Radstar Patrick Konrad: "Für uns ist das die Hölle"

Wer ein Rad im Namen trägt, der kann ja fast nur ein Radprofi werden. Patrick Konrad ist der einzige Österreicher beim diesjährigen Giro d’Italia, der sich gerade in der letzten Woche und mitten in den Bergen befindet.
Für den 33-jährigen Niederösterreicher und sein Lidl-Trek-Team läuft es bisher hervorragend: Die Mannschaft feierte bereits sechs Etappensiege, mit dem Dänen Mads Pedersen stellt Lidl-Trek auch den Leader in der Punktewertung.
Patrick Konrad ist bei der Italien-Rundfahrt als Edeldomestike im Einsatz und stellt sich ganz in den Dienst seiner Teamkollegen. Der 33-jährige Niederösterreicher über . . .
- den Giro d’Italia
„Für mich ist eine Grand-Tour mittlerweile fast schon business as usual. Wenn du so viele große Rundfahrten gefahren bist wie ich, dann weißt du, was dich erwartet und was zu tun ist. Du weißt zum Beispiel auch, dass der Druck ein ganz anderer ist.“
- seine Rolle im Team
„Ich habe in erster Linie Helferdienste zu leisten und damit kann ich auch gut leben. Ich war beim Giro zwei Mal in der Gesamtwertung in den Top Ten und bei Etappen auch schon auf dem Podium. Der Radsport ist ein Teamsport, ich stelle mich da gerne in den Dienst unserer Mannschaft. Mein Vorteil ist sicher, dass ich auf jedem Terrain einsetzbar bin.“
- den Druck bei einer großen Rundfahrt
„Es fließt heute viel mehr Geld in den Radsport. Dadurch sind nicht nur unsere Verträge besser geworden, auch der Leistungsdruck ist gestiegen. Die Teams müssen immer mehr Erfolge einfahren. Es reicht nicht mehr, nur bei der Tour de France vorne dabei zu sein. Die Teams und Sponsoren erwarten sich, dass das Team über das ganze Jahre erfolgreich ist.“
- den Wandel im Radsport seit seinen Anfängen als Profi
„Wir fahren heute nicht nur viel bessere und schnellere Räder, es ist überhaupt alles professioneller geworden. Mittlerweile wird auf jede Kleinigkeit geachtet: Unsere Helme und unser Gewand werden im Windkanal getestet. Früher hatte man einen Pulsgurt, jetzt verwenden wir Hitzesensoren, die zum Beispiel die Körpertemperatur und das Leistungslevel messen. Alle körperlichen Daten werden analysiert. Die Teamführung kann nach jeder Etappe feststellen, wie sehr sich ein Athlet am Tag verausgabt hat.“
- Ursachen für immer schnellere Zeiten
„Ein Grund ist auch, dass die Ernährung viel besser geworden ist. Jedes Team hat Köche und Ernährungsberater dabei. Das Essen wird getrackt, damit auch ja alle Makronährstoffe perfekt abgestimmt sind. Man muss sich das einmal vor Augen halten: Wir nehmen mittlerweile 120 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu uns. Das muss man trainieren, so viel zu sich zu nehmen, sonst schafft es der Körper nicht. Aber weil man das auch im Training so macht, wird auch die Trainingsleistung besser. Es hat sich alles sehr modernisiert. Auch bei den kleineren Teams ist das Standard.“

- die Positionskämpfe im Feld
„Jeder fightet da um seinen Platz. In der ersten Woche einer Grand-Tour ist das mühsamer, als in der Schlusswoche, wenn das Feld bereits sortiert ist. Ich kann heute ein Rennen viel besser lesen, viele Situationen, die während einer Etappe passieren, habe ich schon oft erlebt. Es gibt junge Fahrer, die vielleicht am Papier stärker sind und viel bessere Wattzahlen treten können als ich, aber im Rennen sind sie weit hinten, weil sie im richtigen Moment nicht dort sind, wo sie sein müssen.“
- Herausforderungen im modernen Radsport
„Es gibt immer mehr Fahrbahnteiler, es kommen immer mehr Kreisverkehre, Bodenschwellen und Fahrbahnverengungen daher, um die Geschwindigkeit der Autos zu reduzieren. Für uns ist das natürlich die Hölle, wenn du mit 200 Leuten auf der Straße unterwegs bist, und es geht auf so eine Engstelle zu.“
- die Belastungen während einer großen Rundfahrt
„Es ist körperlich sehr anstrengend, aber auch mental, weil so ein Leistungsdruck vorherrscht. Deswegen ist es auch extrem wichtig, dass man als Team so früh wie möglich einen Etappensieg feiert. Das nimmt sehr viel Anspannung heraus. Wenn es in die 15. Etappe geht und du hast noch nichts gewonnen und niemanden in der Gesamtwertung vorn dabei, dann wird es sehr frustrierend. Am schlimmsten ist es aber, wenn du einen Leader für die Gesamtwertung hast, der auf Podiumskurs ist und dann am 16. Tag stürzt und nicht mehr weiterfahren kann. Dann hast du 16 Etappen lang ein Ziel verfolgt und im Endeffekt stehst du mit leeren Händen da. Das ist mental furchtbar.“

- den Kampf gegen den inneren Schweinehund
„Es kann immer wieder passieren, dass man während der Rundfahrt einen schlechten Tag hat und am Start nicht weiß, wie man ins Ziel kommen soll. So etwas kann man immer irgendwie überleben und sich in den nächsten Ruhetag reinretten. Schlimm ist es, wenn du stürzt und dabei extrem viel Haut verlierst – dann kannst du nicht mehr regenerieren. Der Körper weiß dann nicht, ob er sich um die Wundheilung kümmern oder sich von den Strapazen der Etappe erholen soll.“
- eine Aufgabe bei einer Grand-Tour
„Seit ich Rad fahre, war die Vuelta im letzten Jahr die erste Rundfahrt, die ich aufgeben musste. Ich hatte damals Corona. Ich war auch vorher schon krank bei Rundfahrten, aber bin es immer fertig gefahren. Langfristig gesehen war das sicher ein Fehler. Es macht keinen Sinn, krank ein Radrennen zu bestreiten oder überhaupt Leistungssport zu betreiben. Du kannst dir damit dein Leben verhauen. Man braucht aber auch das richtige Umfeld im Team und Menschen, die dafür Verständnis zeigen. Mein Team hat mich von der Vuelta heimgeschickt. Es gibt aber auch Fahrer, die mit Corona am Start stehen und andere anstecken.
- seine Einsätze nach dem Giro
„Ich fahre ein World-Tour-Rennen in Kopenhagen und dann die österreichischen Meisterschaften bei mir im Burgenland. Dann geht’s zur Österreich-Tour.“
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