NFL: Alte Weisheiten, neue Erkenntnisse

NFL: Alte Weisheiten, neue Erkenntnisse
Mit Giants, Ravens und 49ers stehen gleich drei Teams im Halbfinale, deren vermeintlich größte Stärke in der Defensive liegt.

Lambeau Field in Green Bay, Wisconsin. Sonntag, kurz vor 20 Uhr Ortszeit. Ähnlich den Minusgraden am Thermometer ist auch die Laune der knapp 70.000 Fans der Green Bay Packers jenseits des Gefrierpunkts. Als bestes Team des Grunddurchgangs, als Titelverteidiger, als Favorit war man gerade gegen die New York Giants im Divisional Play-off der NFL ausgeschieden. Ein Déjà vu, zumal man bereits 2008 – damals eine Runde später – vor heimischem Publikum gegen die Mannen aus dem Big Apple den Kürzeren gezogen hatte.

Für viele Experten kam die Niederlage jedoch weniger überraschend, besonders in Bezug auf den Satz: "Offensive gewinnt Spiele, Defensive gewinnt Meisterschaften."

Einige Fans, mehr Trainer und noch mehr TV-Kommentatoren wiederholen obige Behauptung  von Defensive und Offensive nahezu Mantra-artig vor jeder Postseason. Die aktuelle Konstellation der beiden Championship Games scheint den Befürwortern der These Recht zu geben. Der KURIER geht auf Spurensuche.

Wie im falschen Spiel

Zunächst zum Out der Packers. Ja, die Giants haben verdient gewonnen. Und nein, die Giants haben nicht gewonnen weil ihre Verteidigung so überragend gespielt hat. Vielmehr offenbarte die gefürchtete Offensive der Packers (mit 70 Touchdowns in dieser Saison wurde immerhin der NFL-Rekord eingestellt) mentale Schwächen. Mit sechs fallengelassenen Pässen wurde ein Saisonnegativrekord eingestellt. Scheinbar einfache Catches und damit verbundene etwaige First Downs (oder mehr) wurden "verschenkt".

Mit drei Ballverluste durch Fumbles (für Fullback John Kuhn war es etwa der erste Fumble seiner Karriere) und einer Interception waren insgesamt drei Ballverluste mehr als bei New York zu verzeichnen. Zum Vergleich – in der Regular Season hatten die Packers  im Schnitt fast zwei Ballgewinne (nicht Verluste) mehr als der Gegner pro Spiel. Ebenfalls auffallend -  die vielen "kurzen Pässe". Hatten während der regulären Saison fünf Passempfänger noch einen Schnitt von mehr als 12 Yards pro gefangenem Ball, so kam man gegen die Giants nur auf einen mageren Schnitt von 4,9 Yards. Dabei lag das Laufspiel der Packers sogar 50 Yards über dem Saisondurchschnitt.

Wirklich verloren hat das Spiel aber wohl die Packers-Secondary. Zu keinem Zeitpunkt fanden Charles Woodson und Co. ein Rezept das präzise Passspiel von Eli Manning zu unterbinden. Wie schon die ganze Saison präsentierte sich die Passverteidigung der Cheeseheads ganz wie die beliebten Fan-Hüte – löchrig(st). So gesehen, kam das Ergebnis wirklich nicht überraschend, wenngleich wohl eher gelten müsste: "Schwächelnde Offensive und weiterhin schwache Verteidigung verlieren Meisterschaften."

Ja, nein & vielleicht

Die anderen drei Spiele des Wochenendes brachten dabei ebenfalls nur bedingt Aufschlüsse über die Richtigkeit der eingangs zitierten These von der meisterschaftsgewinnenden Defensive. Aber der Reihe nach. Die zweite "High Flying"-Offense der Liga, die von Pass-Rekordler Drew Brees und seinen New Orleans Saints wurde bereits am Samstag ausgebremst. Wobei, ausgebremst ist vermutlich das falsche Wort, denn 32 Punkte in fremden Gefilden, vor allem bei der nach Zahlen besten Verteidigung der Liga, sind sehr hoch einzuschätzen. Doch die 49ers hatten mit Alex Smith und zehn Punkten, sowie 100 Yards mehr als ihnen im Saisonverlauf gelungen waren das Trumpf-Ass in der Hand. San Franciscos Verteidigung wird sich gegen die Giants ebenso verbessert zeigen, wie ihr Quarterback seine  Saints-Leistung wird wiederholen müssen.

Kommen wir nach Massachusetts. Die New England Patriots machten mit Tim Tebow und den Denver Broncos kurzen Prozess. Ein "wütender" (so zumindest bezeichnete ihn der US-TV-Kommentator) Tom Brady führte die gewohnt stark Pats-Offensive zu einem klaren Sieg, während die eigentlich schwache Defensive gegen einen noch schwächeren Tebow leichtes Spiel hatte. Neue Erkenntnisse? Fehlanzeige.

Am ehesten Bestätigung fand man am Wochenende wohl in Baltimore. Angeführt von Ray Lewis (dank dessen knallharter Spieleweise hatten es die Ravens bereits 2000 zu Super Bowl-Ehren gebracht) wurden die Texans auf nur einen Touchdown und 13 Punkte begrenzt. Dreimal wurde Rookie-Quarterback T.J. Yates intercepted, Sack gelang jedoch – gegen eine der besten O-Lines der Liga auch nicht verwunderlich – keiner. Zumindest gab es hier die mit Abstand wenigsten Punkte des Wochenendes. Mit den Pats trifft nun man auf "alte Bekannte"  und die Ravens werden beweisen müssen, dass sie "trotz" Joe Flacco (Vorsicht: Polarisierung) das Zeug haben die Lombardi-Trophy zu gewinnen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass weder alleine mit guter Verteidigung, noch nur ob guter Offensive ein Team den Titel holen wird. Wie fast überall im Leben gilt auch in der NFL: "Die Mischung macht’s!" In diesem Sinne - ein spektakuläres Wildcard-Wochenende. Ahja, wir tippen auf einen Super Bowl zwischen Patriots und Giants.

Weiterführende Links

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare