Vettel bereit für 3. Titel
Nach der historischen Aufholjagd in Abu Dhabi haben wohl auch die letzten Kritiker zugegeben, dass Sebastian Vettel ein würdiger dreimaliger Formel-1-Weltmeister wäre. Der 25-jährige Deutsche machte am Sonntag bei seiner Sensations-Fahrt auf Platz drei gleich 21 Plätze gut und geht mit zehn Punkten Vorsprung auf Fernando Alonso ins vorletzte Rennen. In knapp zwei Wochen könnte damit in den USA der Titelgewinn bereits sichergestellt werden.
"Es gab Zweifel, ob Sebastian Vettel einen dritten Formel-1-Titel verdient. Aber nun nicht mehr", würdigte die britische Zeitung Daily Mail den deutschen Red-Bull-Piloten, der nach seiner Tankpanne und dem Start aus der Boxengasse das "Rennen bei den Hörnern gepackt" und das Feld gleich zwei Mal von ganz hinten aufgerollt hatte. Nach dem spannendsten Formel-1-Rennen seit langer Zeit kann Vettel womöglich schon am 18. November den historischen Titel-Hattrick bei der Premiere der Formel 1 in Austin und in seinem 100. Grand Prix feiern.
Unerschütterliches Selbstvertrauen
Im Idealfall ist Vettel nur noch 308,896 Kilometer vom erneuten Triumph entfernt: Als nächstes stehen 56 Runden auf dem nagelneuen Circuit of the Americas im US-Bundesstaat Texas an. Nach der denkwürdigen Aufholjagd von Abu Dhabi ist das Selbstvertrauen des 99-maligen Grand-Prix-Starters unerschütterlich. "Es hat uns gezeigt, dass wir selbst dann erfolgreich sein können, wenn mal nicht alles nach unseren Plänen läuft", schrieb Vettel auf seiner Homepage nach dem Wahnsinns-Rennen als Abschluss eines turbulenten Wochenendes.
"Er muss der glücklichste Mensch in der Formel 1 sein", befand Rivale Lewis Hamilton, der seinen McLaren in Führung liegend wegen eines technischen Defektes hatte abstellen müssen. Das britische Blatt The Sun titelte am Montag: "Sebastian Vettel ist das Rennen seines Lebens gefahren." Die italienische La Gazzetta dello Sport schwärmte: "Herzschlagduell in der Wüste. Was für ein Kräftemessen zwischen Vettel und Alonso." Und Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali gab zu: "Wir wussten, dass er da sein würde."
Wie Vettel da war, verblüffte sogar die eigene Mannschaft. Dass der 25-Jährige als Dritter hinter Fernando Alonso und Überraschungs-Sieger Kimi Räikkönen ins Ziel kam, hatte sein Teamchef Christian Horner nicht mal zu träumen gewagt, wenngleich ihm sein Star-Pilot schon vor dem Start prophezeit hatte: "Ich seh' dich nachher auf dem Podium." Horner urteilte nachher, es sei eines der besten Rennen in Vettels Karriere gewesen. "Man sieht einfach: Er ist ein großartiger Racer, ein fantastischer Fahrer, ein fantastischer Champion."
Ikonen
Wird Vettel aber schon in Austin der dritte Fahrer, der dreimal in Serie die WM gewinnen kann? Bisher gelang das nur den beiden Ikonen Juan Manuel Fangio (insgesamt fünf Titel) und Michael Schumacher (7). Die Rechnung ist simpel, aber die Umsetzung nicht einfach: Vettel braucht 15 Punkte mehr als Alonso im vorletzten Saisonlauf. Sprich: Vettel muss mindestens Dritter werden, dann müsste Alonso aber leer ausgehen. Nur zweimal passierte das in den bisherigen 18 Grand Prix. Dabei fiel der Ferrari-Fahrer jeweils wegen einer Karambolage aus. Kam der Spanier ins Ziel, kam er auch in die Punkteränge.
Getreu dem Motto, sonntäglich twittert das Murmeltier, verkündete der Weltmeister von 2005 und 2006 nach seinem ebenfalls starken Auftritt auf dem Yas Marina Ciruit seine neueste Krieger-Weisheit: "Ein Samurai arbeitet ohne Unterlass, ohne die geringste Ermüdung oder ohne sich auch nur im geringsten entmutigen zu lassen, bis er das Ziel erreicht hat."
Vor dem Duell im Wilden Westen gönnt sich Vettel nach der Heimreise in die Schweiz kaum Ruhe. Nach ein bisschen Durchatmen am Dienstag geht es schon wieder ins Werk nach Milton Keynes, um den 5,516 Kilometer Kurs von Austin im Simulator Runde für Runde besser kennenzulernen. "Wichtig ist, dass man immer weiß, worauf es ankommt und dass man, egal ob man gerade in den Himmel gelobt oder eine schwere Phase hat, immer ganz fest mit beiden Beinen am Boden bleibt und auf das Wesentliche schaut", betonte Vettel.
Siegen wird teuer. Der internationale Automobilverband FIA erhöhte die Gebühren für die Teams in der Formel 1. Ein Sieg kostet bald mindestens 125.000 Dollar. Je mehr Punkte ein Team sammelt, desto tiefer ist der Griff ins Portemonnaie.
Seit Jahren sind die Teams zum Sparen aufgerufen, erstmals müssen sie für ihre Punkte der FIA Prämien überweisen. Der Betrag für die Saison 2013 wird bereits am 30. November 2012 fällig – und errechnet sich aus den Ergebnissen des Vorjahres.
Ein WM-Punkt kostet demnach 5000 Dollar (3860 Euro). Der Gewinner der Konstrukteurswertung (in den vergangenen beiden Jahren Red Bull) muss pro Punkt 6000 Dollar (4630 Euro) berappen. Zudem wurde die Startgebühr von 399.800 Dollar auf 500.000 Dollar erhöht.
Zahlen macht Spaß
"Für die Teams, die unter den Top drei oder vier in der WM landen, macht es einen größeren Unterschied aus", kommentierte Mercedes-Teamchef Ross Brawn die Änderung und fügte mit britischem Humor hinzu: "Ich gebe zu: Wir wären froh, wenn wir das Problem hätten."
Die höchsten Gebühren hat das beste Team zu zahlen: Red Bull. Doch Teamchef Christian Horner antwortet auf die Gebührenerhöhung diplomatisch: "Wir verstehen einige der Gründe hinter der neuen Maßnahme und akzeptieren die Position der FIA." Zumal sein Team bei der Ausschüttung der TV-Einnahmen durch das Formula One Management von Bernie Ecclestone wiederum ganz oben steht. Denn dort wird das Geld nach den Platzierungen im Konstrukteurs-Klassement verteilt.
Dem Automobilverband wiederum dürften die Gebührenänderungen Einnahmen von etwa 16 Millionen Dollar (12,35 Mio. Euro) bringen.
Viel mehr hätte für Sebastian Vettel an einem Rennwochenende eigentlich nicht schiefgehen können. Samstagabend Vettel wird in der Startaufstellung von Platz drei auf den letzten Rang versetzt, da er nach dem Qualifying zu wenig Benzin im Tank hat.
Start: Vettel beklagt bereits in der ersten Runde einen Schaden am Frontflügel. Trotzdem macht er innerhalb von vier Runden zehn Plätze gut.
Runde 14: In einer Safety-Car-Phase muss Vettel Toro-Rosso-Fahrer Ricciardo ausweichen. Er rammt ein Schild und muss an die Box den Frontflügel wechseln.
Runde 17: Vettel überholt außerhalb der Strecke und muss den Franzosen Grosjean wieder vorbeilassen.
Doch der 25-jährige Deutsche zeigte, warum er der Favorit auf den WM-Titel ist. Im spektakulären Rennen von Abu Dhabi kämpfte er sich mit einer fantastischen Aufholjagd von Platz 24 bis auf das Podest vor. Ein ähnliches Kunststück gab es zuletzt vor 19 Jahren: 1993 fuhr Damon Hill in Portugal von Position 26 auf Platz drei.
"Ich gebe zu, dass mir die zwei Safety-Car-Phasen geholfen haben", sagte ein hervorragend gelaunter Vettel. "Aber das Rennen wäre ein anderes gewesen, wäre ich von Rang drei gestartet."
So schrumpfte Vettels Vorsprung in der Weltmeisterschaft von 13 auf 10 Punkte. Denn Vettels einzig verbliebener Kontrahent Fernando Alonso holte aus dem Ferrari wieder einmal das Optimum heraus und fuhr auf Rang zwei. „Ich bin wirklich zufrieden. Ich konnte bis zuletzt um den Sieg mitfahren“, sagte der Spanier, ballte die Faust und schickte eine Warnung in Richtung Vettel: „Wir kämpfen bis zum Ende.“
Vorteil Vettel
Doch der Deutsche hat in zwei Wochen den ersten Matchball. Mit einem Sieg beim Grand Prix in den USA wäre er zum dritten Mal in Serie Weltmeister. Red-Bull-Teamchef Christian Horner war gestern bereits zuversichtlich: „Austin kennen wir alle nicht. Aber das letzte Rennen ist in Brasilien, da waren wir immer stark.“
Der stärkste Mann am Sonntag war ein Finne. Kimi Räikkönen gewann sein erstes Rennen nach seiner zweijährigen Rennpause, es war der 19. Sieg des Weltmeisters von 2007. "Ihr beklagt euch immer, dass ich so ernst schaue", sagte der 33-Jährige, der den Spitznamen Iceman trägt. "Aber heute freue ich mich wirklich."
Auf die Frage, was nach dem Sieg in ihm vorgehe, antwortete er gewohnt einsilbig: "Nicht viel." Räikkönen, der als einziger Fahrer jedes Rennen 2012 beendet hatte, profitierte auch vom großen Pech des Lewis Hamilton. Der Engländer war der mit Abstand schnellste Fahrer und lag in Führung, als er seinen McLaren nach 20 Runden mit einem Defekt an der Benzinzufuhr abstellen musste.
Glück im Unglück
Zwei Schutzengel hatten Narain Karthikeyan und Nico Rosberg. Dem Inder brach an seinem inferioren HRT die Lenkung, der Deutsche segelte mit seinem Mercedes wenige Zentimeter über den Kopf des Inders und krachte hart in die Streckenbegrenzung. Beide Piloten blieben unverletzt.
Endstand nach 55 Runden: | |||||
1. | Kimi Räikkönen | FIN | Lotus | 1* | |
2. | Fernando Alonso | ESP | Ferrari | +0,8 | 1 |
3. | Sebastian Vettel | GER | Red Bull | 4,1 | 2 |
4. | Jenson Button | GBR | McLaren | 7,7 | 1 |
5. | Pastor Maldonado | VEN | Williams | 13,0 | 1 |
6. | Kamui Kobayashi | JPN | Sauber | 20,0 | 1 |
7. | Felipe Massa | BRA | Ferrari | 22,8 | 1 |
8. | Bruno Senna | BRA | Williams | 23,5 | 1 |
9. | Paul di Resta | GBR | Force India | 24,1 | 3 |
10. | Daniel Ricciardo | AUS | Toro Rosso | 27,4 | 2 |
Ausgeschieden: Lewis Hamilton (GBR/McLaren), Nico Hülkenberg (GER/Force India), Nico Rosberg (GER/Mercedes), Narain Karthikeyan (IND/HRT), Mark Webber (AUS/Red Bull), Romain Grosjean (FRA/Lotus), Charles Pic (FRA/Marussia)
*Boxenstopps
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