Die An- und Abreise könnte trotz eilig zusammengestellter Sonderfahrpläne das einzige Ärgernis bleiben in den kommenden beiden Wochen. Der vermutlich neue Weltrekord stellt den passenden Auftaktrahmen für eine Endrunde dar, die ein unmissverständliches Zeichen setzen soll: Handball ist groß – vor allem, aber nicht nur in Deutschland.
Die EM verspricht eine Megaspektakel im Handball
Erstmals findet das in den vergangenen Jahren auf 24 Teilnehmer angewachsene Kontinentalturnier in nur einem Land statt. Mit dem deutschen Handball-Verband, dem größten der Welt, hat sich die europäische Föderation EHF einen perfekten Gastgeber ausgesucht. Keine der Arenen in den sechs Austragungsstätten fast weniger als 10.000 Besucher. Schon Wochen vor dem ersten Anwurf waren mehr als 90 Prozent der Tickets an Mann und Frau gebracht worden.
Die ersten beiden Spieltage der Österreich-Gruppe in Mannheim, nicht gerade als pulsierende Sightseeing-Metropole bekannt, sind etwa bereits restlos ausverkauft. „Die Hallen bei der EM werden bei fast jedem Spiel voll sein. Das ist nicht selbstverständlich bei Endrunden abseits vom Fußball“, sagt Viktor Szilagyi im KURIER-Gespräch.
Der Österreicher war über mehr als ein Jahrzehnt der prägende Kopf im rot-weiß-roten Nationalteam, seit fünf Jahren ist er nun Sportvorstand beim deutschen Rekordmeister in Kiel, so etwas wie dem FC Bayern München des Handballs. Der 45-Jährige kennt Liga, Spieler und Fans sowie die Wichtigkeit des deutschen Nationalteams für die gesamten Sportart.
Läuft es gut für die DHB-Auswahl, zuletzt WM-Fünfter, werden bis zu zehn Millionen Menschen pro Spiel vor den Bildschirmen des öffentlich-rechtlichen Angebots sitzen. Um dem Nationalteam die bestmögliche Vorbereitung zu ermöglichen, haben die deutschen Bundesligisten sogar auf die lukrativen Spiele während der Weihnachtsfeiertage verzichtet. „Das ist ein klares Zeichen für die Wichtigkeit der Nationalmannschaft und dieser Endrunde“, betont Szilagyi.
Dass die deutschen Fußballer wenige Monate vor deren Heim-EURO gerade auf Sinn- und Formsuche sind, wollen die Handballer nutzen – wie zuvor bereits die Basketballer, die im Herbst 2023 sensationell mit Gold von der WM heimgekehrt waren.
„Natürlich bekommen wir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, wenn es bei den Fußballern nicht ganz so prickelnd läuft“, sagte Alfred Gislason, der Teamchef der Deutschen, zuletzt der Süddeutschen Zeitung. Der Isländer fügte aber auch an: „Trotzdem steht der Fußball in den meisten Ländern der Welt auf den Plätzen eins bis zehn.“
Eine einmalige Chance für den Handball-Sport
Laut einer Erhebung des Europa-Verbands EHF aus dem Jahr 2019 spielen in Deutschland 222.000 Frauen und 330.000 Männer Handball auf Vereinsebene. In Österreich sind es 3.000 bzw. 4.400 (kein Vergleich zum annähernd gleich großen Norwegen mit 76.000 Frauen und 34.000 Männern).
Ein Ziel dieser Endrunde ist es daher auch, neue Fans und Spieler anzusprechen. Szilagyi erkennt sogar die einmalige Chance, jene für Handball zu gewinnen, für die Deutschland in den vergangenen Jahren zu einer neuen Heimat geworden ist: „Im mittleren Osten und in weiten Teilen Afrikas spielt Handball keine große Rolle. Genau diese Menschen wollen wir auf das Handballfeld bringen.“
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