"Man ist nicht mehr 20 und kein Hasardeur"
Nur 13 der 30 Teilnehmer kamen ins Ziel. Gregor Bloéb und Tobias Moretti waren dabei. Bloéb wurde Siebenter, Moretti Zehnter des "Africa Race". Ihr Mentor und Teamchef, Motocrossweltmeister Heinz Kinigadner, lobte den "Kämpfergeist" der Brüder.
Monatelang konzentrierten sie sich weniger auf ihre Schauspielkarrieren als auf die professionelle Vorbereitung mit Kinigadner und bewiesen, dass sie keine Abenteuer-Touristen sind, die im Rennen "durchgeboxt" werden, wie man ihnen vorab unterstellte, sondern mit den Profis mithalten können – und wollen.
Sonntag, werden die beiden nach ein paar Tagen Erholung mit ihren Frauen Nina Proll und Julia Moretti aus Dakar abreisen. Der KURIER erreichte sie in ihrem Hotel.
KURIER: Wie geht es Ihnen?
Tobias Moretti: Ein großartiger Zustand von beseelter Erschöpfung.
Gregor Bloéb: Moment, ich muss mich erst aufrichten.
Hat Sie der Anruf geweckt?
Bloéb: Nein, ich liege den ganzen Tag, entweder am Pool oder im Bett.
Sind Sie so erschöpft?
Bloéb: Jetzt kommen alle Schmerzen raus, die ich vertagt habe. Bei der vorletzten Etappe hat’s mich tierisch auf die Schnauze gehaut.
Moretti: Gregor ist in einer Düne gestürzt und hat sich dabei eine Rippe angeknackst. In der Euphorie hat er durchgebissen, mit einer Mischung aus Wut und Zielstrebigkeit.
Können Sie nachempfinden, dass er verletzt weiterfuhr?
Moretti: Ja sicher, wir beide hatten nur ein anderes Metrum: Bei mir waren die Krisen schon vor dem Start, erst die Achillessehne, dann hat mich eine Grippe erwischt. Ich bin gelegen bis quasi vor der Abfahrt. Da fängt man an nachzudenken: Was bedeutet das?
Kommt da auch der Gedanke: "Es soll eben nicht sein"?
Moretti: Natürlich, aber den kann man kurz vor dem Start nicht zulassen. Es hängt zu viel dran. Da darf man nicht in der Kategorie Befindlichkeit denken.
Sie haben doch beide daheim versprochen, gesund zurückzukommen ...
Hat es sich ausgezahlt, die Schmerzen zu "vertagen"?
Bloéb: Ja, sonst hätte ich aufgeben müssen, und 800 Kilometer vor Schluss geht das nicht.
Hat Sie der Gedanke an die Familie daheim, das Versprechen, auf sich aufzupassen, belastet?
Moretti: Sicher. Man ist ja nicht mehr 20 und auch kein blinder Hasardeur. Das war schon eine Belastung und führte zu Situationen, in denen ich gezweifelt habe. Aber man kann das dann gar nicht brauchen. Es hätte genug gute Gründe gegeben, das nicht zu machen. Aber wenn man sich dafür entschieden hat, muss man es durchziehen.
Von 30 Teilnehmern haben nur 13 das Ziel erreicht. Dachten Sie irgendwann daran, aufzugeben?
Bloéb: Ich denke selten bis nie ans Aufgeben. Auch wenn es immer wieder Momente gibt, in denen ich an mir zweifle.
Wann war ein solcher Moment?
Bloéb: Nach der ersten Etappe. Ich hab mich vollkommen verfahren und bin erst um zehn, elf Uhr nachts ins Camp angekommen. Ich war durchgefroren, es hatte minus drei Grad, ich lag dann bibbernd in meinem viel zu dünnen Schlafsack, hab kein Auge zugemacht und wusste, dass ich um fünf wieder auf muss. Da war ich mir nicht sicher, ob ich es bis ins Ziel schaffe. Aber auch in so einer Situation würde ich niemals sagen: "Ich lass es jetzt."
Und Sie, Herr Moretti, haben Sie ans Aufgeben gedacht?
Moretti: Ja, oft. Es war ein ständiges Durchpeitschen.
Sie haben vorher gesagt: "Man wächst daran und ist nachher wahrscheinlich ein anderer Mensch." Sind Sie jetzt ein anderer Mensch?
Moretti: Vorher sagt man solche Dinge, weil man es sich so vorstellt. Wenn man’s dann erlebt, ist es doch ein großer Unterschied zur Vorstellung. Trotzdem glaube ich, dass sich tatsächlich etwas nachhaltig verändert hat.
Können Sie das beschreiben?
Herr Bloéb, was werden Sie den Enkeln einst darüber erzählen?
Bloéb: Vielleicht werde ich sagen: "Meine größte Herausforderung, die ich bewältigt habe." Aber ich werde es mir sicher nicht auf die Stirn tätowieren und mein Leben lang damit hausieren gehen, dass ich Siebenter geworden bin.
Wie ordnen Sie das Erlebte ein?
Bloéb: Ein Meilenstein. Aber eben doch nur ein Stein.
Moretti: Eine Erfahrung, die mir nie mehr zu nehmen ist. Diese Reise war sicher mehr als ein Abenteuergrenzgang.
In Österreich wurde diese Woche heftig über Abenteuer und Grenzgänge diskutiert: Zwei Deutsche saßen vier Tage am Berg fest. In Äthiopien wurde ein österreichischer Raftingurlauber erschossen ...
Moretti: Davon hab’ ich gar nichts gehört ...
Wie erklären Sie jemandem, der sagt: "Die sind alle selber schuld. Warum bleiben die nicht daheim?", den Reiz, sich einer Extremsituation auszusetzen?
Bloéb: Das kann man nicht erklären, man muss es auch nicht erklären. Und man muss es nicht verstehen. Ich finde es spannend, meinen Horizont zu erweitern. Aber ich bin kein Missionar. Ich verurteile umgekehrt auch nicht den Phlegmatiker, der daheim sitzt und in den Fernseher glotzt.
Moretti: Also ich kann solche Ansichten schon verstehen. Wenn Abenteuer nur noch ein Ausdruck dafür ist, dass man sich selbst in einer zubetonierten, nivellierten Gesellschaft verloren hat und etwas riskieren muss, um das Vakuum aufzufüllen, betrachte ich das auch kritisch.
Sport ist absolut notwendig für den Menschen. Wenn’s den Sport nicht gäbe, gäb’s mehr Krieg. Aber so etwas gerät rasch in gefährliche Bahnen, wenn es touristisch vermarktet wird. Ich war selbst bei der Bergrettung und weiß, wie gefährlich Kommerzialisierung sein kann.
Waren Sie selbst – in der Rückschau – optimal vorbereitet? Im Internet gab’s Wetten, dass Sie es nicht schaffen werden.
Moretti: Wir haben uns völlig auf den professionellen Umgang mit diesem Sport eingelassen. Trotzdem haben viele vorher über uns gedacht: "Die werden da eh nur durchgeboxt." Jetzt wendet sich das Blatt. Plötzlich wird das, was wir gemacht haben, zum Symbol dafür, was man erreichen kann, wenn der Wille da ist.
In österreichischen Medien tragen Sie jetzt das Etikett "Benzinbrüder". Wie gefällt Ihnen das?
Bloéb: Ist in Ordnung. Etiketten sind mir total egal.
Moretti: Das wird sich schon wieder legen.
Sie haben stets betont, es gebe keine Rivalität. Hat Sie dieses Erlebnis als Brüderpaar verändert?
Bloéb: Das glaube ich nicht. Wir waren schon immer sehr lieb und innig und gemeinschaftlich unterwegs. Es ist nur eine weitere gemeinsame Erfahrung, eine, die wir nie, nie vergessen werden.
Moretti: Das Miteinander gab’s immer. Aber Gregor war mir unterwegs schon ein Halt.
Inwiefern?
Moretti: Es war beruhigend, ihn dabei zu haben. Ich hätte es allein nicht geschafft. Oft reicht ein Blick. Oder in der Früh, wenn man verschlafen und frierend inmitten der Hektik steht, den anderen sieht und denkt: "Dem geht’s wie mir." Ein Mal, ich glaube, am Samstag, waren wir beide je fünf Minuten Etappen-Führende.
Was waren noch ganz besondere Momente?
Bloéb: Wir fahren 200 Kilometer nur durch Sand, plötzlich verändert sich die Landschaft, du kommst in ein Tal und glaubst, du bist in einem Disney-Film. Das Licht, die Farben, es war wie in "König der Löwen“. Wir sind da gerade gemeinsam gefahren, haben uns angeschaut und gesagt – also sagen konnten wir ja nichts, aber gedeutet: "Ist das nicht fantastisch!"
Moretti: Man fährt in vollem Tempo und totaler Konzentration in dieses Tal hinein, sieht die unbeschreiblichen Bilder, die kein Tourist zu sehen bekommt, und hat plötzlich wieder Kraft. Andererseits sieht man unterwegs auch immer wieder Menschen, die dort hineingeboren sind und zwei Tage mit einem halben Liter Wasser auskommen müssen. Da frag’ ich mich: "Wie gibt es das? Wieso haben die keine Chance, da je rauszukommen?" Diese Eindrücke bleiben, trotz der Geschwindigkeit.
Und halten einen nachts wach?
Moretti: Ja. Vielleicht reflektiere ich zu viel. Wirklich grausam wird es ja, wenn die Fantasie auch noch mitspielt, da entstehen Bilder, die man nachts gar nicht brauchen kann. Das geht durch und durch.
Herr Bloéb, Sie haben nach den ersten Etappen gesagt: "Es fällt mir schwer, die Bilderflut in der Nacht aus dem Kopf zu kriegen." Gibt es ein Bild, das sich am stärksten eingeprägt hat?
Bloéb: Wenn’s nur eins wäre. So eine Rallye ist wie ein komprimiertes Leben: Du gehst täglich durch zehn Höllen und zehn Himmelspunkten. Das sind unendlich viele emotionale Momente.
Bloéb: Es war ein sehr, sehr bewegender Moment, als wir’s geschafft hatten und die beiden im Ziel gewartet haben. Das war Wahnsinn.
Sie wussten doch, dass Ihre Frauen Sie erwarten werden.
Bloéb: Ja, aber es war wie zu Weihnachten: Man weiß, was sein wird, und ist trotzdem überrascht, dass das Christkind Geschenke gebracht hat.
Was war das Erste, das Ihre Frauen zu Ihnen gesagt haben?
Bloéb: Wir haben uns in die Arme genommen und gelacht und geweint und lange nichts gesagt. Ich glaube, das Erste, was sie dann gesagt hat, war: "Jetzt hab’ ich dich wieder."
Moretti: Wir haben gar nichts geredet. Wir haben uns angeschaut, und sie hat bei meinem Helm seitlich die Hände vorgehalten, damit uns niemand sehen kann, das war ein ganz intimer Moment.
Und was kommt jetzt?
Bloéb: Bei mir "Der Fall Jägerstätter", eine Koproduktion zwischen Theatersommer Haag und Theater in der Josefstadt. Aber davor ist noch genügend Zeit, den Januar zu genießen.
Moretti: Ich freue mich auf zu Hause und darauf, mich wieder mit Kunst zu beschäftigen. Aber als Erstes werden wir Abbitte bei unserer Frau Mama leisten. Dann wird sich alles wieder einrenken.
Wieso? War Sie dagegen?
Moretti: Nein, aber sie ist 80 und hat zu uns gesagt: „Das ist das letzte Mal. Meine Schutzengel sind schon so alt.“ Das hab’ ich sehr rührend gefunden.
Wurde einem breiten Fernsehpublikum durch die "Piefke-Saga" und "Kommissar Rex" bekannt, spielte bei den Salzburger Festspielen (u. a. den Teufel im „Jedermann“), am Wiener Burgtheater und ist seit 2011/’12 Ensemblemitglied bei Martin Kušej am Residenztheater in München. Er ist diplomierter Landwirt und züchtet Rinder.
Nervös macht ihn derzeit der Gedanke an die Doku über ihn und Tobias beim "Africa Race", die „Servus TV“ ab 25. 2. ausstrahlt: "Es ist schwer für einen Schauspieler offen zu sein, wenn er sich selbst darstellt."
Auch er wurde durch Mitterers "Pieke-Saga" bekannt. Er spielte unter anderem am Bayerischen Staatsschauspiel (heute Residenztheater), am Wiener Volkstheater, in der Josefstadt und ist seit 2008/’09 Intendant des Theatersommers Haag, wo er heuer den Franz Jägerstätter spielt.
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