Adrian Newey: Der Formel-1-Designer, der 100 Millionen wert ist

Wer in der Shakespeare-Stadt Stratford-upon-Avon geboren wurde und seit rund vier Jahrzehnten Teil der Formel 1 ist, der weiß natürlich, was ein gutes Drama benötigt. Adrian Newey muss daher klar gewesen sein, welche Folgen seine Ankündigung haben wird, das Weltmeister-Team von Red Bull nach beinahe zwanzig Jahren als Chefdesigner mit Saisonende zu verlassen.
Dass ausgerechnet die Shakespeare-hafte Affäre um Teamchef Christian Horner den 65-jährigen Briten nun vom Hofe jagt, passt in die Erzählung. Ebenso das märchenhafte Jobangebot von Ferrari mit einer kolportierten Gage von 100 Millionen Dollar. Oh, Lord!
Die Fragen, die sich nun stellen, lauten: Ist dieser vom britischen Königshaus geadelte Adrian Newey wirklich 100 Millionen wert? Und: Was kann ein einziger Ingenieur verändern bei einem Formel-1-Team mit rund 2.000 Angestellten?
Hört man in das Fahrerlager von einst und heute, sind die Antworten klar. Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton, der noch nie in seiner langen und erfolgreichen Laufbahn in einem Newey-Rennwagen gesessen ist, aber kommendes Jahr den Ferrari steuern wird, erklärte am Rande des Grand Prix von Miami (Sonntag, 22 Uhr MESZ/live ORF1, Sky): „Wenn ich eine Liste der Leute zusammenstellen würde, mit denen ich gerne einmal zusammenarbeiten würde, dann wäre er ganz oben.“
Frank Williams, für dessen gleichnamigen und legendären Rennstall Newey Anfang der 1990er-Jahre Weltmeister-Autos entwarf, meinte einst: „Jemanden wie ihn zu verlieren, ist nur die halbe Geschichte. Die andere Hälfte besteht darin, dass er danach gegen einen arbeitet.“
Die Geschöpfe des „Michelangelo des Motorsports“ (© New York Times) bei McLaren, Williams und Red Bull fuhren bisher 12 WM-Titeln bei den Konstrukteuren und 13 bei den Fahrern ein – damit ist Newey der erfolgreichste Akteur in der Formel 1. Was unterscheidet ihn aber von den Hunderten klugen Köpfen der Königsklasse?
Die schüchterne Attraktion
„Ich war immer der Meinung, dass Rennwagen mehr mit Flugzeugen als mit Autos zu tun haben“, sagte er einmal bei einem seiner wenigen öffentlichen Auftritte. Der scheue und kauzige Aero- und Astronautiker hat sich sogar Sonderregelungen für Medien- und Sponsorauftritte in seinen mit Millionen dotierten Red-Bull-Vertrag schreiben lassen. Dennoch sagte der ehemalige Fahrer Mark Webber: „Adrian ist die Attraktion bei uns.“
Newey möchte Zeit haben für seine Gedanken, und die drehen sich hauptsächlich um eines: heiße Luft. Beziehungsweise darum, wie diese möglichst gewinnbringend um und unter das Auto geleitet werden kann. Dass er seine wertvollen und oft einzigartigen Ideen am Ende seiner Karriere nun womöglich ausgerechnet in Maranello zu Papier bringt, ist eine finale Pointe. Für Firmengründer Enzo Ferrari galt stets der Motor als das einzig Entscheidende und Heilige an einem Rennwagen.

Adrian Newey vor seinem Skizzenbrett
Apropos Papier: Mit seinen antiquiert anmutenden Arbeitsgeräten Notizbuch und Skizzentafel stellt er manchen seiner Mitarbeiter in der Hightech-Welt der Formel 1 vor analoge Herausforderungen.
Personenkult, den Newey in der Szene durchaus genießt, ist ihm zuwider. Autogramme schreibt er nicht auf sein Konterfei, sondern auf Bilder seiner Rennwagen. Das zum 60er erschienene Buch über seine Zeit in der Formel 1, das als so etwas wie seine Memoiren gilt, trägt keinen emotional aufgeladenen Titel, sondern heißt schlicht: „Wie man Autos baut.“
Adrian Newey hat viele Siegerautos gebaut, aber auch jenen Boliden, in dem Ayrton Senna in den Tod fuhr. Wie gesagt: Auch Drama kann der Herr Ingenieur.
Kommentare