Triumph von West Ham: Ablenkung von der Tristesse

Einheit: Said Benrahma feiert mit den Fans der Hammers
Der Klub aus dem sozial benachteiligten Osten Londons schwebt nach dem Conference-League-Titel auf Wolke sieben.

58 Jahre – so lange mussten die West-Ham-Fans auf diesen Moment warten. In Prag bestieg ihr Klub endlich wieder einen europäischen Thron. 1965 hatten die Londoner im Finale des Cup der Cupsieger im Wembley 1860 München 2:0 geschlagen, Mittwoch wurde im Endspiel der Conference League Fiorentina 2:1 besiegt.

Nach dem Abpfiff wurde das kleine Stadion Eden zu einem Tollhaus. Das Team rund um Kapitän Declan Rice stimmte mit den Fans die Klubhymne an: „I’m Forever Blowing Bubbles“, in dem die Sehnsucht nach Glück und Erfolg besungen wird, die dem 1885 gegründeten Traditionsverein so oft verwehrt blieben. In Prag war das Glück aber West Ham hold. Fiorentina war das bessere Team gewesen, bis Jarrod Bowen in der 90. Minute zum Sieg traf. „Ich habe immer davon geträumt, in einem Finale ein Tor in letzter Minute zu erzielen. Dass mir das vor diesen tollen Fans gelungen ist, ist unglaublich“, sagte er.

Auf ihre Anhänger konnten die Hammers immer bauen. Obwohl es diese Saison lange gegen den Abstieg ging, kamen stets mehr als 62.000 Fans zu den Heimspielen. Nur Manchester United hat in der Premier League einen höheren Zuschauerzuspruch als West Ham im mondänen London Stadium, das gar nicht zum Klub und seinen Fans passt.

Den West Ham ist im East End, also im Londoner Osten beheimatet, wo nichts vom Glanz der Weltmetropole zu spüren ist, sondern Tristesse das Leben prägt. Fußball ist Ablenkung, die West-Ham-Spieler werden wie Helden verehrt.

Mythos Bobby Moore

Der Größte ist einer, der schon vor 30 Jahren verstorben ist: Bobby Moore, jener legendäre Kapitän, der West Ham 1965 zum ersten Europacup-Sieg und England ein Jahr später zum einzigen WM-Titel führte. Dass mit Geoff Hurst und Martin Peters zwei weitere West-Ham-Spieler Weltmeister wurden, sorgt heute noch dafür, dass der Klub in ganz England hohe Beliebtheitswerte hat.

Das Trio kam, wie viele andere (Rio Ferdinand, Frank Lampard), aus der West-Ham-Nachwuchsschule, die der Verein stolz „The Academy of Football“ nennt. Für einen, der mit 14 in die Akademie gekommen ist, war das Finale das letzte Spiel für West Ham: Declan Rice. Klubboss David Sullivan bestätigte den Abgang seines Kapitäns. Rund 100 Millionen Euro soll der 24-Jährige einbringen. Die Bayern sind interessiert, Rice selbst soll aber zu Arsenal tendieren. Es wäre ein Wechsel in den Norden Londons.

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