Walter Röhrls Reise in die Vergangenheit

Walter Röhrls Reise in die Vergangenheit
Ein Vierteljahrhundert nach seinem Streckenrekord beim Pikes Peak startet der Deutsche erneut in den Rocky Mountains.

 25 Jahre danach. "Die Frage ist, wer mehr gealtert ist: Mein Auto oder ich." Walter Röhrl, zweifacher deutscher Rallye-Weltmeister, steigt am 12. August wieder in seinen Audi Quattro S1, um die legendäre Rennstrecke auf den Pikes Peak in den Rocky Mountains im Rahmen der Doku "Speedgang" für Servus TV (Ausstrahlung im September) hinaufzubrettern.

1987, vor einem Vierteljahrhundert, hat Röhrl ebendort den Streckenrekord gebrochen und war als erster Mensch auf der 19,9 Kilometer langen Strecke unter elf Minuten geblieben. Dieser Rekord könnte jetzt fallen.

KURIER: Welche Erwartungen haben Sie vor Ihrem Nostalgie-Rennen?
Walter Röhrl: Ich fahre mit gemischten Gefühlen hin. Der Pikes Peak ist ein besonderes Rennen für mich. Damals bin ich auf Schotter gefahren, heute ist die Strecke asphaltiert. Ich kann mir das noch gar nicht vorstellen.

Zuletzt haben Sie Ihren Audi von damals getestet. Wie war’s?
Zunächst war ich schockiert, es war unvorstellbar, weil die Leistung erst nach drei Sekunden gekommen ist. Aber der Sound des Motors ist nach wie vor gigantisch. Das Auto ist unverändert, aber es war damals natürlich auf Schotter eingestellt. Ich freue mich.

Was macht den Pikes Peak so besonders?
Damals war es der lose Untergrund, der so reizvoll war. Ich erinnere mich, dass ich in einer Linkskurve bis auf fünf Zentimeter an den Rand gedriftet bin, dahinter war ein Abgrund von hundert Metern. Ich habe bestimmt, wie weit mein Auto rutschen darf und wo Schluss ist. Auf Asphalt ist das Gefühl ganz anders, die Lage ist viel stabiler. Das ist schade. Dieses Gefühl kann ein Rennfahrer nicht lernen, das ist da oder nicht.

Wie sehen Sie die Entwicklungen im Motorsport seit damals?
Ich bin froh, dass ich heute nicht mehr aktiv bin. In unserem ganzen Leben wird immer mehr von der Technik bestimmt. Ist irgendein Fahrer klar überlegen, dann wird sofort gesteuert und geregelt. Irgendwann wird man dem Usain Bolt beim 100-Meter-Sprint einen Rucksack umschnallen, weil er zu überlegen ist. Einen Schreikrampf könnte ich bekommen, wenn ich sehe, dass alle gleich gemacht werden sollen.

Weil es ums Geld geht?
Natürlich. In der Formel 1 darf der Hintermann sogar den Flügel flacher stellen, damit er schneller wird und überholen kann. Das ist doch der Gipfel der Perversion. Nur damit die Sache nicht langweilig wird.

Gilt für Sie der Spruch: Rallye-Fahrer sind die ursprünglicheren Rennfahrer als die Formel-1-Piloten?
Die Jungs in der Formel 1 sind außergewöhnlich. Aber der Rallyesport hat für mich mehr mit Autofahren zu tun. Bei der Formel 1 scheint es so, als würden manche Fahrer direkt aus dem Kinderzimmer vom Computer ins Auto gesetzt. Und sie müssen dies dann auf der Straße umsetzen. Bei den Rallyes herrschen eben verschiedene Straßenbedingungen vor, während eine Rundstrecke mathematischer ist. Ein Beispiel ist Kimi Räikkönen. Der kehrt von der Rallye zurück in die Formel 1 und ist wieder vorne dabei.

Sind Sie jemals mit Automatik gefahren? Kann das ein echter Rennfahrer überhaupt?
Ja, in normalen Straßenautos schon. Vor Kurzem habe ich in einer Amputationsklinik einen Lehrgang gehalten und bin mit Doppelkupplung einen Slalom gefahren. Das ist nicht gegangen. Also in einem Wettbewerb würde ich nie Automatik fahren. Letztens bei einem Test ist die Bremse ausgefallen. Früher hätte ich sofort in den zweiten Gang runtergeschaltet und hätte so gebremst. Heute sagt dir der Computer, dass das gar nicht geht.

Autofahren ohne Benzingeruch – was halten Sie davon?
Es muss nicht sein. In den letzten 40 Jahren habe ich mir den Sprit immer genau ausgerechnet, das ist halt so ein Tick von mir. Meine Dienstautos haben meist 500 PS und mehr. Wenn ich unter 12 Liter bleibe, freue ich mich. Ich schau’ extrem auf den Verbrauch, fahre keine 250 km/h auf der Autobahn.

Zurück zum Motorsport. Welche Persönlichkeit gefällt Ihnen derzeit?
Sebastian Vettel. Er ist herzerfrischend, normal und für sein Alter sehr reif. Das gefällt mir. Aber die Rennfahrer von heute haben aufgrund der Medien gar nicht mehr die Möglichkeiten, sich zu entfalten wie damals ein Niki Lauda oder ich.

Niki Lauda sagte über Sie: Er ist ein Genie auf vier Rädern. Schön, oder?
Das ehrt mich. Wenn der Niki das sagt, dann ist es ernst gemeint. Er hätte auch sagen können: Der Röhrl ist ein Haubentaucher.

Welche Rallye war für Sie die schönste?
Monte Carlo war mein Lebensziel. Die wollte ich unbedingt gewinnen, die war mir wichtiger als die zwei WM-Titel. Vom Fahren her war Neuseeland mit den Schotterpisten traumhaft, weil es da aufs Gefühl angekommen ist. Auch San Remo war immer reizvoll.

Walter Röhrl wurde am am 7. März 1947 in Regensburg geboren und erhielt in seiner großen Zeit den Spitznamen „Der Lange“. Röhrl war zwischen 1973 und 1987 als Profi aktiv und gewann in dieser Zeit zwei FIA-Fahrerweltmeisterschaften (1980 und 1982) sowie eine Europameisterschaft (1974). Parallel zu seiner Karriere als Rallyesportler fuhr Röhrl auch Rundstreckenrennen. Die letzte Meisterschaft, in der er startete, war die DTM. Seit 1993 ist Walter Röhrl Repräsentant und Versuchsfahrer bei Porsche.

Kommentare