Das härteste Radrennen der Welt: Wenn der Campingstuhl zum Klo wird
Lukas Kaufmann startet beim Race Across America. Wie viel schläft er auf den 4.900 Kilometern? Wieso ernährt er sich nur flüssig? Warum geht er am Campingstuhl aufs Klo? Einblicke in ein extremes Radrennen
Würde sich Lukas Kaufmann ernsthaft Gedanken machen, was in den kommenden Tagen alles schiefgehen könnte, es müsste ihn in den Wahnsinn treiben. Vor ihm türmen sich gerade Hindernisse und Herausforderungen auf, die jedem Ottonormalradfahrer schon beim bloßen Lesen Höllenqualen bereiten.
4.900 Kilometer, 50.000 Höhenmeter
4.900 Kilometer quer durch die Vereinigten Staaten, 50.000 Höhenmeter, durch staubige Wüsten und über steile Bergpässe, zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jeder Witterung – Willkommen beim Race Across America, dem berühmtesten und zugleich wohl auch härtesten Ultra-Radrennen der Welt.
Große Unbekannte
Lukas Kaufmann hat sich so gut als möglich auf das Race Across America vorbereitet. Der 29-jährige Debütant aus Kronstorf in Oberösterreich hat trainiert wie ein Berserker, er kennt die Streckenführung und er hat Ratschläge von früheren Teilnehmern eingeholt. Er weiß von früheren Extremrennen auch, dass sein Körper einiges aushält, aber das Race Across America ist eine andere Nummer.
„Ab dem vierten Tag wird es eine Reise ins Unbekannte“, sagt Lukas Kaufmann, der zuvor noch nie länger als 96 Stunden durchgehend auf dem Rad gehockt ist. Bei seiner USA-Durchquerung wird er ab Dienstag doppelt so lange unterwegs sein.
Powernaps
„Ich habe keine Ahnung, wie es mir am sechsten Tag mit dem Schlaf gehen wird“, meint der Extremsportler. „Ich weiß auch nicht, wie mein Körper reagiert, wenn ich einen ganzen Tag durch eine Wüste fahre. Man kann sich auf viel vorbereiten, aber sicher nicht auf alles.“
Die größten Gefahren lauern für Lukas Kaufmann beim Race Across America jedenfalls nicht auf der Straße, der härteste Gegner ist der eigene Körper. „Die Müdigkeit und die Verpflegung sind das Schlimmste.“
Kaufmann hat sich vorgenommen, in der ersten Nacht noch keine Schlafpause einzulegen. Erst in den Folgetagen will er sich regelmäßig Powernaps gönnen, nie länger als zehn Minuten. „Ich bin in der glücklichen Situation, dass das bei mir funktioniert. Ich setz’ mich ins Begleitauto, mach’ die Augen zu, 20 Sekunden später bin ich weg.“
Konzentrationsloch
Wirklich erholsam ist das natürlich nicht, der kurze Schlaf dient maximal dazu, sich neu zu sortieren, aber die Müdigkeit wird bis zum Ziel an der Ostküste ein treuer und unangenehmer Begleiter sein. Denn auch Radfahrer sind vor einem Sekundenschlaf nicht gefeit.
Bei steilen Abfahrten und anderen anspruchsvollen Passagen hat Kaufmann weniger Sorge, versehentlich auf dem Lenker einzunicken. Richtig herausfordernd für die Konzentration und den Geist sind monotone Streckenabschnitte, bei denen es stundenlang nur geradeaus geht. „Davon gibt es in Amerika leider viele“, weiß Kaufmann.
Flüssignahrung
Der Vater eines sechs Monate alten Buben (Paul) hat daher dem 14-köpfigen Team, das ihn im Auto begleitet, einen klaren Auftrag mit auf den langen Weg durch Amerika gegeben. Die Betreuer sind zugleich die Entertainer. „Sie müssen mich beim Fahren unterhalten. Indem sie mir Nachrichten vorlesen, Geschichten erzählen oder Musik vorspielen.“
Im Begleitauto sitzt auch ein Arzt, der regelmäßig die Blutwerte des Ausdauersportlers überprüft. Die richtige Ernährung ist ein Schlüssel zum Erfolg beim Race Across America. Kaufmann nimmt ausschließlich Flüssignahrung zu sich und wird jeden Tag mindestens 15 Liter trinken.
Kohlenhydrat-Klassiker wie Kaiserschmarrn oder Nudeln würden den Körper rebellieren lassen. „Die Verdauung funktioniert nicht mehr wie sonst. Keiner der Starter wird am Ende noch einen festen Stuhlgang haben.“
Kaufmann selbst verrichtet sein Geschäft während der Fahrt nicht einfach am Straßenrand. „In USA muss man aufpassen. Du darfst nicht einfach in den Straßengraben gehen", weiß der Österreicher, der sich einen Campingsessel umgebaut hat. "Da ist im Sitz ein Loch hineingeschnitten und dann wird ein Müllsack reingehängt. Das ist mein Klo.“
60.000 Euro hat Lukas Kaufmann in das Projekt Race Across America investiert. Diese Erlebnisse und Emotionen seien freilich viel mehr Wert, versichert er vor dem Startschuss am Dienstag.
Der Sieger der Tortur bekommt übrigens keinen Cent. „Es gibt nur eine Holztafel in Form von Amerika.“
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