Wer soll Weltfußballer des Jahres werden?

Die Qual der Wahl: Ronaldo, Messi oder Van Dijk?
Ronaldo, Messi oder Van Dijk - Montagabend fällt die Entscheidung. Auch die KURIER-Sportredaktion ist unentschlossen.

Der Rahmen passt schon einmal perfekt. In der Mailänder Scala werden Montagabend (20.30 Uhr) neben neun weiteren Ehrungen die Weltfußballer des Jahres gekürt. Großes Drama ist garantiert im berühmten Opernhaus, denn zumindest ein Superstar wird leer ausgehen. Für Cristiano Ronaldo und Lionel Messi wäre es die jeweils sechste Auszeichnung, als Favorit gilt aber dennoch der dritte im Bunde: Virgil van Dijk von Champions-League-Sieger FC Liverpool. Ein Verteidiger, ausgerechnet, meinen Anhänger des schönen (Offensiv)-spiels.

Tatsächlich spaltet die Wahl seit Jahren die Fan- und Expertengemeinde. Auch in der KURIER-Sportredaktion lässt sich darüber vorzüglich debattieren. Für jeden der drei Ausnahmefußballer gibt es gute Argumente, wie Sie nachfolgend lesen können:

  • PRO Lionel Messi

Die spanische Meisterschaft zu gewinnen, ist nicht schlecht. Mit zwölf Treffern überlegener Torjäger der Champions-League-Saison zu werden, kann sich ebenfalls sehen lassen. Okay, Lionel Messi ist mit dem FC Barcelona im Semifinale ausgeschieden. Nach dem 3:0 im Hinspiel titelte die deutsche Zeit: „Liverpool scheitert an Messi.“Die Engländer gewannen das Rückspiel 4:0 und später noch das Finale.

Möchte man Messi die vier Gegentreffer anrechnen? Barcelona war auch im spanischen Cupfinale, hat aber 1:2 gegen Valencia verloren. Und Messi – er hat seine Pflicht mit dem Tor erfüllt. 36 Tore und 36 Vorlagen – Messi hat sich im Sommer zum dritten Mal in Folge den goldenen Schuh für den besten Torjäger Europas übergezogen.

Messi hat wie in den Jahren davor seine Kür erledigt, die darin besteht, Tore zu erzielen, Treffer aufzulegen, Torchancen zu kreieren. Aber Argentinien (Dritter bei der Copa America) und der FC Barcelona (Semifinal-Aus in der Champions League) haben die großen Titel verpasst – aufgrund defensiver Unzulänglichkeiten.

Warum soll Messi büßen?

Aber ist das ein wirklich triftiger Grund, einen Abwehrspieler zum besten Fußballer der Welt zu küren. Messi ist noch immer der beste Angreifer der Welt, er hat letztes Jahr wieder einmal abgeliefert. Nun soll er dafür büßen, dass manche seiner Teamkollegen nicht immer auf der Höhe der Schaffenskraft waren?

Es ist kein gutes Zeichen, wenn eine Auszeichnung nur nach Titeln vergeben wird. Diese mögen ein Indiz sein, dass ein guter Spieler zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Messi aber hat seine Leistung erbracht in einer Zeit, in der es beim FC Barcelona und im argentinischen Team nicht immer optimal gelaufen ist.

Günther Pavlovics

Er hat in einer Saison schon mehr Trophäen (italienische Meisterschaft) gewonnen als 2018/2019, und auch schon mehr Tore erzielt (28), aber die Leistung von Cristiano Ronaldo lässt sich in der abgelaufenen Saison ausnahmsweise nicht aus den nackten Statistiken herauslesen. Im hohen Fußballeralter hat der 34-jährige Portugiese noch einmal ein neues Abenteuer gewagt - unabhängig von den Beweggründen (Stichwort: Steuerflucht).

Bei Juventus Turin fand der Stürmer zwar ein komplett intaktes Umfeld vor, aber gleichzeitig eben auch eine funktionierende Spitzenmannschaft, der man erst einmal den Stempel aufdrücken muss. Ronaldo gelang dies auffällig unauffällig. Nach Stationen bei Manchester United, Real Madrid fasziniert er nun in der dritten Topliga Europas. Und er hat es dabei erneut geschafft, sein Spiel an die Gegebenheiten einer neuen Liga anzupassen.

Dass Ronaldo zum sechsten Mal die Kür zum Weltfußballer verdient, liegt auch in der Natur der Auszeichnung. Gesucht wird nicht der erfolgreichste Kicker des Planeten, sondern der aufsehenerregendste. Und in der Kategorie kommt dem portugiesischen Nationalhelden niemand nahe. Die moderne Fußballwelt mag manchmal obszön und weltfremd wirken, Cristiano Ronaldo ist ein Produkt dieser Welt - und zwar ein ziemlich perfektes.

Philipp Albrechtsberger

  • PRO Virgil van Dijk

Wenn sich ein Fußballer in jungen Jahren dafür entscheidet, lieber Tore verhindern zu wollen, als sie selbst zu schießen, dann tut er das im Wissen, dass nur wenig Rampenlicht auf ihn abfallen wird. Die Publikumslieblinge, Matchwinner und Spieler, über die man spricht, sind meist andere. Schlagzeilen und Aufmerksamkeit sind einem Verteidiger oft nur dann vergönnt, wenn er eine Rote Karte sieht, einen Elfmeter verursacht oder ein Eigentor erzielt. Es ist kein Zufall, dass in der langen Geschichte der Weltfußballerwahl erst einmal ein Verteidiger (Fabio Cannavaro 2006) die Nummer eins war.

Nicht nur deshalb wäre es höchst an der Zeit, endlich wieder einmal die Verdienste eines Helden aus der hinteren Reihe zu würdigen. Aus der Abwehrreihe. Als der  FC Liverpool vor eineinhalb Jahren 84 Millionen Euro für Virgil van Dijk ausgab, waren die Klubverantwortlichen belächelt worden. Wie könne man bloß so viel Geld in einen Verteidiger stecken? Vielleicht weil der Niederländer jeden einzelnen Cent wert ist.

Van Dijk war genau das Puzzleteil, das Jürgen Klopp noch gefehlt hatte. Dass der FC Liverpool heuer die Champions League gewinnen konnte, ist auch der Verdienst des Abwehrchefs. Mag ja alles stimmen, dass Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi im Spiel für spektakulärere Momente und die großen Hingucker sorgen, aber wenn es um das Prädikat wertvoll geht, dann hat Virgil van Dijk die Nase klar vorne.

Christoph Geiler

Kommentare