Petar Segrt: Zwischen Bällen und Bomben

Teamchef Petar Segrt (links) führte die afghanische Auswahl erstmals in der Verbandsgeschichte zum Asien-Cup.
Wie Ex-Sportklub-Trainer Petar Segrt als Teamchef in Afghanistan überlebt.

Der ehemalige Wiener-Sportklub-Trainer Petar Segrt wird am Sonntag 50. In Wahrheit feierte er in den letzten Monaten mehrmals Geburtstag. Denn seit dem 1. 11. hat er den gefährlichsten Fußball-Job.

Petar Segrt ist Teamchef von ... Afghanistan, wo sie doch ganz andere Sorgen als Fußball haben werden. "Irrtum", meldet der Mann aus Kabul. Auch wenn er ohne seine Bodyguards keinen Schritt vor das Hotel wagen kann. Zu bekannt und damit suspekt für religiöse Fanatiker ist Segrt geworden.

Bis zu zwanzig TV-Stationen widmeten sich der afghanischen Nationalelf. Als die unter Segrt sechs Länderspiele in Serie gewann, erstmals die Qualifikation zum Asien-Cup (2017) erreichte und Segrt von Medien zum "Man of Hope" erklärt wurde.

"Die Leute sind dankbar, dass wir sie für 90 Minuten den brutalen Alltag vergessen lassen." Weil sich kaum jemand auf die Straße traut, hocken umso mehr Menschen in ihren von Granatsplittern gezeichneten Häusern bei den Übertragungen. Zumal die Afghanen auch ihre Heimspiele auswärts – in Teheran – austragen müssen.

Mini-Liga im Pulverfass

Die Liga von Afghanistan beschränkt sich auf eine sechswöchige "Casting-Show" (O-Ton Segrt) auf dem verbandseigenen Gelände hinter Mauern und Stacheldraht. Die Spieler werden aufgeteilt auf achtsitzige Fahrzeuge zur Mini-Meisterschaft gebracht. Große Busse gilt es zu vermeiden, weil die wegen der makabren Chance auf eine höhere Opferzahl als bevorzugte Terror-Ziele gelten.

Trotz aller Gefahren riskiert es Segrt, zwei Wochen pro Monat im Pulverfass Kabul mit den im Land gebliebenen Kickern zu arbeiten.

Trotz ihrer Trainingsdefizite baut Segrt stets einige in seine Legionärsauswahl ein.

Und trotz aller beim Volk erworbenen Sympathien sind Segrt und sein Mixed-Team ("Als wir uns auf dem Weg zum Staatspräsident befanden") im April nur knapp einem Blutbad entgangen. "Der Bombenanschlag soll uns gegolten haben." Seither sind die Fenster des Verbandsgebäudes ohne Glas – dort unterschrieb Segrt einen Fünfjahresvertrag. Ein Funktionär aus Georgien, wo sich Segrt als U-21-Coach von russischem Säbelrasseln nicht hatte entmutigen lassen, empfahl den Afghanen den Weltenbummler.

Fünf Jahre wird Segrt in Kabul wohl kaum durchhalten. Obwohl der Katholik ("Ich bete auch in Gegenwart meiner Spielern vor jedem Essen") von den muslimischen Afghanen mit höchstem Respekt spricht und Vorurteile korrigiert wissen will.

"In Kabul waren die Menschen entsetzt, als sie von den Kölner Vorfällen zu Silvester erfahren haben. Ein normaler Afghane wird eine Frau in der Öffentlichkeit nie berühren." Nachsatz: Was hinter den Mauern passiert, wisse er freilich nicht.

Was der europäische Fußball-Lehrer ebenfalls nicht weiß: Ob die Taliban den Fußball verachten oder, wie er auch gehört haben will, sogar selbst gern kicken.

Dorn im Taliban-Auge

Verbürgt (und wenig überraschend) ist nur, was Taliban als Provokation empfinden: Dass der Anteil weiblicher Fußball-Fans größer wird und in Afghanistan inzwischen sogar ein Frauen-Nationalteam existiert. Auch für das ist Petar Segrt zuständig.

Seinen 50er verbringt Afghanistans deutscher Fußballlehrer mit seiner bosnischen Freundin in der kroatischen Heimat seiner Eltern. Ehe er nach Kabul fliegen und sich, obwohl empfangen und beschützt wie ein Politiker, schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt zu fürchten beginnen wird.

Trotzdem gebe er im ausgebluteten Land die Hoffnung auf Besserung nicht auf, sagt der "Man of Hope".

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