Katzian: "Dauerhaft in Europa etablieren“
Schlachthausgasse, das Büro des GPA-Bosses. Ein Bild der Generali-Arena hängt hinter Austria-Präsident Wolfgang Katzian, ein Mannschaftsfoto lehnt in Übergröße neben ihm an der Wand. Katzian wirkt nach den Feierlichkeiten zwar etwas müde, strahlt aber derartige Zufriedenheit aus, dass neben ihm ein frisch lackiertes Hutschpferd matt wirken würde.
KURIER: Der Fußball ist kein Wunschkonzert – oder? Wolfgang Katzian: Nein. Aber als Präsident wünscht man sich natürlich einiges. Und wenn das in Erfüllung geht, ist das wirklich sehr schön.
Die Saison war wie ein Wurlitzer für die Austria. Es war ein Wahnsinn. Es gibt fast keine Worte mehr, die meine Gefühle beschreiben könnten. Als es während der Saison sehr gut aussah, kamen die Zurufe von vielen, dass ein Einbruch noch kommen wird. Aber es hat immer wieder Situationen gegeben, wo man gesehen hat, wie konzentriert und fokussiert die Mannschaft war. So haben wir heikle Partien gedreht und gewonnen.
War das ein neues Gesicht der Austria, die oft als launische Diva galt? Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, dann war es die Fortsetzung einer Entwicklung. Natürlich hat es Einbrüche gegeben, aber die Richtung wurde beibehalten. Wir haben uns vor einigen Jahren etwas vorgenommen – wir wollen schönen und erfolgreichen Fußball spielen. Mit dem offensiven Stil haben wir auch viele Tore erhalten. Trainer Ivica Vastic wollte dann die Defensive stabilisieren, leider hat der Versuch unterm Strich nicht geklappt wie erhofft. Aber auch diese Misserfolge waren Teil einer Entwicklung. Peter Stöger und seinem Team ist es gelungen, die Verunsicherung wegzubringen und die Leidenschaft zurückzubringen. Vor dem Spiel gegen Mattersburg habe ich mir die Spieler angesehen – die wollten die Welt zerreißen. Was dann abgegangen ist, war hervorragend.
War das der schönste Tag für Sie als Präsident? Als Präsident schon. Es hat schöne Momente auch im Europacup gegeben, zum Beispiel den Sieg in Malmö. Aber beim 3:0 gegen Mattersburg ist bei mir die ganze Anspannung weggegangen. In den Tagen vor dem Spiel habe ich mich nicht richtig auf andere Dinge konzentrieren können. In Gedanken war ich immer wieder schon bei diesem Spiel.
Hat die Arbeit darunter gelitten? Nein, das nicht. Am Mittwoch hatte ich im Parlament eine Rede zu halten, das ist mir schon gelungen. Die Anspannung war aber da. Daher finde ich es beeindruckend, wie die Mannschaft mit dem Druck umgegangen ist und auch damit bewusst gearbeitet hat. Ich denke auch, dass alle im Vorfeld die richtigen Worte gefunden haben.
Im Fußball ist nichts ein Selbstläufer. Vor der Tür stehen das Cupfinale und dann der Europacup. Kann man von weiteren Erfolgen ausgehen? Ausgehen darf man davon nicht. Als wir ganz unten standen, haben wir haben uns 2007 vorgenommen, dass wir die Tabelle drehen. Wenn dir das sechs Jahre später gelingt, macht das stolz. Wir alle – Markus Kraetschmer und Tommy Parits mit der Unterstützung von Bürgermeister Michael Häupl – haben uns etwas vorgenommen. Denn nach dem Ausstieg von Frank Stronach gab es einen Paradigmen-Wechsel. Nur geht das nicht von heute auf morgen: Wenn man zwei Schritte auf einmal macht, liegt man auf dem Hintern. Die Umstellung ist uns gut gelungen, ich bin stolz auf das ganze Team. Alle ziehen an einem Strang, es herrscht ein Teamspirit. Da passt der Peter Stöger mit seiner Art gut dazu.
Der Trainer kommt Ihnen jetzt doch nicht abhanden. Ich war mir immer sicher, dass er uns nicht abhanden kommt. Weil wir vor Wochen ein gutes Gespräch hatten. Wir haben noch viel vor.
Hätten Sie sich 2007 vorstellen können, dass die Austria 2013 dermaßen gut dastehen würde? Den Zeitpunkt hätte ich mich nicht vorherzusagen getraut. Ich wusste aber immer, dass wir eine Chance haben, wenn wir Ruhe in den Verein bringen – und Legenden wie Herbert Prohaska und Andreas Ogris und andere zurückholen. Ein Klub mit Tradition braucht seine Legenden. Dem Verein hat damals die Seele gefehlt, das Rückgrat.
Bei all der Euphorie – Salzburg hat nach wie vor den besseren Kader. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Und die Austria ist von der Qualität her auch nicht um so viele Punkte besser als Rapid. Naja.
Oder doch? Nein, unter normalen Umständen stimmt das natürlich. Der Abstand war heuer schon sehr groß.
Eine Saison wie diese ist eher die Ausnahme für die Austria – oder doch die Regel? Da bin ich zweigeteilt in meiner Meinung. Die Erwartungshaltung muss man sicherlich auf ein realistisches Niveau bremsen. Denn wir können von den Spielern nicht verlangen, dass sie in die Gruppenphase der Champions League kommen. Ich wünsche es mir – aber die Gegner sind nicht ohne, daher müssen wir mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben. Auf der anderen Seite haben wir natürlich die aktuelle Euphorie in den letzten sechs Jahren schrittweise entfacht. Die werden wir jetzt sicher nicht abstechen. Wir wollten ja immer die Champions-League-Hymne in der Generali-Arena hören. Und jetzt dürfen wir ihr endlich lauschen.
Mit der Champions League wäre das noch vorhandene negative Eigenkapital weg. Mit einem Schlag. Derzeit haben wir noch 3,5 Millionen Euro negatives Eigenkapital, das aber stetig weniger wird.
Hat der Erfolg schon neue Sponsoren gebracht? Wir haben schon viele Gespräche geführt, es tut sich etwas. Wir sind sehr breit aufgestellt, was die Geldgeber betrifft. Mein Ziel ist es, die bestehenden Partner zu halten und darüber hinaus neue zu gewinnen.
Rückschläge gibt es immer. Ist es die Kunst, einen Mechanismus zu entwickeln, damit man nie mehr ins Bodenlose fällt? Das ist unser Ziel, im sportlichen wie im wirtschaftlichen Bereich. Daher verfolgen wir unser Vier-Säulen-Modell mit Nachwuchs, Akademie, Amateuren und Kampfmannschaft weiter.
Wo soll die Austria in weiteren sechs Jahren stehen? Ich würde mir eine stabile Sponsoren-Landschaft wünsche, damit man zumindest mittelfristig planen kann. Die Vier-Säulen-Theorie bleibt. Wir werden nicht Spieler aus ganz Europa zusammenkaufen. Bis zu einem gewissen Grad bleiben wir ein Ausbildungsverein. Die Frage ist, auf welchem Niveau. Und da wollen wir uns dauerhaft in Europa etalieren, das ist das oberste Ziel. Man muss die Schrauben so drehen, dass die Spirale nach oben und nicht nach unten geht.
Die Austria-Struktur bleibt, wie sie ist? Ja. Die Koexistenz von Verein und AG hat sich bewährt, die Entscheidungswege sind kurz. Ich kann nicht bei jeder Entscheidung 5000 Leute befragen, das geht einfach nicht. Dafür gibt es ja Verantwortliche.
Wie geht es mit der Generali-Arena weiter? Mein Wunsch ist der Ausbau der Nordtribüne. Ich habe immer gesagt, dass das nur Sinn macht, wenn sich der Zuschauerschnitt bei 10.000 einpendelt. In dieser Saison haben wir das erreicht, ich hoffe, das bleibt so. 2017 kommt die U-Bahn bis zum Stadion, das bringt sicher auch mehr Zuschauer.
Nur die Verkehrswege rund um das Stadion sind einer Verbesserung würdig. Das ist richtig, aber wir führen schon Gespräche für ein neues Verkehrskonzept, um den neuralgischen Punkt Verteilerkreis zu entschärfen. Wir sind uns des Problems bewusst, und wir arbeiten daran.
Der Chef
Peter Stöger wurde 2006 als Sportdirektor mit der Austria Meister, sieben Jahre später gelang ihm das Kunststück als Trainer – und das gleich in der ersten Saison. Dazwischen lagen Jahre des Lernens und Weiterbildens bei der Vienna, dem GAK und in Wiener Neustadt. „Überall habe ich etwas Neues lernen können. Diese Stationen waren für mich sehr wichtig.“
Stöger legt besonders großen Wert auf Teamwork und einen humanen Umgang mit den Spielern. Geht ihm etwas aber gegen den Strich, dann kann er auch laut und direkt werden.
Der verlängerte Arm
Manfred Schmid ist ein Experte auf seinem Gebiet. Mit Peter Stöger hat er erfolgreich bei der Austria in einem Team gespielt. Er war damals, was heute James Holland ist – ein verlässlicher Sechser im Mittelfeld.
Mit Stöger spielte er schon in Wiener Neustadt als Trainergespann einen perfekten Doppelpass, die Niederösterreicher – als Fixabsteiger gehandelt – schafften den Klassenerhalt.
Mit Stöger wieder bei Violett vereint, gelang gleich im ersten Jahr der Coup. Seine Vertragsverlängerung steht noch aus, sollte aber nur Formsache sein. Zu besseren Konditionen nach dem Titel.
Der Tormann-Trainer
Kurze Hosen, dafür immer Handschuhe. Bei Hitze wie bei Kälte. Es ist nicht das einzige Markenzeichen von Franz Gruber, dem Tormann-Trainer der Austria.
Er gehört quasi schon zum Inventar und kümmert sich nicht nur um seine Schützlinge, sondern auch um organisatorische Dinge rund um die Trainingseinheiten.
Es ist für ihn freilich eine persönliche Auszeichnung, dass seine aktuellen und ehemaligen Goalies Heinz Linder, Pascal Grünwald und Robert Almer auch das Tor im Nationalteam hüten bzw. gehütet haben. Derzeit führt an Lindner kein Weg vorbei.
Der Fitness-Guru
Martin Mayer hält die Spieler auf Trab. Der glühende Vespa-Fan gibt auch im Training ordentlich Gas und kümmert sich neben den alltäglichen Übungseinheiten auch um die verletzten oder rekonvaleszenten Spieler. Eine Statistik gibt dem Trainerteam und der medizinischen Abteilung Recht: Die Austria hatte in vielen Spielen den längeren Atem und entschied die Partien im Finish für sich.
Mayer spielt den Ball des Lobes gleich weiter: „Die Burschen haben super gearbeitet und das ganze Jahr mitgezogen. Und vor allem auch die Trainingspläne abseits des Mannschaftstrainings umgesetzt.“
Austria und Meister? Nichts Außergewöhnliches an sich. Zumindest, wenn man die rot-weiß-rote Fußballgeschichte betrachtet. 24 Meistertitel zieren die Geschichte eines großen Klubs:
1924 Der erste Titel, das erste Double. Im Cup wird Slovan nach Verlängerung mit 7:4 besiegt.
1926 Das nächste Double. Ein letztes Mal unter dem Namen Amateure.
1949 Der erste Titel unter dem Namen Austria. Vor 60.000 Fans werden die Grün-Weißen im Praterstadion ausgerechnet in der Rapid-Viertelstunde besiegt.
1950 Der Sieger der ersten gesamtösterreichischen Meisterschaft heißt Austria. Damals dabei: Ernst Ocwirk und Ernst Stojaspal.
1953 Der fünfte Streich der Favoritner.
1961 Die Austria wird mit mit neuem Neun-Punkte-Rekordvorsprung Meister. Bereits unter der Führung von Legende Joschi Walter.
1962 Die Austria wird zum zweiten Mal vorzeitig Meister.
1963 Den Favoritnern gelingt der Titelhattrick.
1969 Die Austria hat zwar zwischenzeitlich sechs Punkte Rückstand, stößt aber Rapid wieder vom Thron.
1970 Unter Trainer Ernst Ocwirk wird der zehnte Meistertitel gefeiert. Mit dabei die späteren Teamchefs Josef Hickersberger und Alfred Riedl.
1976 Beginn einer neuen Ära: Für Talente wie Herbert Prohaska, Erich Obermayer oder Felix Gasselich ist es der erste Meistertitel.
1978 Mit dem heutigen Sportchef Tommy Parits schlägt es zwölf, zuvor kamen die Veilchen ins Finale des Cupsieger-Cups (0:4 gegen Anderlecht).
1979 Mit Neuerwerbung Walter Schachner aus der zweiten Liga holt man sich die Meisterschaft mit 14 Punkten Vorsprung.
1980 Unter Trainer Erich Hof wird der nächste Meistertitel gefeiert.
1981 Rapid siegt bei Sturm in Graz und macht die Austria zum Meister. Die Violetten schaffen dies ohne Prohaska, der in Italien kickt.
1984 Prohaska kam, sah und siegt mit Tibor Nyilasi. Titel Nummer 16.
1985 Die Veilchen erzielen in 30 Spielen 80 Tore. Verantwortlich: das Sturm-Trio Polster-Nyilasi-Steinkogler.
1986 Wieder das Double, Rapid wird im Cup-Finale von 6:4 besiegt.
1991 Der erste Austria-Meistertitel für den Mittelfeldspieler Peter Stöger.
1992 Trainer Prohaskas zweiter Meistertitel.
1993 Die Austria wird wie schon 1978 mit Hermann Stessl Meister.
2003 Der erste Titel unter Frank Stronach. Kurios: Trainer Schachner wird trotz überlegener Tabellenführung rausgeworfen, sein Nachfolger Christoph Daum geht nach acht Monaten.
2006 Der vorletzte Streich, mit Trainer Frenkie Schinkels und Sportdirektor Peter Stöger.
Ein Ziel ist erreicht, das nächste wartet schon. „Jetzt wollen wir auch noch Cupsieger werden“, lautete die Ansage von Kapitän Manuel Ortlechner, stellvertretend für die ganze Mannschaft. „Dann wäre es eine wirklich perfekte Saison. Den Meistertitel haben wir gefeiert und diese Momente auch genossen. Jetzt geht’s wieder weiter. Das Cupfinale ist noch ein Höhepunkt in dieser Saison.“
Am Donnerstag trifft der Cup-Spezialist Austria im Happel-Stadion auf Pasching, das Rapid und Salzburg eliminiert hat. „Wir sind jedenfalls gewarnt und nehmen jeden Gegner ernst“, verspricht Trainer Peter Stöger.
Es wäre der 28. Cupsieg für die Veilchen.
Nach einer wohl verdienten Pause geht es Mitte Juni mit der Vorbereitung auf die neue Saison schon wieder los. Und dort wartet ein neues und vielleicht sogar noch interessanteres Ziel – die Champions League. Die Austria steigt als Meister in die dritte Qualifikationsrunde ein (30./31. Juli und 6./7. August) und ist gesetzt. Dennoch könnte man starke Gegner wie Celtic Glasgow, Partizan Belgrad oder BATE Borisow ziehen.
Nimmt man diese Hürde, steht man im Play-off (20./21. August und 27./28. August). Gelingt der Aufstieg, dann nimmt die Austria an der Gruppenphase der Königsklasse teil und darf sich über rund zehn Millionen Euro Einnahmen freuen.
Im Falle einen Ausscheidens im Play-off gibt es ein Trostpflaster, nämlich die Gruppenphase der Europa League, in der die Austria in der Vergangenheit Routine gesammelt hat.
Die internationale Bühne ist somit nicht weit.
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