Zwischen Hütteldorf und Favoriten muss man einen neutralen Ort wählen. In diesem konkreten Fall den 2. Wiener Bezirk im Prater. Gleich links von der Schank befindet sich im Schweizerhaus der Bereich "Leopoldstadt".
Auffallend harmonisch und respektvoll verläuft der verbale Doppelpass zwischen Rapid-Trainer Zoran Barisic und Austria-Coach Michael Wimmervor dem 339. Wiener Derby am Sonntag (17 Uhr) in Hütteldorf. Ungewöhnlich dafür die Rechnung. Kellner Heinz schüttelt belustigt den Kopf: "Eine Rechnung ohne ein einziges Bier hab’ ich schon lange nicht gesehen."
KURIER: Rapid will endlich ein Heim-Derby im Allianz Stadion gewinnen. Was spricht für Rapid?
Zoran Barisic: Die Frage ist für eine Antwort zu kompliziert. Gegenfrage: Was soll gegen uns sprechen? Die Bilanz?
Ist die Serie mit zehn Heimderbys ohne Sieg ein Thema für den Kopf der Spieler?
Barisic: Wir werden die Köpfe sauber machen. Diese Bilanz wird natürlich nicht im Kopf der Spieler drinnen sein.
Wimmer: Auch bei uns sollte die Statistik raus aus den Köpfen. Es wäre Quatsch, sich zurückzulehnen, weil wir dort nie verloren haben. Es geht nur um das eine Spiel.
Nachdem erst ein Monat vergangen ist: Sind noch Lehren aus dem 2:0 der Austria im jüngsten Derby zu ziehen?
Barisic: Die Austria ist besser reingestartet, weil sie griffiger war, mehr Zweikämpfe gewonnen hat. Außerdem haben wir zu Toren eingeladen. Eine Spitzenmannschaft zeichnet aus, dass sie in Phasen, in denen der Gegner gerade besser ist, kein Tor bekommt. Das ist uns im letzten Derby nicht gelungen.
Wimmer: Ich muss nicht mehr antworten, weil der Kollege alles Wichtige gesagt hat (lacht). Aber auch bei uns war nicht alles top. Direkt vor dem 2:0 hatte Rapid eine riesige Chance auf das 1:1. Dann wäre alles anders gelaufen.
Wie wichtig ist es für die Rivalen, dass beide in der Meistergruppe stehen?
Barisic: Das ist nicht nur für Rapid und die Austria wichtig, sondern für das gesamte Fußball-Österreich. Beim Derby sind die Stadien voll, bei der Berichterstattung ist am meisten los, und es ist nach wie vor das Spiel, das in Österreich das größte Interesse hervorruft.
Welchen Eindruck haben Sie voneinander?
Barisic: Sag’ jetzt nix Falsches! (lacht)
Wimmer: Ich wusste vor dem ersten Derby nicht recht: Wie sollen wir miteinander umgehen? Es wird ja über das Verhältnis der Vereine viel geredet. Aber es war dann sofort offen und sympathisch – das merke ich jetzt auch. Zoki wirkt super in Ordnung.
Barisic: Das kann ich nur zurückgeben. Michael ist in einer ganz schwierigen Situation zu einem fremden Verein in einem fremden Land gekommen und hat das super gemeistert. Er wirkt auch durch seine bescheidene Art sehr sympathisch. Ich glaube, dass Michael über eine hohe soziale Kompetenz verfügt.
Könnten Sie ihm als Reiseleiter Tipps für Wien geben?
Barisic: In diesem Getriebe eines Trainers kommst du nicht dazu. Du denkst: Super, eine wunderschöne Stadt, perfekt zum Leben – nur ist am Anfang kaum Zeit dazu.
Herr Wimmer, Sie leben getrennt von Ihrer Familie. Hat das ausschließlich Nachteile oder sind Sie nach einem langen Arbeitstag manchmal froh, dass Sie das zu Hause nicht erklären müssen?
Wimmer: Ich kenne es nicht anders. Mein kleiner Sohn geht zur Schule, wir wollen ihn nicht rausreißen. Deswegen war ich auch in Augsburg und Stuttgart allein. Ich höre von Kollegen, die ihre Frau mitgenommen haben, schon, dass es mit Abendterminen ungut sein kann. Besonders, weil du für die Partnerin, die kaum einen kennt, da sein willst. Ich kann dafür sehr schöne Zeiten erleben.
Wann?
Wimmer: Wenn, wie in den Osterferien, die Familie anreist und nicht mehr über Fußball gesprochen wird.
Barisic: Bei mir war es in Slowenien und der Türkei auch so. Du musst als Trainer wissen, dass du dich für einen Beruf mit hoher Fluktuation entscheidest. Wir können in wenigen Wochen weg sein.
Wie gehen Sie mit diesem Kampf um den Job um?
Wimmer: Wichtig ist, dass du weißt, dass es nur wenige Ausnahmen wie Christian Streich in Freiburg gibt. Deswegen verstelle ich mich nie. Wenn ich gehen muss, möcht’ ich in den Spiegel schauen können und sagen: Jetzt ist es vorbei, aber ich bin immer noch Michael Wimmer.
Wie schalten Sie ab?
Barisic: Ich habe kein Ritual dafür. Am besten gelingt es, wenn ich mit der Familie oder mit Menschen, die ich mag, zusammen bin. Das Wichtigste ist, dass ich mich jeden Tag auf die Arbeit und meine Kollegen freue. Wo ich mehr für mich machen könnte, wäre regelmäßiger Sport.
Das Liga-Format mit der Punkteteilung bedeutet mehr Spannung, für die Trainer aber noch mehr Stress.
Wimmer: Ich kannte das Format ja nicht, ich bin nach der 16. Runde eingestiegen. Und für uns gab es nur Endspiele. Ich weiß immer noch nicht, was ich von der Punkteteilung halten soll. Fragen Sie mich nach der Saison.
Barisic: Es mag spannend sein, wenn es enger zugeht. Du hast nur Endspiele, dann werden die Karten neu gemischt. Die Punkteteilung im unteren Play-off finde ich sogar gefährlich. Es geht um mehr als um Fußball, es geht um Existenzen. Da gibt’s Tiefschläge, von denen du dich fast nicht erholen kannst. Daher befürworte ich das Format nicht.
Kann man als Trainer ein Derby so richtig genießen?
Barisic: Der Kollege hat das letzte Derby sicher genossen nach Schlusspfiff. Aber auch ich hatte solche Derbys. Wo gewisse Dinge aufgegangen sind, wo du das Gefühl hast, dass heute nix passiert. Diesmal wird es ein enges Spiel.
Wimmer: Ich stehe immer unter Strom während des Spiels. Diese Woche hat man gemerkt, wie wichtig das Derby ist. Beim 2:0 ging ja aufgrund der Konstellation nicht noch mehr Druck. Ich konnte es erst am nächsten Tag daheim so richtig genießen.
Beim letzten Derby hat es rundherum Ausschreitungen gegeben. Müssen die Trainer an die Vernunft appellieren, weil sonst ein Verbot der Auswärts-Fans droht?
Barisic: Das gibt es ja in einigen Ländern. Bei uns sollte das nicht passieren. Ein Stadion ist kein rechtsfreier Raum. Man kann auch nicht in der Innenstadt spazieren gehen und Böller werfen oder Raketen in Richtung Menschen abfeuern. Dafür wird man bestraft. Ein Derby soll ein Fußballfest sein. Es ist nur Fußball, kein Krieg.
Wimmer: Ich sehe es genauso, Derbys sind besondere Spiele, Fußballfeste. Alles andere gehört nicht dazu.
Wien wurde oft zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt.
Barisic: Zu Recht!
Haben Sie schon etwas davon miterlebt?
Wimmer: Würde meine Frau jetzt hier sitzen, dann würde sie sofort „Ja“ schreien. Sie hat schon mehr davon gesehen als ich. Aber Wien ist wunderschön und es wäre schön, wenn wir hier länger bleiben können.
Könnten Sie schon alle Bezirke aufzählen?
Wimmer: Na ja. Favoriten kenne ich natürlich und Alsergrund, weil ich dort wohne.
Barisic: Und ich weiß, dass der 24. Bezirk Mödling heißt.
Verstehen Sie als Deutscher schon den Wiener Schmäh?
Wimmer: Als Bayer verstehe ich einiges. Ich kenne auch Peter Pacult, den hatte ich in München kurz als Trainer. Da musst du den Schmäh lernen.
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