Guter Draht
Herbert Völker, der jahrzehntelang Chefredakteur der Autorevue war, ist schreiberisch nicht nur unter den Motorjournalisten eine Ausnahmeerscheinung. Seine Texte haben literarisches Niveau, sie sind ebenso fachkundig wie plastisch geschrieben, und unterhaltsam sind sie obendrein.
Im Motorsport hat er sich zwar mehr für Rallyes als für die Formel 1 begeistert; zu Lauda aber hatte er gleich einen guten Draht. Neben unzähligen Artikeln hat Völker im Lauf der Zeit sechs Bücher mit und über Lauda geschrieben; das jüngste trägt den griffigen Titel „Niki“ und erzählt indirekt auch die Geschichte der fast 50 Jahre andauernden Partnerschaft zwischen Lauda und dem Autor, die einander erstmals im Juni 1971, bei einem Formel-2-Rennen in Rouen, begegnet sind.
Aus einem Arbeitsverhältnis wurde Freundschaft. „Es hat damit begonnen, dass wir ein erstes Buch zusammen gemacht haben („Formel 1. Technik und Praxis des Grand-Prix-Sports“, 1975, Anm.), das ist schon einmal was Besonderes“, sagt Völker. „Und wenn sich dann noch herausstellt, dass man eine Hetz dabei hat, ergibt sich eine Freundschaft.“
Lauda, der in seinem ganzen Leben kein Buch gelesen hat und nur ungern SMS schrieb, weil ihm seine haarsträubende Rechtschreibung peinlich war, schätzte Völkers Talent, aus ihren Gesprächen schöne Texte zu machen. Völker imponierte an Lauda dessen Gefühl für Technik, die „Smoothness“, mit der er ein Auto bewegte oder ein Flugzeug sanft auf die Landebahn setzte. Die ungleichen Freunde, der Schönschreiber und das Biest, trafen einander alle paar Wochen, Völker ließ fast immer ein Tonband mitlaufen. „Das war kein Problem, weil er sich darauf verlassen konnte, dass er schlampert reden kann und ich nicht jeden Blödsinn schreibe.“
Essen sind die beiden meist zu Do & Co am Stephansplatz – auch Attila Dogudan war Laudas Freund und Geschäftspartner – gegangen, oder ins Gasthaus Pöschl in der Weihburggasse, wo allerdings oft kein Platz war, weil der Wirt Hanno Pöschl aus Prinzip keinen Stammtisch freihielt („Prominent samma olle“). Zum Frühstück trafen sie sich meist im Café Imperial, Laudas Stammcafé. Warum das Imperial? „Es lag verkehrstechnisch ideal, und natürlich konnte er immer direkt vor dem Hotel parken.“
Die Lauda-Mythen
Zwei große Niki-Lauda-Mythen rückt Herbert Völker in dem Buch entschieden zurecht. Erstens: der Mythos vom Vifzack, der die Rennen mehr mit Köpfchen als mit dem Gaspedal gewonnen hat. Falsch, behauptet Völker. Entscheidend für den Erfolg sei sein „Grundkapital“ gewesen: „Speed, speed, speed.“ Es stimme schon, dass Lauda als einer der Ersten den Nutzen von Testfahrten erkannt hat, sagt Völker. „Aber er war auch wirklich schnell, gehörte immer zu den vier, fünf Schnellsten im Feld.“
Zweitens: das Bild vom knausrigen Multimillionär, der nie Geld einstecken hat. Das kann Völker so nicht bestätigen. Ja, als in den Autos die Bordcomputer aufkamen, hat er sich einen Sport daraus gemacht, möglichst spritsparend zu fahren (was bei einem Rennfahrer etwas Komisches hat); und ja, als er sich einen Anzug kaufen sollte, war ihm nicht nur Knize am Graben, sondern auch der günstiger arbeitende Sohn des Knize-Schneiders noch zu teuer.
Völker selbst aber hat diesbezüglich keine schlechten Erfahrungen gemacht: „Wenn ich die Mahlzeit dazu nutzte, irgendwas für meinen Job zu verwenden, dann war logischerweise ich zum Zahlen dran, ansonst war’s der übliche Umgang zwischen Kumpels, einmal der, einmal der andere. Sein Trinkgeld war immer im vernünftigen Augenmaß, nie kleinlich, aber nie Briatore-mäßig.“
Manches an dem Freund blieb Völker ein Rätsel. Zum Beispiel hat er nie verstanden, warum Lauda sich so schwer damit tat, sich bei seinem Lebensretter Arturo Merzario – der ihn 1976 auf dem Nürburgring aus dem brennenden Ferrari geholt hatte – anständig zu bedanken. „Es gab zwar (spät, sehr spät) das übliche Dankgeschenk, aber es war halt doch nur eine patscherte teure Uhr.“
In seinen letzten Jahren war Lauda Aufsichtsratsvorsitzender beim Mercedes-Formel-1-Team – „mit Sicherheit der erfüllendste Job in der Karriere des Champs“, schreibt Völker. Zwischen Lauda und Teamchef Toto Wolff habe sich eine enge Freundschaft entwickelt.
Zum letzten Mal gesehen haben Lauda und Völker einander im November 2017, eineinhalb Jahre vor Laudas Tod. Sie unternahmen eine Ausfahrt, nahmen bei einem Würstelstand eine Jause und besuchten schließlich die Galerie von Laudas Ehefrau Birgit in der Stadt. „Von der Galerie in der stillen Rauhensteingasse sind es ein paar Schritte in den Adventwirbel der Innenstadt. Es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ich Niki nicht wiedersehen würde.“
Herbert Völker: „Niki. Stories vom Champion“. Ecowing Verlag. 272 Seiten. 30 Euro
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