Matthias Walkner: „An den Tod denke ich nicht“

Matthias Walkner: „An den Tod denke ich nicht“
Der Zweite der Rallye Dakar sprach über Schmerzen, Angst und seinen Freund Marcel Hirscher.

Matthias Walkner ist gezeichnet von den Strapazen der Dakar. Mit aufgeplatzter Lippe und hinkend kommt der Zweite der Extrem-Rallye 2019 zum Interview.

KURIER: Das schaut nicht gut aus. Wo tut’s noch weh?

Matthias Walkner: Hauptsächlich im Sprunggelenk, das habe ich mir sehr beleidigt. Ich bin über eine drei, vier Meter hohe Kante gesprungen. In der Luft habe ich schon gewusst: Das wird weh tun. Das ist das schiachste Gefühl, das es gibt. Zuerst habe ich gedacht, der Knöchel sei gebrochen. Jetzt kracht es noch immer beim Gehen.

Wie oft hatten Sie Glück?

Fünf Mal vielleicht. Der Verkehr auf den Verbindungsetappen ist extrem gefährlich. Aber man kann auch sagen, dass man Pech hat. Wenn man zum Beispiel 20 Meter weiter rechts fährt, passiert überhaupt nichts.

Sie haben heuer nicht gewonnen, aber von Ihrer besten Dakar gesprochen. Warum?

Ich habe keinen einzigen groben Fehler gemacht, mein Tempo war zwei, drei Prozent höher als bei den Rallyes davor. Einmal habe ich viel Zeit verloren, aber das war tausendprozentig ein Fehler im Roadbook.

Die Dakar hat nur in einem Land (Peru) stattgefunden. Schade?

Der Vorteil ist, dass die Verbindungsetappen deutlich kürzer sind. Das ist für uns Fahrer angenehmer. Aber die Dakar ist noch immer ein extremes Abenteuer. Es ist ein Wahnsinn, was man erlebt und wie facettenreich das ist.

Was denn zum Beispiel?

Am dritten Tag bin ich auf einen Berg gefahren, da war so ein dichter Nebel, man hat keine fünf Meter gesehen. Ich hab’ nicht gewusst, ob ich noch auf einer Straße bin. Auf einmal bin ich in einen Abhang gekommen, ich habe Panik bekommen. Wie bekomme ich das schwere Motorrad da runter? Mit viel Risiko bin ich da rausgekommen. Das sind Momente, bei denen ich mir denke: Da kann man nicht Rennen fahren, das ist grenzwertig.

Fährt der Gedanke an den Tod mit?

Nein, an den Tod denke ich nicht. Für die kalkulierbaren Risiken habe ich schon ein gutes Gefühl. Die unkalkulierbaren Risiken habe ich eh nicht in der Hand. Ich habe mir noch nicht oft wehgetan.

Naja – ein Oberschenkelbruch und ein Kreuzbandriss 2016.

Das war eine kleine Unachtsamkeit. Das Kreuzband habe ich noch immer nicht operieren lassen, das Knie hält eigentlich recht gut. Aber vielleicht lasse ich es jetzt doch bald machen.

Entwickelt man zu seinem Motorrad eine Beziehung?

Matthias Walkner: „An den Tod denke ich nicht“

Walkner mit seiner dritten Dakar-Trophäe

Ich habe es schon ein paar Mal gestreichelt. Bei den letzten Verbindungsetappen habe ich ihm gut zugesprochen, besonders, als die Honda von Ricky Brabec eingegangen ist, der der Gesamtführende war.

Geht es Ihnen als KTM-Werksfahrer finanziell gut?

Nach einem Dakar-Podium schon. Reich werde ich nicht, aber reich an Erfahrungen. Und es ist ein Privileg, wenn ich machen kann, was mir Spaß macht.

Denken Sie daran, die Dakar einmal im Auto zu fahren?

Es hat einen Reiz, aber ich erlebe auf dem Motorrad viel mehr, das ist cooler. Es ist das größere Erlebnis – und es macht mehr Spaß.

Wann können Sie endlich entspannen?

Meine Sponsoren haben mir nahegelegt, nach Kitzbühel und Schladming zu fahren, das mache ich gerne. Danach wird es ruhiger werden. Aber apropos Skifahren: Was hat eigentlich der Marcel gemacht? Walkner zückt das Smartphone, schaut nach und sagt dann zufrieden: Dritter in Wengen, Laufbestzeit im zweiten Durchgang. Passt.

Matthias Walkner: „An den Tod denke ich nicht“

Walkner gratuliert Freund Hirscher im Jänner 2018 zum Sieg in Schladming

Wie oft haben Sie mit Ihrem Freund Marcel Hirscher noch Kontakt?

Regelmäßig. Wir kennen einander ja seit der Kindheit, als wir gemeinsam Skirennen gefahren sind. Wir wissen voneinander alles, wir haben keine Geheimnisse. Jetzt ist er zeitlich halt sehr eingeschränkt wegen der Familie. Die geht vor, er kümmert sich sehr um das Baby.

Vielleicht können Sie ihm bald wieder zum Sieg gratulieren?

Das wäre lässig. Marcel ist ein extremes Vorbild für mich. Dass ein Mensch eine Sportart so lange dominieren kann, ist beeindruckend. Wenn man Marcel privat kennt, ist er ein anderer Mensch. Im Fernsehen ist er ein Killer, privat ist er ganz normal.

Weltweit sind wahrscheinlich aber Sie bekannter.

Boah. Das könnte sogar stimmen, in Südamerika zum Beispiel. Wenn ich dort in Lima in eine Disco gehe, werde ich schon sehr oft angesprochen. Denn so wie bei uns ständig Skifahren im Fernsehen ist, wird dort ununterbrochen die Rallye gezeigt.

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