Hirscher in Val d'Isère zwischen Triumph und Debakel
„Seid Ihr bereit für ein Ski-Debakel? Seid Ihr bereit für den kürzesten Slalom in der Geschichte des Weltcups? Seid Ihr bereit für ein irreguläres Rennen? Dann schaltet den Weltcup in Val d'Isère ein – das erste Debakel beginnt um 9.30 Uhr.“
Ivica Kostelic war außer sich am Sonntagvormittag und machte sich auch gar nicht erst die Mühe, seine Meinung auf dem Internet-Bilderdienst Instagram irgendwie hinterm Berg zu halten. Geschätzte 35 Sekunden kurz wäre der Parcours gewesen, der als Notprogramm gedacht war, letztlich aber nicht zum Einsatz kam. Wie schon 2008 fiel der Herren-Slalom dem Sturm zum Opfer, der die Kippstangen auf den Schnee presste.
Der Kroate Kostelic war 2010/’11 der letzte Gesamtweltcupsieger, der nicht Marcel Hirscher hieß, und sein Nachfolger ist auf dem besten Weg, seinen bislang sieben Trophäen eine weitere hinzuzufügen. Sein Erfolg im ebenfalls verkürzten und durch Schneefall beeinträchtigten Riesenslalom am Samstag war nicht nur der siebente in der Skistation in Savoyen (und sein 15. Podestplatz dort), es war der 60. Weltcupsieg des 29-jährigen Salzburgers, sein 127. Podestplatz – und er brachte ihn zurück an die Spitze des Gesamtweltcups, 42 Punkte vor Max Franz. „Ich hätte auch kein Problem damit, wenn Max Erster wäre“, scherzte der Seriensieger, „er ist am Höhepunkt angelangt. Aber für mich ist der Gesamtweltcup aber jetzt nicht wichtig, die Saison hat ja gerade erst so richtig begonnen.“
Dafür, dass es derzeit so gut läuft (zwei Siege, einmal Zweiter bei drei Starts), dankte der Ausnahmekönner seinem Team. „Sie haben teilweise Nachtschichten eingelegt, da ist es nun auch an der Zeit, wieder einmal Danke zu sagen. Es ist unfassbar, wie lange ich doch gesund fahren konnte und wie mich die Leute begleiten.“
Respektabstand
So nebenbei hat Hirscher der Konkurrenz wieder einige Hausübungen mitgegeben. Dabei ist doch alles so einfach – jedenfalls für ihn. „Du musst auf diesem steilen Hang so sehr pushen wie sonst im Flachen, du musst aggressiver sein als der Berg“, verriet der Olympiasieger.
Am Ende lag Marcel Hirscher 1,18 Sekunden vor seinem norwegischen Dauerrivalen Henrik Kristoffersen und 1,31 Sekunden vor dem Schweden Matts Olsson. „Du kannst um sechs Uhr aufstehen und trainieren, es wird aber immer einen geben, der da schon eine halbe Stunde am Werk ist“, sagte Kristoffersen, der beinahe ein wenig resignierend klang.
So gnadenlos Marcel Hirscher mit der Konkurrenz Schlitten fährt, so viel Mitgefühl zeigte er mit dem Deutschen Stefan Luitz, der den Riesenslalom in Beaver Creek gewonnen hatte, nun aber Nerven zeigte und 30. wurde. Auslöser ist dessen Sauerstoffkonsum in den Rocky Mountains: Unter dem Code der Welt-Anti-Doping-Agentur vom 1. Jänner 2018 ist das erlaubt; das Reglement des Ski-Weltverbandes FIS von 2016 verbietet es. Das deutsche Team hatte sich zuvor abgesichert – und steht nun in der Kritik. Eine Entscheidung über Konsequenzen steht noch aus.
„Stefan tut mir einfach nur leid, wenn’st so auf die Gosch'n fällst, ist es zum Rehr'n. Als Athlet musst du deinen Trainern, Betreuern und Ärzten vertrauen“, sagte Hirscher. „Den Fehler hat jemand anders gemacht, da ist irgendetwas in der Kommunikation schiefgegangen.“ Der Salzburger hatte in jungen Jahren selbst mit Sauerstoff aus der Flasche zu tun, als er noch erlaubt war, „nicht im Wettkampf, aber beim Ausradeln am Nachmittag. Mein Körper war damit aber nicht happy, denn zum Einen fehlt ihm nachher der Sauerstoff erst wieder, und zum Anderen hab' ich Halsweh und alles Mögliche bekommen.“
Mit dem 60. Sieg fehlen ihm nun noch zwei Erfolge auf die österreichische Allzeitmarke von Annemarie Moser-Pröll. Jedoch: „Ich bin kein großer Freund von Statistiken, die sind für mich vielleicht später einmal interessant – wenn draußen ein Schneesturm tobt und ich drinnen am offenen Kamin mit einem Glas Rotwein sitze.“
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