Gallischer Maximalismus in der Rallye-WM

Gallischer Maximalismus in der Rallye-WM
Citroën: Von den Anfängen, über einen Mega-Flop namens BX 4-TC bis zur Gegenwart - eine Aufarbeitung.
Von Ad Raufer

Trotz erdrückender Dominanz stehen die Zeichen voll auf Angriff: Bei der in Wales in Szene gegangenen Rallye Großbritannien, mit der die WM ins letzte Saisonviertel ging, hätte sich Citroën vorzeitig den bereits achten Markentitel sichern können. Das hätte auch für Sébastien Loeb einen erneuten Titelgewinn bedeutet: Den insgesamt neunten – in Folge. Es gewann ein anderer, der finnische Ford-Pilot Latvala, der Titel dürfte Loeb dennoch nicht mehr wegzunehmen sein.

Der mit 1,71 Meter kompakt gewachsene Loeb ist bereits jetzt mit 38 Jahren eine lebende Legende – ein Ausnahmetalent hinsichtlich Speed, Cleverness und der Fähigkeit, die Gegner mit geradezu spielerischer Leichtigkeit auf Distanz zu halten. Der in der Schweiz lebende Elsässer zählt zu den Allergrößten im internationalen Motorsport, auf Augenhöhe mit Michael Schumacher (fünf F1-WM-Titel in Folge) und Giacomo Agostini, dem in den 60er- und 70er-Jahren zehn Motorrad-WM-Titel en suite gelangen.

Citroëns Weg an die Spitze war ebenso lang wie steinig. Die Anfänge reichen zurück bis ins Jahr 1956, als die Marke mit dem Doppelwinkel ein Werksteam etablierte und sechs Fahrzeuge der Baureihe DS 19 zur Rallye Monte Carlo schickte. Rang 7 als Top­ergebnis war dem Konzern-Management aber bei Weitem zu wenig, man zog sich alsbald wieder aus der Rallyeszene zurück.

Zu groß, zu schwer

Gallischer Maximalismus in der Rallye-WM

Die Gallier waren von diesem Zeitpunkt an regelmäßig im Spitzensport engagiert, der große Durchbruch gelang aber – von Ausnahmen abgesehen – nie. Der Grund ist in der Tatsache zu finden, dass Citroën überwiegend Limousinen vom Format eines ID, DS, SM und CX einsetzte, Autos, die für Sprintrallyes zu schwer und unhandlich waren, aber bei Veranstaltungen, bei denen nicht schierer Speed wichtig war, sondern Robustheit und Standfestigkeit, durchaus re­üssierten – wie der Gesamtsieg bei der Rallye du Maroc 1971 bewies.

In den 80er-Jahren schickte Citroën zunächst den allradgetriebenen Visa mit Mittelmotor ins Rennen – erfolglos, weil das Auto wegen des kleinen 1,4-Liter-Motors einfach zu wenig Leistung hatte, um vorn mitzufahren.

1985 folgte dann mit dem BX 4-TC der größte Flop, den die Rallye-WM bis zum heutigen Tag zu bieten hat. Die Story dahinter: Das nach dem damaligen Reglement der Gruppe B homologierte Wettbewerbsauto verfügte über die Hydro­pneumatik des Serien-BX, weil Citroën (nicht grundlos) annahm, eine Kompetenzführerschaft auf diesem Technologie-Terrain zu haben. Ein Trugschluss, wie sich herausstellen sollte. Dazu kam, dass der Allrad-BX im Gegensatz zum Konzern- und Gruppe-B-Bruder Peugeot 205 T16 ohne Mitteldifferenzial auskommen musste (Peugeot hatte drei, eines vorn, eines in der Mitte und eines hinten), schwer übergewichtig war und der Motor über zu wenig Power verfügte, weil der 2,1-Liter-Turbo nur eine oben liegende Nockenwelle (statt zwei) besaß und für den Gaswechsel lediglich acht statt sechzehn Ventile zuständig waren.

Aus nach SP 2

Gallischer Maximalismus in der Rallye-WM

Das Auto sollte den Durchbruch bringen, erwies sich aber als Reinfall. Absoluter Tiefpunkt: Die Rallye Akropolis, bei der nach nur zwei Sonderprüfungen alle drei BX 4-TC draußen waren. Ausfallgrund: Defekte Aufhängungen. Dass Peugeot in Griechenland die Plätze 1 und 3 belegte, machte die Sache für Citroën nicht besser. Schlussendlich zog die Chefetage den Stecker und das WM-Engagement Citroëns war nach der Hälfte der Saison wieder vorbei.

Heute sieht die Gschicht wesentlich erfreulicher aus: Citroën liegt nach England mit 348 zu 237 Punkten komfortabel vor Ford an der Spitze der Herstellerwertung und auch in der Allzeit-Bestenliste rangiert Citroën einsam an der Spitze: Das gallische Unternehmen hält bei gegenwärtig 86 Gesamtsiegen, allein 74 davon gehen aufs Konto Sébastien Loebs.

Es werden nicht die letzten sein.

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