Teamchef Thalhammer: „Ich muss sensibler sein“

Fingerzeig: Trainer Dominik Thalhammer will Österreichs Frauenteam erstmals zur EM führen
Der ÖFB-Trainer im Interview über Erfolge und Unterschiede im Frauenfußball.

Als Willi Ruttensteiner zu Weihnachten 2010 anrief, lernte Dominik Thalhammer gerade „Bürgerliches Recht“, um mit der letzten Prüfung sein Jus-Studium abschließen zu können. Der heute 44-jährige Thalhammer wurde vom ÖFB-Sportdirektor als Entwicklungshelfer und Teamchef für das Frauen-Nationalteam verpflichtet. Heute kann gegen Wales in der NV-Arena (18.30 Uhr/live ORF Sport+) ein großer Schritt zur erstmaligen Teilnahme an einer EM-Endrunde geschafft werden.

Dass in St. Pölten gespielt wird, ist kein Zufall. Gleich neben der SKN-Heimstätte steht das moderne Zentrum für Frauenfußball, in dem seit 2011 Teamspielerinnen wie Nicole Billa (mittlerweile Hoffenheim) geformt werden. „Gegen Wales laufen schon drei in St. Pölten ausgebildete Spielerinnen ein. Mit nur 12.000 gemeldeten Fußballerinnen im Land müssen wir in der Breite aber noch zulegen“, sagt Thalhammer, der 2004 bei der Admira mit nur 33 zum jüngsten Bundesliga-Trainer aufgestiegen war.

Während bei den Herren nicht alles rund lief, hat der in Linz lebende Familienvater bei den Frauen ein talentiertes und taktisch starkes Nationalteam aufgebaut. Nur das „Bürgerliche Recht“ muss immer noch warten.

KURIER: Gibt es gegen Wales heute schon ein entscheidendes Spiel auf dem Weg zur EM?

Dominik Thalhammer: Es ist ein Schlüsselspiel. Schwieriger war aber das schließlich 2:0 gewonnene Spiel in Kasachstan, weil dort vergebene Punkte nie wieder zurückzuholen gewesen wären.

Österreich steht für ein scharfes Pressing. Wie viele Teams spielen international so?

Nicht sehr viele. Ich habe das bei meinen WM-Beobachtungen kaum in unserer Form gesehen. Es geht darum, dass wirklich alle im Sprint mitmachen und dann auch solche Details wie das richtige Anlaufen der Gegnerinnen beherrschen.

Ist ähnlich wie beim Team der Herren der hohe Anteil der Deutschland-Legionäre ein Erfolgsgeheimnis?

Ja, das ist vergleichbar – sie werden in der stärksten Liga der Welt gefordert. Es ist aber auch ein zweischneidiges Schwert, weil etwa unsere Mädels bei den Bayern kaum Einsatzzeiten bekommen.

Sind Sie per Du oder per Sie mit den Spielerinnen?

Mit den älteren per Du, mit den jüngeren per Sie.

Sie haben abseits des Trainings wenig privaten Kontakt mit den Spielerinnen. Ist das Absicht?

An sich ist das meine generelle Art. Bei Mädchen gibt es aber noch mehr Grund, da sensibler zu sein. Wir haben eine Fehlerkultur entwickelt. Alle wissen, dass Fehler auf und abseits des Rasens dazugehören. Wir pflegen einen offenen, ehrlichen, respektvollen Umgang – aber mit Distanz.

Können Sie den größten Unterschied im Coaching zwischen Männern und Frauen erklären?

Es gibt definitiv welche. Ich muss sensibler im Umgang und in der Wortwahl sein. Was die Mädels ganz genau beobachten, ist die durchgängige Gleichbehandlung. Und ganz wichtig war für uns das Entwickeln von Rivalität und Siegermentalität. Wettkämpfe im Training, bei denen es bei Burschen drunter und drüber geht, würden sonst bei den Mädels meistens unentschieden enden. Dieser Kampf muss geschürt werden.

Sie waren mit nur 33 Jahren bei der Admira der jüngste Bundesligatrainer. Wie haben Sie sich abseits der gewonnenen Erfahrung seither verändert?

Sehr. Ich würde vermutlich diese Chance von damals wieder wahrnehmen, auch wenn es noch sehr früh war. Was ich gelernt habe: Es geht gar nicht so darum, ob das Training perfekt geplant ist, sondern um Kommunikation. Die soziale Ebene des Berufes hab’ ich unterschätzt.

Welches Angebot könnte Sie vom Frauenteam weglotsen?

Ich hab schon noch Ziele. Aber jetzt zählt nur, dass wir 2017 erstmals bei einer EM dabei sein werden.

Teamchef Koller sieht keine Grenzen für sein Team. Wie ist das bei bei den Frauen?

Es sind noch viele Schritte bis zur EM. Für das Turnier würde ich dann aber auch keine Grenzen ausgeben.

Rutschen Ihnen noch im Fußball übliche Wörter wie „Mannschaft“ oder „Tormann“ raus?

Ich hatte lange Probleme und hab’ mich mittlerweile umgestellt. Die Frauen sagen aber selbst „Hintermann“ oder „Manndeckung“ – das bleibt offensichtlich im Fußball einfach so. „Hinterfrau“ würde keine Spielerin sagen.

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