Große Würfe: Ein Dartsachenbericht
Die Geschichte erinnert an das Jahr 2000: Pete Sampras hatte seine Teilnahme bei der CA-Trophy in der Wiener Stadthalle zugesagt. Zu Ehren des damals besten Tennisspielers produzierte der KURIER ein achtseitiges Sampras-Special, das am Sonntag beigelegt wurde. Redaktionsschluss: Freitagmittag. Samstagvormittag sagte Sampras ab, und wir meldeten dies mit einem Vierzeiler. Hoffend, dass die Beilage in derselben Ausgabe niemand findet.
Die Veranstalter der Austrian Darts Open in Wiener Neustadt müssen sich ähnlich gefühlt haben, als der 15-fache Weltmeister Phil Taylor und der aktuelle Champion Adrian Lewis abgesagt haben. Taylor tat dies am Donnerstagabend, Lewis überhaupt erst am Freitag, als das Darts-Turnier in der Arena Nova losging. Beide seien krank, hieß es, wobei man Lewis hinter vorgehaltener Hand nicht glaubt. Egal, der Millionär wird über die Strafe, die er vom Verband PDC aufgebrummt bekommt, schmunzeln und die Portokassa bemühen.
Hautnah am Star
Doch o Wunder: Der Stimmung in der Halle tut dies keinen Abbruch, die ist nämlich blendend. Nur bei einer Dame nicht, die ihren Mann begleitet hat, um ihm eine Freude zu machen. Sie kann den Wurfpfeil-Werfern nix abgewinnen, sitzt mit dem Rücken zum Geschehen und sagt trotzig: "Das ist so spannend für mich, als wenn du vier Frauen auf einer Bühne beim Stricken zuschauen müsstest." Nein, das stellen wir uns jetzt nicht vor.
Bevor die Spieler einmarschieren, bilden die Fans ein Spalier. Der Sprecher bewirbt die Vorzüge der Sportler, Nebelschwaden ziehen durch die Halle. Zwei Walk-in-Girls stehen als Geleitschutz parat. Je später der Abend, desto anzüglicher die Pfiffe. Das ist normal, wenn allein die Luft schon betrunken macht. Die Zuschauer recken die Hände über die Absperrung, hoffend, dass die Spieler beim Einmarsch abklatschen. Die tun das bereitwillig. Ein Bursch sagt stolz: "Es gibt keinen Sport auf der ganzen Welt, bei dem die Fans so hautnah beim Idol sein dürfen." Freilich hat er sich Autogramme geholt, eines von van Barneveld fehlt noch. Er schreit: "Please, Barney, please", und schon hat er’s. "Auf eBay krieg’ ich dafür sicher ein Vermögen. Aber ich bin ja nicht blöd, das geb’ ich nicht her."
Freitag, 22.30. Der Hoffnungsträger macht sich bereit. Es brodelt. Von "immer wieder Österreich" ist die Rede. Aus der Box dröhnt Live is Life, als sich Mensur Suljovic den Weg zur Bühne bahnt. Der Wiener schnappt sich eine rot-weiß-rote Fahne und hüpft wild schwingend ins Zentrum des Geschehens. Als ihm Justin Pipe, der Gegner, den Nerv zieht und die Felder auf dem Board aus 2,37 Metern präziser trifft, wird es nur still in der Arena Nova. Keine Rede von auspfeifen oder beleidigen, im Gegenteil. Immer, wenn Pipe das Maximum gelingt, hüpfen die Leute auf und brüllen "Onehundredand-eighty". Die Dame, die mit den Stricknadeln, sagt trocken: "Wenn die Austria ein Tor gegen Rapid schießt, ruft kein Rapidler bravo."
Ob Barneys Autogramm am Sonntagabend noch mehr wert sein wird? Ausgeschlossen ist nicht, dass er das Turnier gewinnt.
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