Wiener Derby: Rote Karte für die Austria-Fans

Beide Fangruppen konnten es nicht unterlassen, Knallkörper zu zünden.
"Fans" aus dem Sektor F schossen Leuchtraketen in den Familiensektor E, wo Rapid-Anhänger saßen.

Die Austria-Fans protestierten vor dem Spiel mit einem Transparent gegen die zuletzt vom Klub verhängten Stadionverbote. Nach ihrem beschämenden Benehmen im Derby müssten viele von ihnen in Zukunft von allen Fußball-Stadien ausgeschlossen werden.

Was war passiert? Unmittelbar nach dem 2:0 für ihre Austria schossen Fans aus dem Sektor F Leuchtraketen in den Familiensektor E, wo fast ausschließlich Rapid-Anhänger saßen. Wer bei einer Führung seiner Mannschaft auf die wahnwitzige Idee kommt, mit Leuchtkörpern auf andere Menschen zu schießen, hat a) eine eigenartige Art, seiner Freude Ausdruck zu verleihen oder b) mit Fußball nicht viel am Hut und somit in einem Stadion auch nichts verloren.

Das Einschreiten der Polizei ließ in diesem heiklen Moment knapp vor der Pause viel zu lange auf sich warten, zumal Austria-Fans sogar versuchten, den anliegenden Sektor zu stürmen. Wenigstens hatte die Exekutive die Fans in der zweiten Hälfte fest im Griff.

Unabhängig davon konnten es beide Fangruppen, Rapidler wie Austrianer, nicht unterlassen, Knallkörper zu zünden. Bemerkenswert dabei, dass es bei Rapid zuletzt nach einem Böllerwurf im Spiel gegen Altach extra eine „Aktion gegen Böller“ gegeben hatte. Die Lernfähigkeit mancher Fans ist überschaubar, die Fan-Problematik bei beiden Klubs existent.

Das 311. Wiener Derby in Bildern

Das 311. Wiener Derby erzählte gleich mehrere Geschichten. Eine handelt davon, dass offensichtlich unbelehrbare Fans beinahe ein Spiel zerstören können, dass für ihre Mannschaft eigentlich ein Fußballfest sein sollte (siehe unten). Der Großteil der 28.200 Zuschauer im Happel-Stadion widmete sich lieber dem hektischen Geschehen auf dem Rasen.

Herausragend war dabei Stürmer Omer Damari, der 89 Minuten lang in Österreich selten gesehene Qualität ausspielte und mit seinen beiden Toren das Derby für die Austria entscheiden konnte (siehe unten). Dass er es gegen die Notabwehr der Hütteldorfer leichter hatte, soll nicht verschwiegen werden. Aber diese Geschichte beginnt schon mit dem umstrittenen Ausschluss von Sonnleitner in Altach.

Dass es dennoch spannend wurde, lag an der am wenigsten erwarteten Geschichte dieses Nachmittags. Beide Torhüter – ansonsten Leistungsträger ihrer Teams – patzten mit kapitalen Folgen. Zuerst Jan Novota, bis Sonntag in sechs Derbys ohne Niederlage. Dann Heinz Lindner, der sofort gestand: „Beim ersten Gegentor habe ich unglücklich agiert. Beim zweiten hätte ich viel energischer sein müssen.“

Schwacher Start

Dabei hatte das Traditionsduell schläfrig und fehlerhaft begonnen. Erst in der 23. Minute gelang eine Kombination samt abschließendem Torschuss. Leitgeb hatte Damari geschickt. Der Schuss aus spitzestem Winkel glitt Novota durch die großen Handschuhe – 1:0 für die viel kompakter als zuletzt auftretende Austria. Schließlich wachten auch die Grünen auf, vor allem der lange überragende Kainz sorgte für Gefahr. Drei Vorlagen des linken Flügels zwischen der 30. und der 34. Minute ließen den Ausgleich erahnen – doch der Abschluss passte nicht.

Effizienter waren die Gäste nach einer Hereingabe von Larsen. Wieder machte sich bemerkbar, dass neben Abwehrchef Sonnleitner auch der verletzte Maximilian Hofmann fehlte. Dibon und der gelernte Linksverteidiger Stangl verteidigten im Zentrum wieder einmal nur den Raum. Damari bedankte sich mit einer eleganten Drehung und dem Schuss zum 2:0 nach 40 Minuten.

Die Vorentscheidung schien in Minute 53 gekommen. Novota – vielleicht noch durcheinander vom Radau auf den Rängen? – nahm ohne Not einen Rückpass in seine Hände. Den fälligen indirekten Freistoß zimmerte Grünwald aus bester Position an die Innenstange.

Großes Finale

Sonst spielte nur noch Rapid. Petsos (natürlich nach Kainz-Pass) und Joker Alar (nach einem Hofmann-Freistoß) vergaben Großchancen (52., 64.). Wie es gehen kann, zeigte Austria-Joker Daniel Royer mit seinem ersten Ballkontakt. Halbvolley knallte er die Kugel zum 3:0 ins Kreuzeck nach 78 Minuten.

Noch immer gaben die Gastgeber nicht auf. Deni Alar schaltete nach einem Dibon-Pass schneller als Lindner und überhob den Goalie – 1:3 (83.). Die Austria wurde immer müder – und als Lindner in Minute 91 erneut patzte, tobte das Stadion. Robert Beric spitzelte gegen den zögerlichen Goalie den Ball zum 2:3 ins Netz.

„Wenn du so etwas fast noch aus der Hand gibst, kriegst du beinahe einen Herzinfarkt“, sagte Austria-Trainer Gerald Baumgartner. Tatsächlich hatte Starkl nach einem weiteren Lindner-Patzer das 3:3 auf dem Fuß. Aus spitzem Winkel vergab – anders als Damari – der Rapid-Joker (95.).

Immer, wenn es gegen die Grünen geht, sieht Omer Damari offensichtlich Rot. In den zwei Derbys, in denen er bisher mitwirken seit seiner Verpflichtung, hat der Austria-Stürmer nicht weniger als drei Tore erzielt, darf sich somit ab sofort Rapid-Experte nennen. Am Sonntag schoss er seine Mannschaft mit einem Doppelpack zum wichtigen Derby-Sieg im Wiener Prater.

Der 25-Jährige ist der qualitativ beste Neuzugang bei den Veilchen und mittlerweile für die krisengeschüttelte Mannschaft die nötige Torgarantie. Sieben Tore in der Liga und zwei weitere im Cup hat er schon auf seinem violetten Konto verbucht. Applaus gab es auch von seinem Vorgänger als Torjäger am Verteilerkreis. Philipp Hosiner, Legionär beim französischen Erstligisten in Rennes, sah seinen ehemaligen Kollegen zum ersten Mal in dieser Saison live auf die Beine.

Damari stellte gegen Rapid einmal mehr unter Beweis, dass er eine bewegliche zentrale Spitze ist, die nicht nur Tore erzielt, sondern sich auch Chancen selbst kreiert und darüber hinaus ins Kombinationsspiel eingebunden werden kann.

Nach dem Wechsel fand Damari zwar keine Großchance mehr vor, stellte sich aber in den Dienst des Kollektivs. Und bejubelte mit Royer ausgelassen dessen Traumtor zum 3:0.

Es war die richtige Einwechslung eines Spielers, dessen als Gewaltschuss interpretierte erste Ballberührung den Austria-Trainer vor ein paar weiteren ungemütlichen Tagen bewahrt hat. Daniel Royers 3:0 war tatsächlich nötig, um Gerald Baumgartner mit einem am Ende zwar erzitterten, aber prestigeträchtigen Derby-Sieg vorerst aus der Trainerdiskussion zu nehmen.

Wenn schon nicht unbedingt hochklassig, aber so variantenreich und unberechenbar kann der Fußball sein.

Völlig voraussehbar – und in ihren Auswüchsen leider auch völlig uneinschätzbar – ist die geistige Mittellosigkeit einiger Stadionbesucher, die ein Wiener Stadtderby immer wieder zum Festtag ihrer ausgelebten Blödheit machen. Oder die Gelegenheit bieten, selbst der kriminellen Ader freien Lauf zu lassen. Das Abschießen von Raketen und Werfen von Knallkörpern ist nichts anderes als der Versuch einer vorsätzlichen Körperverletzung.

Stadionverbote scheinen wirkungslos, das Stadion bleibt das willkommene Versteck hinter der anonymen Masse.

Nebenbei wird sukzessive ein starkes Argument für die Zehnerliga entkräftet: jenes für die vier Wiener Derbys in einer Bundesliga-Saison, auf die man angeblich nicht verzichten könne. Aber wer braucht schon vier unter erhöhtem Sicherheitsrisiko stehende und kostenintensive Spiele in einem Jahr? Eigentlich nur die Hirnlosen und die Kriminellen.

Zoran Barisic (Rapid-Trainer): "Wir haben die ersten 20 Minuten verschlafen, da waren wir nicht präsent in den Zweikämpfen und haben uns die Schneid abkaufen lassen. Dann sind wir besser ins Spiel gekommen, hatten vor dem 0:2 die Chance auf den Ausgleich. In der zweiten Hälfte haben wir alles auf eine Karte gesetzt, am Schluss ist es noch einmal spannend geworden, ich hätte mir aber gewünscht, dass uns früher das Anschlusstor gelingt. Wir haben zum ungünstigsten Zeitpunkt die Tore bekommen."

Zum 0:1: "Jan (Novota) hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er ein sehr guter Tormann ist und hat uns schon viele Spiele gerettet, so ein Fehler kann passieren."

Gerald Baumgartner (Austria-Trainer): "Wir hatten einen guten Matchplan und eine gute Taktik, waren kompakt und haben drei schöne Tore geschossen. Zum Schluss ist es noch einmal spannend geworden, auch weil wir bei den Gegentoren nicht gut verteidigt haben. Wenn man ein Spiel in der 78. Minute eigentlich gewonnen hat, und dann fast noch aus der Hand gibt, bekommt man fast einen Herzinfarkt. Der Schlüssel zum Erfolg war, dass wir etwas tiefer gestanden sind und auf Konter ausgerichtet waren."

Omer Damari (Austria-Doppel-Torschütze): "Bei meinem ersten Tor habe ich niemand im Zentrum gesehen, deswegen habe ich es einfach probiert. Wir haben vor allem in der ersten Hälfte eine sehr gute Leistung geboten, jetzt müssen wir schauen, dass unsere Schwankungen aufhören."

Jan Novota (Rapid-Tormann): "Das erste Tor war mein Fehler. Ich habe zwar mit einem Schuss gerechnet, aber der Ball ist mir durch die Finger gerutscht, dadurch habe ich der Mannschaft geschadet."

SK Rapid Wien - FK Austria Wien 2:3 (0:2)

Wien, Happel-Stadion, 28.200 (richtig), SR Harkam.


Torfolge: 0:1 (23.) Damari
0:2 (40.) Damari
0:3 (78.) Royer
1:3 (83.) Alar
2:3 (92.) Beric

Rapid: Novota - Pavelic, Dibon, Stangl, Schrammel - Petsos, Wydra (46. Alar) - Schaub (72. Schobesberger), S. Hofmann, F. Kainz (85. Starkl) - Beric

Austria: Lindner - Larsen (77. F. Koch), Sikov, Rotpuller, T. Salamon - M. Leitgeb, Holland - Gorgon, A. Grünwald, Meilinger (77. Royer) - Damari (86. Serbest)

Gelbe Karten: Petsos, Alar, Dibon bzw. T. Salamon, Larsen, Rotpuller, Sikov

Tabelle

Kommentare