Mateschitz: "Irgendwann ist es Zeit zu handeln"
KURIER: Der Große Preis von Österreich – für Sie nur ein Investment oder auch eine Portion Patriotismus?
Dietrich Mateschitz: Im herkömmlichen unternehmerischen Sinne kann man sicherlich nicht von einem Investment sprechen. Es ist eher eine Investition in die damit verbundene umfassendere Sinnhaftigkeit. Natürlich ist unsere Entscheidung auch verbunden mit einer großen Portion Patriotismus.
Wie lange verhandeln Sie schon mit Ecclestone?
Wir haben oft über die Austragungsorte und -strecken gesprochen, aber das kann man nicht Verhandlungen nennen. Im letzten Jahr ist es konkreter geworden, zumindest dahingehend, dass einer Rückkehr der Formel 1 nach Österreich ja theoretisch nicht wirklich etwas im Wege stünde.
Irgendwann muss man aufhören, über Dinge zu reden, und es ist Zeit zu handeln. Wenn man darin übereinstimmt, dass es ein prinzipielles Ja gibt und man 2014 durchaus in Betracht ziehen kann, so war jetzt der richtige Zeitpunkt für die Entscheidung. Wir möchten ja noch die eine oder andere Umbaumaßnahme durchführen, nicht an der Strecke, aber an Tribünen und Gebäuden.
Wo waren die Widerstände?
Es gab keine wirklichen. Bernie mag Österreich, schätzt die Qualität unserer Arbeit und überzeugte sich des Öfteren von der immer besser werdenden Struktur in Spielberg. Umgekehrt schätze ich auch seine Arbeit sehr.
Wie viel und wo haben Sie in die touristische Infrastruktur investiert?
Bekanntlich reden wir nicht gerne über Zahlen. Aber wenn man schaut, was passiert ist, erkennt man leicht, dass die Investitionen beträchtlich waren.
Wie viele Zuschauer sollen am Rennwochenende kommen?
Bei schönem Wetter, guter Planung und entsprechender Ankündigung und Vorberichterstattung 60.000 bis 80.000.
Wie hoch ist das Antrittsgeld, das gezahlt werden muss?
Auch darüber ist es nicht üblich zu sprechen. Wir wollen nichts geschenkt bekommen, genauso wenig wie wir etwas überzahlen wollen. Wir werden mit unserer Promoters Fee sicherlich im europäischen Durchschnitt liegen.
Wer zahlt?
Promoter ist die Projekt Spielberg GmbH. Diese Gesellschaft ist ein privates Engagement von mir, so wie das gesamte Projekt rund um den Red-Bull-Ring.
Welche Stolpersteine kann es noch geben? Was ist noch zu erledigen?
Wir werden für das Wochenende noch die eine oder andere behördliche Sondergenehmigung brauchen, zum Beispiel die Zuschauerzahl betreffend. Ich gehe aber davon aus, dass es sich dabei um Formalitäten handelt.
Soll der Spielberg-Grand-Prix anders ablaufen als in früheren Jahren? Sind schon neue Pläne für das Rennwochenende angedacht?
Es geht primär um Motorsport und die Formel 1. Aber ich glaube schon, dass wir darüber hinaus noch die eine oder andere Idee haben werden.
Noch dröhnen keine Motoren am Red-Bull-Ring in Spielberg, die Tribünen und die Strecke sind verwaist. Simon, 13, blickt auf den Start, nippt an seiner Red-Bull-Dose und lauscht seinem Vater Franz Zanger. „Ich war als Kind schon da und hab' den Motorenlärm noch in den Ohren“, erzählt der 49-Jährige. „Traumhaft ist das.“
Hier, am Red-Bull-Ring im obersteirischen Aichfeld, feiert die Formel 1 nach elf Jahren Absenz im kommenden Jahr ihr Comeback. Mittendrin wird Simon sein. Denn die Familie aus Klosterneuburg, die gerade in der Region urlaubt, reservierte gleich für das Renndatum, den 6. Juli 2014, ein Zimmer. Und änderte den Urlaubsplan: „Wenn wir die Nachricht nicht gehört hätten, wären wir nicht hier“, am Ring, fügt Martha Zanger bei.
Die Ankündigung versetzte nicht nur Formel-1-Fans, sondern auch Politiker und Ex-Sportler in Euphorie. Die Kommentare überschlugen sich in Superlativen. Spielberg sei eine „globale Veranstaltungsdestination“, die „erfolgreichste Event-Region Österreichs“. New York, Sochi und Spielberg sind neu im Rennkalender. In so einem Reigen sehen Politiker die Region gerne.
Und die Spielberger?
Seit Jahrzehnten leben sie mit und auch vom Rennsport. Im Jahr 1969 eröffnete der Österreich-Ring, die Formel 1 kam und ging. Ab 2003 wurde es turbulent. Der Getränkeriese Red Bull plante ein Großprojekt, Anrainer wehrten sich, die Behördenverfahren wurden zu einem Marathon. Tausende Befürworter standen Dutzenden Gegnern gegenüber. Mehrfach platzten die Pläne, bis im Mai 2011 eine Light-Version eröffnet wurde. Erst am vergangenen Wochenende wurden die „World Series by Renault“ ausgetragen.
Robert Neumann, 43, Chef der „Burg“, einer Disco samt Restaurant und eines Hotels, glaubte zuerst an einen Scherz. Stunden nach der Ankündigung fragte der erste Gast für den Grand Prix 2014 per eMail an. „Ich hab' geglaubt, mich will wer sekkieren“, erzählt er. Vom Revival erfuhr er erst später.
„Turbo für Region“
Dienstagmittag verfolgt er gerade die Nachrichten zum Formel-1-Comeback. Der Grüne Abgeordnete Werner Kogler ist zu hören. Der einzige wirtschaftliche Effekt sei ein gestiegener Bierkonsum, sagt er abfällig. „Na hoffentlich!“, fährt es aus Neumann heraus. „Wir haben ja tolle steirische Brauereien. Ich freue mich für die gesamte Region. Wir sind ja eine Formel-1-Region.“ Seit der Red Bull-Ring in Betrieb sei, gehe es aufwärts. Das Rennjahr 2014 werde zum „Turbo für die Region“, schwärmt er.
Hans Köstner kämpfte einst als Tourismus-Chef für die Rennstrecke. Was soll ein Drei-Tages-Event bringen? „Alle sehen nur drei Tage. Aber der gesamte Tross kommt viel früher.“ Wie auf anderen Rennstrecken werden sich Firmen ansiedeln. Wofür? „Etwa für Reifentests.“ Die Gäste werden essen, hier nächtigen, einkaufen. Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz habe schon in Eigenregie mehrere Hotels eröffnet. „Die Umwegrentabilität und der Werbeeffekt sind gigantisch.“ Erklärt werden solche abstrakten Begriffe anhand von Beispielen. Beliebt ist jenes von den Besuchern, die zu Stammgästen wurden. Bei Freddy Wascher, Chef des Hotels Grand Prix, trifft das zu: „Einige Schweizer Gäste kommen noch immer, auch ohne Grand Prix.“
Nachbarschaftsrechte
Im Ort gibt es zwei Reizwörter – „Anrainer“ und „Umweltauflagen“. Sie könnten den Formel-1-Traum theoretisch platzen lassen. Wer will das? „Niemand“, erklärt Anrainer-Vertreter Karl Arbesser. Doch der gültige Bescheid limitiere die Besucherzahl (auf 40.000). „Es geht um die Frage, ob der Event in den Bescheid passt. Wir werden unsere Nachbarschaftsrechte geltend machen.“ Simon hat andere Sorgen. „Ich brauch eine Karte.“ Die liegen aber noch nicht auf.
Es gibt Dinge, die überraschen sogar Niki Lauda. Nur wenige Minuten vor dem Gespräch mit dem KURIER hat der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende von der Rückkehr der Formel 1 nach Österreich erfahren.
KURIER: Herr Lauda, was sagen Sie zu den Neuigkeiten?
Das ist sensationell. Die Formel 1 hat weltweit eine unglaubliche Werbewirkung. Jetzt macht sie Werbung für Österreich. Dass Mateschitz ein sehr gutes Verhältnis zu Ecclestone hat, haben wir gewusst. Ich habe immer gehofft, dass die sich einigen werden. Die Einigung war nur eine Frage der Zeit. Dass es so schnell geht, hat mich aber überrascht.
Was muss an der Strecke und im Umfeld noch passieren?
Gar nichts. Auf der Strecke kann man sofort Formel 1 fahren. Alle, die sagen, dass die Infrastruktur fehlt, haben überhaupt keine Ahnung.
Aber es fehlen doch die Hotels im nahen Umkreis der Strecke.
Die Formel 1 ist schon seit den Zeiten von Jochen Rindt auf dem Ring. Und sie war immer ein Impuls für die Gegend. Das Gerede um die Infrastruktur gibt es schon viele Jahrzehnte, aber es hat immer funktioniert. Wir haben es genossen, in einfachen Gasthäusern zu wohnen.
Doch die Zeiten haben sich geändert.
In dieser Beziehung nicht. Die Piloten wohnen doch sonst immer in den besten Fünf-Sterne-Hotels. Die werden froh sein, wenn sie da einmal rauskommen und in einem freundlichen, steirischen Gasthaus übernachten dürfen. Da sieht man gleich viel mehr von der Welt.
Und doch gibt es noch viel zu tun. Es müssen zum Beispiel Tribünen aufgestellt werden.
Darüber mache ich mir keine Gedanken und auch keine Sorgen. Ich verlasse mich voll auf die Leute von Red Bull. Das sind Vollprofis, die haben das alles im Griff.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Strecke?
Allerbeste Erinnerungen. 1984 habe ich gegen Alain Prost um die Weltmeisterschaft gekämpft. In dem Jahr habe ich als Österreicher den Grand Prix von Österreich gewonnen. Es gibt für einen Formel-1-Fahrer fast nichts Größeres. Wie schwer es ist, ein Heimrennen zu gewinnen, hat man bei Vettel gesehen: Der hat auch lange gebraucht, bis er vor zwei Wochen in Deutschland gewonnen hat.
Jahrelang wurde behauptet, wie unrealistisch alles sei. Niemals werde die Formel 1 nach Österreich zurückkehren. Die Formel 1 strebe in die großen Märkte, in die Mega-Metropolen, in denen politisch (leider) alles möglich ist. In Schanghai wird gefahren, in Neu Delhi, in Kuala Lumpur, in Abu Dhabi. Bernie Ecclestone und sein Milliarden-Zirkus hätten kein Interesse, im kleinen Österreich Kreise zu ziehen, wo an der Rennstrecke Kühe grasen und Motorsport von Bürgerinitiativen gefährdet sein kann.
Irrtum.
Vertrag bis 2020
Dietrich Mateschitz hat mit seinem Red-Bull-Imperium den alten Österreichring aus dem Dornröschenschlaf gerissen. Der Grand Prix von Ungarn am Sonntag wird zumindest bis 2020 zum letzten Mal das „Heimrennen“ der österreichischen Fans sein. Am 6. Juli 2014 wird die Formel 1 erstmals seit 2003 wieder in Österreich zu Gast sein, „alle für den Red-Bull-Ring erforderlichen behördlichen Genehmigungen vorausgesetzt“, wie Red Bull in einer Aussendung schreibt. Verantwortlich dafür ist Mateschitz, der sich damit einen Lebenstraum erfüllt: „Für mich als Steirer, der die Motorsportjahre am Ring als Jugendlicher miterlebt hat, ist es schon etwas ganz Besonderes, dass wir nicht nur den Ring wiederbeleben, sondern nun auch die Königsdisziplin zurückholen konnten.“
Seit dem letzten Grand Prix 2003 hat Red Bull Millionen in die Infrastruktur rund um die Rennstrecke investiert. Ursprünglich hatte Mateschitz geplant, die Anlage zum gigantischen Rennstrecken-Projekt inklusive Luxushotels sowie Flugakademie umzubauen. Das Vorhaben scheiterte am politischen Widerstand und an einer nicht bestandenen Umweltverträglichkeitsprüfung. Doch der heute 69-Jährige gab nicht auf und ließ die bereits abgetragene Anlage in einer schlankeren Variante wieder aufbauen. Trotz aller Widerstände wurde der neue Red-Bull-Ring im Mai 2011 eröffnet und für die Formel 1 homologisiert. Seitdem war regelmäßig die DTM zu Gast.
Die Sieger der letzten Spielberg-Ära 1997-2003
Dass die Formel 1 wieder zurückkehren könnte, schien aber lange unrealistisch. Als im Raum stand, dass Österreich bereits heuer für den abgesagten Grand Prix von Amerika in New Jersey einspringen könnte, hatte Ecclestone noch gesagt: „Die Strecke ist super, die Leute sind alle sehr freundlich, ein Vergnügen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, aber es gibt leider in der gesamten Region zu wenig Hotelzimmer. Das ist das einzige Problem.“
Die endgültige Entscheidung über den Rennkalender 2014 trifft der Weltverband FIA vermutlich erst im September. Für die Veranstaltung des Rennens ist eine Gebühr an Ecclestone fällig. Diese liegt je nach Rennstrecke bei bis zu 45 Millionen Euro Wer das bezahlt, ist noch nicht klar. Im Vorjahr hatte Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko noch gesagt: „Bezahlen müsste das, wie überall sonst, die Regierung.“ Gut möglich, dass ein finanziell attraktiver Deal ausgehandelt wurde, basierend auf dem Nahverhältnis Ecclestone/Mateschitz.
Begeisterung
„Das Thema Formel-1-Rennen hatte Mateschitz seit längerem im Visier“, sagte Ex-Pilot Gerhard Berger, der ein Vertrauter des Red-Bull-Chefs ist. Doch auch ihm war der Fortschritt der Gespräche mit Ecclestone nicht bewusst. „Ein großes Kompliment an Didi Mateschitz. Wir haben eine perfekte Infrastruktur und mit Red Bull auch eine österreichische Mannschaft“, sagte Berger. „Es wird die Leute überraschen, was es in Spielberg alles gibt.“ Kollege Alexander Wurz dachte mehr an die Fahrer. Schon zu seiner aktiven Zeit sei der hügelige Kurs jener mit den meisten Überholmanövern gewesen: „Die Strecke und die Boxen sind absolut Formel-1-tauglich. Der Kurs ist für den Fahrer ein Stress, aber im Fahrerlager haben es immer alle geliebt, nach Österreich zu kommen.“
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