Österreicher vor dem Auftakt beeindruckt
Nikola Marinovic hat viel gesehen im Handball. Der Tormann der österreichischen Nationalmannschaft hat in den schönsten, größten und stimmungsvollsten Arenen dieses Sports gespielt – von Island über Deutschland bis Spanien. Marinovic musste 38 Jahre alt werden und gut 4000 Kilometer weit reisen, um überwältigt zu sein: "Das alles hier ist mega."
"Es prasseln hier viele neue Eindrücke auf uns ein", sagt Kapitän Viktor Szilagyi, "auch auf jene Spieler, die schon einmal bei einer Endrunde dabei gewesen sind." Der 36-Jährige ist so ein Spieler. Nach der Heim-EM 2010, der WM im darauffolgenden Jahr und abermals einer Europameisterschaft (2014) dürften die Titelkämpfe in Katar Höhepunkt und Zäsur zugleich werden für eine der erfolgreichsten österreichischen Mannschaften der vergangenen Jahre.
Noch im Herbst zum Start der EM-Qualifikation streikte bei Szilagyi der Körper: Der harte Sport hat Spuren hinterlassen bei vielen Langzeit-Kräften. "Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich nach einem Spiel schmerzfrei aufgestanden bin", sagt Thomas Bauer.
Handball-Fan Alaba
Für Nachschub hat vor allem Teamchef Patrekur Johannesson gesorgt. Im WM-Kader tummelt sich mit Nikola Bilyk eines der begehrtesten Talente Europas: Bei der Junioren-EM im Sommer wurde der 18-Jährige zum besten Akteur des Turniers gewählt. Das Langzeit-Projekt des womöglich Langzeit-Teamchefs Johannesson (Vertrag bis 2020) heißt ohnehin Heim-EM 2020. "Es kann sein, dass uns vielleicht ein, zwei nicht so erfolgreiche Jahre bevorstehen. Dann müssen wir Geduld zeigen."
Die ist auch am Freitag gegen Kroatien gefordert. Gegen den zweimaligen Olympiasieger konnte man von 13 Duellen nur eines gewinnen – vor 22 Jahren. Szilagyi: "Wenn sie ihr Optimum abrufen, wird es für uns schwierig. Wir müssen im Kopf so weit sein, dass wir zuschlagen können, wenn sich eine Chance bietet." Zum Daumendrücken hat sich David Alaba angekündigt. Österreichs Sportler des Jahres fand Doha nicht explizit mega. Vielleicht, weil er Jahr für Jahr mit den Bayern hier logiert.
Österreichs Programm
Gruppe B
Freitag, 17.00: Kroatien – Österreich.
Samstag, 19.00: Österreich – Bosnien und Herzegowina.
Montag, 19.00: Österreich – Tunesien.
Mittwoch, 15.00: Iran – Österreich.
Freitag, 17.00: Mazedonien – Österreich.
Die Top vier jeder Gruppe ziehen ins Achtelfinale ein.
Katar ist ein Widerspruch: die saftigsten Grünflächen inmitten staubtrockener Wüste, die größtmögliche Freiheit am Kapitalsektor inmitten einer absoluten Monarchie.
Die Welt glaubt alles zu wissen über dieses Land, doch nur die wenigsten kennen es: von der Fläche wie Oberösterreich, von der Einwohnerzahl wie Wien, vom Selbstverständnis wie Monaco und Las Vegas zusammen. Das mag verstörend und wenig charmant anmuten. Aber wer sagt, dass es einem Katarer beim erstmaligen Anblick von Wiener Neustadt oder Kapfenberg nicht ähnlich ergeht?
Zu reich, zu vereinnahmend, zu künstlich lauten die Vorurteile des Westens. Und auf den ersten Blick lassen die sich auch wunderbar bestätigen: Allein für die zweitägige Auslosung der Handball-WM im Juli 2014 stand den Organisatoren aus Katar ein gleich hohes Budget zur Verfügung wie dem deutschen Handball-Bund für die Ausrichtung der gesamten Endrunde 2007.
Keine Einschränkungen
Schon bald will Katar zur Weltmacht im Sport aufgestiegen sein. Die Handball-WM ist da bestenfalls ein kleiner Zwischenschritt, eine willkommene Übung. Weil die Konkurrenz aus Nah (Dubai, Abu Dhabi) und Fern (Russland, Südkorea) groß und kaum weniger potent ist, setzt Katar mit der Hauptstadt Doha Maßstäbe. In Kooperation mit der ebenfalls in der Kritik stehenden Internationalen Handball-Föderation luden die Organisatoren Hunderte Fans und Dutzende Medienvertreter ein. Auch Teile der KURIER-Reise wurden auf diese Weise organisiert, so ehrlich wollen wir sein. Erkaufte Berichterstattung, aber nicht ausschließlich positive, da es weder Auflagen noch Einschränkungen gab. Das ist Katars Mächtigen durchaus bewusst. Sie werden sich Fragen gefallen lassen müssen: zu den Stadionarbeitern, zur Demokratie, zur Nachhaltigkeit.
Das funkelnde Katar wird in den kommenden zwei Wochen grell ausgeleuchtet werden – und wohl dennoch weiterhin ein Widerspruch bleiben.
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