Ein Traditionssport hat Probleme zu stemmen

Das Gewichtheben hat Probleme.
Das Gewichtheben steckt seit Jahren in einer Glaubwürdigkeitskrise.

Auf dem Weg zur Bühne wird der Sportler von seinen Betreuern abgeklopft, fast geprügelt, um die letzten Energiereserven zu aktivieren. Dann bestäubt er seine Hände mit Magnesia. Nach dem Ton der Sirene stemmt er eine Langhantel über den Kopf, je nach Persönlichkeit lautlos oder mit einem diabolischen Urschrei. Sobald die grüne Lampe leuchtet, ist der Versuch gültig. Die Hantel fällt, die Erschütterung ist in der ganzen Halle zu spüren. Erledigt. Wer nach drei Versuchen die schwerste Last gehoben hat, gewinnt.

Vielleicht liegt die Faszination des Gewichthebens in seiner Einfachheit;

vielleicht liegt sie darin, dass hier die stärksten Menschen der Welt fast unmenschliche Lasten bewältigen und man ihnen die Anstrengung im Gesicht ablesen kann;

Ein Traditionssport hat Probleme zu stemmen
2016 Rio Olympics Weightlifting - Final - Men's 105kg - Riocentro - Pavilion 2 - Rio de Janeiro, Brazil - 15/08/2016. David Katoatau (KIR) of Kiribati dances off the weightlifting platform. REUTERS/Stoyan Nenov FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS.
vielleicht liegt sie in Typen wie dem tanzenden 104-Kilo-Mann David Katoatau aus Kiribati, der zwar nicht gewonnen, das Publikum mit seinen sympathischen Einlagen aber verzaubert hat.

Vielleicht liegt sie aber auch in den verstörenden und abstoßenden Doping-Geschichten rund um den Traditionssport.

Zweifelhafter Umgang

In keiner anderen (olympischen) Sportart ist das Dopingproblem so groß. Bei Nachtests der Spiele 2008 und 2012 wurden 15 (!) Medaillengewinner (!!!) überführt. Trotzdem sind die betroffenen Nationen in Rio am Start, nur die Betrüger aus Russland und Bulgarien wurden ausgesperrt. Der Weltverband hatte auch Aserbaidschaner, Weißrussen, Kasachen, Armenier und Türken von den Spielen ausgeschlossen, da diese Nationen bei Nachtests jeweils mindestens drei Mal betroffen waren. Voraussetzung für eine Sperre war jedoch, dass das IOC die Verfahren gegen die Sportler bis Rio abschließt – aber das war nicht der Fall.

Die Fairen sind empört. "Diese Länder haben uns Startplätze geklaut, vielleicht sogar Medaillen", schimpfte der deutsche Bundestrainer Oliver Caruso. "Das System ist krank. Das ganze System ist korrupt."

Offener Ausgang

Auch der Österreicher Sargis Martirosjan ist empört. Zwar jubelte der 29-Jährige über seine persönliche Bestleistung von 389 Kilogramm (179 Kilo im Reißen, 210 im Stoßen), die dem gebürtigen Armenier in der Klasse bis 105 Kilo Rang elf einbrachte.

Ein Traditionssport hat Probleme zu stemmen
Austria's Sargis Martirosjan competes during the men's weightlifting 105kg at the Rio 2016 Olympic Games in Rio de Janeiro on August 15, 2016. / AFP PHOTO / GOH Chai Hin
Doch es ist fraglich, ob er tatsächlich Elfter bleibt. "Wenn die Dopingproben in ein paar Jahren noch einmal kontrolliert werden, rücke ich vielleicht ein paar Plätze vor. Der Achte von London 2012 bekommt jetzt Silber, weil vor ihm alle gedopt waren."

Martirosjan spricht von einem "unfairen" Kampf der sauberen Sportler gegen die Gedopten. "Ich trainiere wie ein Trottel, kämpfe um jedes Kilo und mit Verletzungen – und dann kommt so einer."

So einer wie Weltrekordler Ilja Iljin aus Kasachstan. Dem Olympiasieger von Peking und London wurden bei Nachtests jeweils Anabolika nachgewiesen. "Der stößt 246 Kilo wie nichts und lächelt dabei. Es war klar, dass das ohne Mittel unmöglich ist." Und es ist völlig klar, dass sich auch in Rio einige gedopte Gewichtheber als Olympiasieger feiern lassen.

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