Wie konnten die Fahrer während der langen Pause trainieren?
Mit dem Wettbewerbsmotorrad durfte niemand fahren. Sie werden Probleme haben, das Auge wieder an die 300 km/h zu gewöhnen und an die Rad-an-Rad-Kämpfe. Die Zeit auf dem Rennmotorrad kann man nicht simulieren.
Wird es mehrere Rennwochenenden dauern, bis die Fahrer wieder zu 100 Prozent bei der Sache sind?
Ich glaube nicht, dass wir als Zuschauer merken, dass da Rostige dabei sind. Wenn alle 85 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit abrufen, haben wir ein fantastisches Rennen. Wenn aber einer 100 Prozent abruft und der andere 80, sehen wir es vielleicht. Wir werden nur verstehen müssen, dass die beiden Jerez-Wochenenden eine ganz brutale Prüfung sind. Danach ist man wieder im alten Trott.
Ist Marc Márquez wieder nicht zu schlagen?
Marc hat seine verletzte Schulter ausheilen lassen, die Muskeln sind aufgebaut, er ist absolut fit. Und er ist mit Sicherheit der kompletteste und beste Fahrer, den es zur Zeit gibt. Technisch hat er keine Schwächen. Aber vielleicht kann man ihm heuer trotzdem zusetzen.
Und zwar wie?
Eine Schwäche könnte sein, dass er den Bogen einmal überspannt, dass er sich unverwundbar fühlt. Außerdem gibt es heuer einen neuen Reifen von Michelin, der mehr Kantengrip bietet. Das heißt, die Motorräder können länger in Schräglage belastet werden. Aber man kann ihn nur schlagen, wenn man mit dem eigenen Paket Trumpfkarten ausspielen kann.
Wer könnte das schaffen?
Immer wieder wird Fabio Quartararo (der 21-jährige Yamaha-Pilot aus Frankreich; Anm.) genannt. Der ist noch unverbraucht und hungrig. Er lernt mit jedem Zweikampf mit Márquez etwas, das ihn stärker macht.
Was ist mit dem 41-jährigen Valentino Rossi?
Man hört oft, dass der Rossi so viel Erfahrung hat und fragt sich, warum er dem Marc nicht mehr entgegenzusetzen hat. Ganz einfach: Erfahrung ist nicht alles.
Wir erleben vorerst eine WM ohne Zuschauer. Was bedeutet das für die Fahrer?
Der Zuschauer fehlt ungemein. Man spürt die Bedeutung des Fans als Fahrer am besten bei einem Heim-Grand-Prix. In dem Moment, wo man aus dem Hotel hinausgeht, weiß man: Heute ist ein besonderer Tag. Diese Gefühle entstehen nur durch die Begeisterung der Massen.
Vorerst bleiben die Zuschauer vor den TV-Geräten.
Jetzt müssen wir in den sauren Apfel beißen. Würden wir gar nicht rennfahren, wäre das noch schlimmer. Aber wir müssen ganz schnell den Fan wieder an die Strecke bringen. Das zeigt ja das öffentliche Interesse. Wenn die MotoGP kein Schwein interessieren würde, stirbt sie weg wie nichts. Wenn das aber die Massen bewegt, dann ist das heilig.
Wie sehen Sie die Corona-Sicherheitsmaßnahmen?
Diese konsequente Maskenpflicht, die man bei der Formel 1 gesehen hat, wird es auch bei der MotoGP geben. Ich frage: Ist es nötig, eine Maske zu tragen, wenn man aus zwei Metern Entfernung in eine Kameralinse spricht?
Was meinen Sie?
Ich meine, dass es nötig ist. Wenn so viele Menschen den Fernseher einschalten, muss die Welt sehen, dass Corona noch nicht überstanden ist. Eines hat uns diese Krise gelehrt: Wir können uns keinen zweiten Shutdown leisten. Das würde uns wirtschaftlich umbringen. Wenn wir kein Geld verdienen, haben wir nichts mehr zum Leben. Und das will ich nicht noch einmal erleben.
Noch einmal?
Ich habe eine ganz traurige Zeit hinter mir, als ich mit dem Rennfahren aufgehört habe. Ich habe nichts gehabt, gar nichts. Vor so einem Moment habe ich unglaublich Angst. Deshalb werde ich mich in Jerez bei 40 Grad Außentemperatur nicht aufregen, wenn ich diese gottverdammte Maske tragen muss.
Sie hatten also richtige Existenzprobleme?
Ich hatte damals Schulden wie ein Stabsoffizier. Ich habe zehn Jahre gearbeitet, bis ich alles zurückgezahlt hatte. Ich habe meine Teamjacken und die Lederkombis verscherbeln müssen. So etwas will ich nie wieder durchmachen müssen. Deshalb gibt es im Moment keinen anderen Weg.
Kommentare