Hans Orsolics: Zu oft ein Kampf zu viel

Hans Orsolics: K.O. nach seinem Kampf gegen Perkins im Jahr 1970.
Der Ex-Box-Europameister wundert sich, dass er seinen heutigen 70.Geburtstag noch erleben darf.

Unterschiedlicher konnte ihr Schicksal nach Karriereende nicht sein: Der letzte österreichische Box-Europameister, Edip Sekowitsch (1989), wurde 2008 vor seinem Wiener Lokal "Champ’s Pub" erstochen. Der vorletzte Europameister, Josef Pachler (1978), bestritt 25 Marathonläufe. Der populärste Europameister, Hans Orsolics (1967 bis 1970), nennt ’s ein Wunder, dass er seinen Siebziger noch erleben darf.

Anlässlich seines heutigen Geburtstages widmet ihm ORF Sport+(20.15) eine von Reporter-Legende Sigi Bergmann gestaltete mehrstündige Sondersendung. Ausgerechnet Jubilar Orsolics wird sie nicht sehen. Weil er in seiner Holzhütte "koa Sport plus empfangen" kann.

Orsolics übersiedelte mit Frau und Hund von seiner Mini-Wohnung, die die gleichen Ausmaße wie ein Boxring (36 Quadratmeter) hat, in einen Kleingarten nach Wien-Döbling "zu den G’stopften". Er selbst hatte nur wenige Jahren zu den G’stopften (= den Reichen ) gezählt. Als er den Deutschen Rudhof, den Spanier Sombrita und den Franzosen Josselin besiegte; als "Hansee" bis zu 15.000 in der Stadthalle vor Begeisterung toben ließ; als mit ihm ein noch größeres Geschäft (= WM-Kampf) gemacht werden sollte. Und als alle Warnungen des KURIER ("Verheizt ihn nicht") ignoriert wurden. Der vermeintliche Aufbaugegner Eddie Perkins verprügelte Orsolics bis zur Bewusstlosigkeit.

Von der Boxerei sind Orsolics nur gesundheitliche Schäden, jedoch kein Groschen geblieben. Auch der Song "Mei patschertes Leben", mit dem er sogar Falco samt dessen "Jeanny" von Platz 1 der Ö3-Charts verdrängte, wurde für Orsolics letztlich nicht zum großen, von allen Sorgen befreienden Hit, zumal er zum Führen eines Wirtshauses viel zu labil war. Oder wie es sein zuckerkranker Freund und Retter Bergmann formuliert: "Dass Hansi Gastwirt im 15. Bezirk wurde, war ungefähr so, als würde ich als Diabetiker eine Konditorei übernehmen."

Alkoholsucht und Jähzorn bescherten Orsolics 14 Haftstrafen, obwohl er in Wahrheit ein herzensguter, nur viel zu leicht provozierbarer naiver Kerl war. Messerstechereien, Vollräusche und einen Lungenkrebs – alles hat der sehr schmal gewordene Ex-Champion überlebt. Dafür dankt er dem Herrgott. Und zu Kardinal Schönborn sagte Orsolics mit der für ihn typischen Offenheit: "Du bist a klasser Hawerer."

Dass er seit mehr als 20 Jahren trocken ist, verdankt Orsolics nicht nur Entziehungskuren, sondern auch Gattin Roswitha, die klammheimlich Entziehungsmittel ins Essen mischte. Auch Zigaretten rührt er keine mehr an.

Demütig lernte er mit den Diagnosen Alzheimer und Parkinson zu leben – so wie Biko Botowamungo, der als vorerst letzter Schwergewichtler für Österreich bei Olympia 1988 (kurz) im Ring gestanden war. Der einstige Publikumsbliebling Nojim Maiyegun, den nicht nur die Krone in den 70ern als "unseren Hausneger" gefeiert hatte, verlor gar sein Augenlicht. Weil er trotz Netzhautablösung in einen Kampf gehetzt worden war.

Immerhin ist "Jo Tiger" Pachler der laufende Gegenbeweis, dass Boxen nicht schädlich sein muss. So startete der Mittsechziger auf Langlaufskiern beim Wasalauf. Als Vorgesetzter von Korporal Matthias Mayer brachte Vizeleutnant Pachler dem nunmehrigen Abfahrts-Olympiasieger Box-Finten bei. Aktuell hält Pensionist Pachler Anti-Aggressionskurse für Jugendliche in Kärnten ab.

Zum 70er überreichte er Orsolics eine Urlaubseinladung von einem Hotelier am Faaker See. Hansee weiß noch nicht, ob er sie annehmen, ob er sich für eine Woche von Hund und Schrebergarten trennen kann.

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