Nur der steirische Koordinator des Russen-Teams wagt Kritik an Putin
Teresa Stadlober, Tochter von ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober, trainierte (nicht zu ihrem sportlichen Nachteil) mit dem russischen Langlauf-Team.
Der ehemalige Tourismusminister, russische Olympia-Präsident und Putin-Vertraute Leonid Tiagatschew besprach als gern gesehener Gast im Ramsauer Bergschlössl mit dessen Besitzer Wolfgang Mitter die Olympia-Saison.
Was sich vor genau einem Jahr begab, ist aus heutiger Sicht undenkbar.
Zehn Jahre lang war der Steirer Mitter alpenländische Anlaufstelle und Koordinator des russischen Teams gewesen. Und oft Quartiergeber von russischen Langläufern, Biathleten und Alpinen. Bei Olympia 2014 in Sotschi fungierte er als Rennleiter.
Aber seit 24. Februar, dem Tag, an dem Putins Armee in der Ukraine einmarschierte, ist Mitter nur noch entsetzt. „Ein freies Land angreifen, das geht gar net.“
Mitter mal vier
Wenig überraschend ist die Wortwahl noch schärfer in jenen Ländern, für die Mitters Söhne als Ski-Coaches arbeiten. Mark Mitter betreut US-Rekordsiegerin Mikaela Shiffrin. Andreas Mitter ist Continental-Cup-Chef der deutschen Skispringer. Und Christian Mitter kehrte nach dreijähriger Tätigkeit als ÖSV-Damen-Chef im Frühjahr nach Norwegen zurück. Dort, behaupten russische Biathleten und Langläufer, seien sie sich nach dem 24. Februar – vor ihrer überstürzten Heimkehr – wie bei einem Spießrutenlauf vorgekommen.
Am Samstag berät die FIS in Sölden, wie sie mit russischen Athleten künftig verfahren wird. „Was im Moment passiert“, bedauert Mitter in Anbetracht russischer Bombenangriffe auf zivile ukrainische Ziele, „ist nur kontraproduktiv.“
Nichts deutet darauf hin, dass die Russen ihr Hauptquartier in Werfenweng (der Vertrag mit einer Frühstückspension gilt bis November) beziehen dürfen. Kein russischer Langläufer wird auf dem Dachsteingletscher trainieren, kein russischer Riesenslalomfahrer beim Saison-Auftakt in Sölden starten dürfen.
Dabei bereiteten sich die russischen Alpinen – so wie Matthias Mayer und ÖSV-Kollegen – im südamerikanischen Winter auf den europäischen vor. Mitter: „Sie sind erst vor wenigen Tagen aus Chile nach Russland zurückgekehrt.“ Unter jenen, die auf eine Weltcup-Chance hofften, befindet sich auch Russlands Slalom-Routinier Alexander Choroschilow.
Betretenes Schweigen
Der ehemalige Schladming-Sieger hat mit Mitter telefonischen Kontakt. Doch Choroschilow wird sich hüten, einen Kommentar zur Kriegssituation abzugeben, auch wenn das oberschlaue Mikrofonträger am 26. Februar beim Garmisch-Slalom von ihm erwartet hatten. Allein schon aus Rücksicht auf die Familie schweigt Choroschilow. Zumal er mit Frau und Kindern in der Nähe von Moskau wohnt.
Hierzulande ist’s leicht, von der (vorerst noch wohlig warmen) Couch aus mehr Mut von russischen Sportlern zu verlangen. Kann doch eine unbedachte Äußerung in der Öffentlichkeit genügen, um an der Front oder in einer Nachbarzelle von Alexei Nawalny zu landen.
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