Mehr als nur Sport: Im Sturzflug nach oben

Am 13.2.1998 riss Maier in Nagano seinen berühmten Stern, drei Tage später wurde er Olympiasieger im Super-G.
Intensiv sind die Schmerzen auf dem steilen Weg vom Star zur Legende.

Wer die Hermann-Maier-Galerie im Foyer des Tourismusbüros Flachau besucht, dem springen sofort jene beiden Szenen ins Auge, die sinnbildlich für die Karriere des Skistars stehen. Es sind zwei Motive, die dem gelernten Maurer den Beinamen „Herminator“ und weltweite Bekanntheit eingebracht haben.

Gleich links beim Eingang ist Hermann Maier in Leinwandgröße bei seinem legendären Sturzflug 1998 in Nagano zu sehen, das Bild daneben zeigt ihn mit der olympischen Goldmedaille, die der Salzburger wenige Tage später gewonnen hat.

Wer Hermann Maier hört, der hat unweigerlich die Bilder von Nagano vor Augen. Es ist vor allem dieser Sturz, der immer untrennbar mit seinem Namen verbunden sein wird. So wie Franz Klammer mit der Olympiaabfahrt in Innsbruck, Hans Krankl mit Cordoba. Wie Niki Lauda mit seinem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring.

Vorbildwirkung

Dass nun die halbe Welt Anteil am Schicksal des dreifachen Formel-1-Weltmeisters nimmt, dass die höchsten politischen Vertreter des Landes ihre Genesungswünsche überbringen, hat auch damit zu tun, dass in Niki Lauda nie nur der begnadete Rennfahrer gesehen wurde. Sondern ein Mann, der dem Tod entronnen ist, der gebrandmarkt ist, sich aber nicht davon abhalten hat lassen, wieder ins Rennauto zu steigen und WM-Siege einzufahren.

Das ist, ähnlich wie bei Hermann Maier, genau der Stoff, aus dem die Heldengeschichten sind. Der Stoff, der einem Spitzensportler Legendenstatus verleiht.

„Das Idol muss gesellschaftliche Werte verkörpern, in denen sich das Publikum wiedererkennt und an denen es sich auch orientieren kann (etwa Weiterkämpfen nach Rückschlägen)“, schreibt die deutsche Soziologin Julia Mährlein in ihrem Buch „Der Sportstar in Deutschland – Die Entwicklung des Spitzensportlers vom Helden zur Marke“.

Es waren schon immer die bewegten Karrieren, die die Menschen extrem bewegt haben. Athleten, die nach Unfällen und Verletzungen bereits abgeschrieben wurden und denen die sportliche Wiederauferstehung gelungen ist.

Als Thomas Muster 1989 in Key Biscayne vom einem Betrunkenen mit dem Auto niedergefahren wurde, glaubte kaum jemand, dass der Steirer einmal die French Open gewinnen würde. Man hat immer noch die Bilder in Erinnerung, als er wenige Wochen nach dem Unfall schon wieder auf dem Tennisplatz saß, das eingegipste Bein hochgelagert, und wie ein Irrer auf die Filzbälle eindrosch. Für diesen unbändigen Willen und Kampfgeist wurde Muster Zeit seiner Laufbahn gleichermaßen bewundert wie gefürchtet.

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2015 ruinierte sich Anna Veith ihr Knie, 2018 gewann sie in Südkorea Silber im Super-G.
 

Sinneswandel

Auch Anna Veith hatten viele schon vorzeitig in der Skirente gesehen, nachdem 2015 in ihrem rechten Knie so ziemlich alles gerissen war, was reißen kann. Bis zu dieser Verletzung war Veith in der Skiszene als Diva verschrien, ihr unglaubliches Comeback, das bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea in der Silbermedaille im Super-G gipfelte, brachte der 29-Jährigen mehr Anerkennung und Respekt als so mancher große Triumph vor der Knie-OP.

Hermann Maier machte in seiner Laufbahn ebenfalls einen Sinneswandel durch. Nach einem Motorradunfall hätte ihm 2001 beinahe der Unterschenkel amputiert werden müssen. Bei seinem ersten Sieg nach der langen Pause (2003, Super-G in Kitzbühel) weinte der Herminator und zeigte menschliche Züge, wie man sie zuvor von ihm nicht gekannt hatte. „Zur Legende wird man erst durch außergewöhnliche Ereignisse“, sagt Leodegar Pruschak, Marketingchef von Maier-Sponsor Raiffeisen. „In der Karriere des Hermann Maier sind so viele spektakuläre und emotionale Dinge passiert, dass das zwangsläufig zur Mythenbildung beiträgt. Das ist wenn man so will eine Hollywood-Story.“

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1989 wurde Thomas Muster von einem Auto niedergefahren, 1995 gewann er die French Open.

Mitgefühl

Oder in den Worten von Matthias Lanzinger. „Besondere Momente bleiben nun einmal anders haften als Daily Business.“ Wer könnte das besser wissen, als der Salzburger Skifahrer, der traurige Berühmtheit erlangte, als ihm 2008 nach einem Sturz in Kvitfjell der linke Unterschenkel amputiert werden musste. „Das sind Geschichten, die das Leben schreibt und auch das Leben zeichnet. Da zittern die Leute mit, das interessiert die Menschen“, sagte Matthias Lanzinger einmal im KURIER-Interview. „Mir ist klar: Mit diesem Unfall habe ich die Bekanntheit gekriegt.“

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