Noch 306 Kilometer bis zum Hattrick
Zielstrebig schritt Sebastian Vettel in das Büro der Red-Bull-Ingenieure. Es war Sonntagnachmittag in Austin, der Große Preis der USA war gerade einmal eine halbe Stunde vorüber. Der deutsche Formel-1-Fahrer war gerade Zweiter geworden, er schwitzte, sein blauer Rennanzug stank nach Champagner, doch Vettel hatte in diesem Moment nur eines im Sinn: die Datenanalyse.
Es war nicht der Weg eines Siegers, es war der Weg eines Champions.
305,909 Kilometer, also ziemlich genau die Entfernung von Wien nach Salzburg, trennen den 25-Jährigen beim Großen Preis von Brasilien am Sonntag noch von der Weltmeisterschaft.
Konzentration
Vettel ist dabei, Historisches zu leisten, als erst dritter Pilot nach Juan-Manuel Fangio und Michael Schumacher drei Titel in Folge einzufahren. Dafür muss er sieben Tage lang noch einmal seine Kräfte und die des Red-Bull-Teams bündeln.
Daher hat die Auswertung der texanischen Premiere oberste Priorität. Nicht alles lief am Sonntag rund beim Konstrukteur-Weltmeister. Mark Webber, der zweite Mann im Red Bull, schied mit einer defekten Lichtmaschine aus. So eine Kleinigkeit kann in Brasilien alle WM-Träume begraben.
Dennoch spricht vieles für Sebastian Vettel in São Paulo: die 13 Punkte Vorsprung auf seinen einzig verbliebenen Verfolger, Ferrari-Mann Fernando Alonso; das schnellere Auto; die Statistik: Während Vettel im Autódromo José Carlos Pace im Jahr 2010 gewann und 2011 seinem Teamkollegen Webber den Sieg überließ, konnte Alonso dort noch nie triumphieren.
Konstante
Nur eine Konstante bleibt für den WM-Führenden unberechenbar: Alonso. Der Chefpilot der Scuderia kreist weiterhin auf Top-Niveau, in Austin holte er mit Platz drei hinter Sieger Hamilton und Vettel wie so oft in dieser Saison das Maximum aus seinem schwächelnden Auto heraus.
Vettels Teamkollege Mark Webber prophezeit vor dem Rennen in Brasilien: "Sebastian braucht trockenes Wetter. Er kann im Regen auch fahren, aber im Regen ist Fernando sehr stark. Und in São Paolo kann es nass werden."
Doch auch dafür gibt es mittlerweile zuverlässige Daten. Vielleicht hat sich Sebastian Vettel noch Sonntagabend die erste Prognose vorlegen lassen.
Manchmal geht Fernando Alonso einen Schritt zu weit. Mit einem Paintball-Gewehr im Anschlag posierte er vor dem Rennen in Austin für ein Foto, das via Twitter weltweit veröffentlicht wurde. Darunter der Text: "Bereit für die letzten 2 Rennen."
Doch die eher geschmacklose Aktion zeigt auch, welchen Kampfgeist der stolze Spanier besitzt. Ohne den 31-Jährigen wäre Ferrari im Jahr 2012 im sportlichen Niemandsland.
Alonso besitzt einen unbedingten Siegeswillen, sowie die Fähigkeit, das gesamte Team mitzureißen . Und er ist schnell. Sauschnell. Zu Saisonbeginn wurde der neue Ferrari noch als „Missgeburt“ bezeichnet. Dass die Italiener vor dem letzten Rennen noch die Chance auf den Titel haben, verdanken sie ausschließlich der fahrerischen Klasse von Alonso und seiner Gabe, das Team weiterzubringen.
"Das Wochenende in den USA war wie ein Sieg für uns", sagte Alonso nach seinem dritten Platz. "Dass wir nur drei Punkte verlieren, hätte niemand gedacht."
Nun hoffen Alonso und Ferrari auf einen gewohnt turbulenten Rennverlauf in Brasilien, denn "in der Formel 1 kann so viel passieren."
Tatsache ist allerdings, dass es Alonso nicht mehr selbst in der Hand hat, den Titel zu holen. Sollte er in Brasilien gewinnen, darf Vettel maximal Fünfter werden. Bei Platz zwei muss Vettel schon Rang acht belegen, wird Alonso Dritter, darf Vettel höchstens Zehnter werden.
Realistisch gesehen kann Alonso nur auf zwei Szenarien hoffen:
1.) Ausfall Sollte Vettel keine Punkte machen, was in dieser Saison erst drei Mal vorgekommen ist, reicht Alonso Rang drei zum Titel.
2.) Chaos-Rennen Im Regen ist Alonso mit seinem Ferrari stark – und alles möglich.
Mit dem Regentanz kann er bereits heute beginnen.
Kommentare