommt. Da bist du, blöd gesagt, einfach den anderen nachgefahren. Jetzt hat man sämtliche Informationen und als Fahrer manchmal das Gefühl, man könnte was verpassen, wenn man nicht vorne ist. Und das bauscht sich im Feld dann so auf.
Aktuell findet auch die Tour de France statt. Ihr Teamkollege Tadej Pogacar ist der Favorit. Wie tickt er?
Tadej ist nicht nur ein großer Champion, sondern vor allem ein richtiger Leader. Er nimmt sich überhaupt nicht wichtig. Ich habe schon viele Stars kennengelernt und da waren teilweise spezielle Leute dabei. Da musste sich alles im Team nach dem Star richten. Bei Pogacar gibt es das nicht. Er ist der Beste, lässt es aber niemanden spüren.

Was zeichnet ihn als Radfahrer aus?
Ihm macht es riesigen Spaß, ans Limit zu gehen. Das sieht man ihm in jedem Training an. Er hat einfach Bock drauf. Deshalb ist er heuer auch bei Paris–Roubaix gestartet. Andere Fahrer, die im Sommer die Tour de France fahren wollen, denken sich vielleicht: Bah, das ist stressig und gefährlich, das tu’ ich mir nicht an. Pogacar hat Lust auf solche Herausforderungen. Diese Lockerheit zeichnet ihn aus, bei ihm wirkt das Radfahren nie verkrampft.
Tadej Pogacar verdient acht Millionen Euro im Jahr: Wie gut kann man heute als Radprofi leben?
Radsport ist nicht zu vergleichen mit Fußball. Aber wir sind in der World Tour in einer guten Situation. Wenn man nicht blöd ist und halbwegs normale Entscheidungen für seine Zukunft trifft, dann kann man sich etwas aufbauen.
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