Ramazan Özcan: "Diesmal bin ich im Tunnel drinnen"

Torhüter mit viel Bodenhaftung: Ramazan Özcan
Der Ingolstadt-Goalie absolviert in Frankreich seine zweite EM – vielleicht als Nummer 1?

Beim Klub ist er die Nummer 1, beim Nationalteam die Nummer 2. Dennoch darf sich Ramazan Özcan, der am Dienstag beim 1:1 seiner Ingolstädter gegen Peter Stögers Kölner ins Tor des Aufsteigers zurückkehrte, nach der Verletzung von Robert Almer Chancen ausrechnen, bei der EURO in Frankreich im Juni das österreichische Tor zu hüten. Der 31-Jährige selbst redet darüber aber nur ungern.

Sie sind bei Ingolstadt eine Fixgröße. Grund genug für Sie, rundum zufrieden zu sein?
Ramazan Özcan: Mir geht es gut. Über meine Leistungen rede ich öffentlich nie. Die harte Arbeit der letzten Wochen, Monate, Jahre hat sich bezahlt gemacht.

Was treibt Sie denn an über all die Jahre?
Jeder Sportler muss sich Ziele setzen und eine Entwicklung durchmachen. Wichtig ist dabei, dass man den Glauben an sich selbst nicht verliert. Ich möchte täglich besser werden. Das treibt mich an. Aber im Fußball darf man nicht zu weit nach vorne blicken.

Ende März sind zwei Länderspiele. Robert Almer, in der Qualifikation die Nummer 1, ist noch nicht voll fit. Werden Sie Österreichs Tor hüten?
Ganz ehrlich, ich will nicht spekulieren. Bis dahin ist noch Zeit. Es war für mich immer schön, im Team zu stehen. Zunächst bist du ein Mal dabei, dann ein zweites, drittes Mal. Und irgendwann ist man eine fixe Größe.

Aber so weit sind die Spiele gegen Albanien und die Türkei nicht mehr entfernt.
Aber in der Zwischenzeit gilt es, mit meinem Verein Ingolstadt zu punkten. Natürlich freut es mich, dass wir gegen die Türkei spielen. Das ist für mich etwas Besonderes. Ich habe noch nie gegen die Türkei gespielt, schön, dass ich das erleben darf.

Wenn Ihnen jemand vor zehn Jahren solch eine Karriere prophezeit hätte ...
Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich demjenigen geglaubt hätte. Vor zehn Jahren bin ich von Austria Lustenau zu Red Bull Salzburg gegangen, das war mein erster Schritt in eine größere Fußball-Welt.

2008 waren Sie die Nummer 3 im EURO-Kader. Acht Jahre später sind Sie wieder mit von der Partie. Was löst das in Ihnen an Emotionen aus?
Ich glaube, dass ich für alle sprechen kann: Ich bin absolut stolz darauf. Wir sind bei den besten Nationen Europas, da kann sich jeder Österreicher geehrt fühlen, ganz gleich, ob er mit Fußball etwas zu tun hat oder auch nicht.

Acht Jahre sind eine ganz nette Zeitspanne.
Ja, ich bin lange dabei. Ich bin Realist, die biologische Uhr bleibt einerseits nicht stehen, das Alter macht mir aber andererseits auch nichts aus. Ich bin fit und schaue auf meine Gesundheit. Viele setzen den Fußball in ihrem Leben so dermaßen hoch an, dass daneben nicht viel mehr übrig bleibt. Fußball ist immer noch ein Spiel. Wenn man sich in der Welt umblickt, dann gibt es viel schlimmere Dinge, als einmal nicht zu spielen.

Das heißt, man muss als Fußballer einige Dinge relativ sehen?
Ja, ab und zu schadet das nicht. Nicht umsonst gibt es die Redensart: In der Ruhe liegt die Kraft.

2008 rückten Sie für den erkrankten Helge Payer noch in den EM-Kader.
Ich schätze den Helge sehr und habe auch mit ihm damals einige Male gesprochen. Seine Erkrankung war ein Wermutstropfen. Es war irgendwie ein Schatten dabei für mich.

Konnten Sie das Turnier 2008 als Dreier-Goalie nicht umso mehr genießen?
Meine Chance zu spielen war damals fast null. Jürgen Macho und Alex Manninger hatten einen Zweikampf um die Nummer 1, beide sind für mich Tormann-Freunde. Beide hatten viel Erfahrung aus der Serie A oder der Premier League, da habe ich viel gelernt. Ich konnte das Turnier sicher mehr genießen als die beiden, weil ich nicht so im Tunnel drinnen war wie sie, die voll fokussiert waren. Ich meine das nicht böse, wenn ich sage, dass die Nummer 3 die Sache ein wenig aus der Ferne betrachten kann. Wobei ich im Training alles gegeben habe, um für den Fall der Fälle bereit zu sein. Aber es hätte schon sehr viel geschehen müssen, dass ich damals zum Zug gekommen wäre.


2016 ist anders. Sie könnten von der Nummer 2 zur Nummer 1 werden.
Das ist reine Spekulation. Ich freue mich, wenn ich dabei sein darf und gesund bin. Das ist ein großes Privileg. Ich wünsche dem Robert Almer eine flotte Genesung. Wer spielt, entscheidet ganz allein der Teamchef. Meine Einstellung ist seit jeher: Ich möchte mein Bestes geben und mich im sportlichen Wettkampf pushen. Daher hoffe ich, dass Robert voll fit wird.

Ihre EURO-Perspektive ist aber heute eine andere als 2008?
Ja klar, jetzt bin ich in einer anderen Situation als damals. Diesmal bin ich im Tunnel drinnen, so wie damals Jürgen und Alex. Daher sieht man das alles anders. Aber nicht, was die Leistung betrifft. Auch 2008 bin ich an die Grenzen gegangen.

Geht mit der EURO ein Traum für Sie in Erfüllung?
Sicher. Aber das Turnier in Frankreich ist noch sehr weit weg. Ich möchte zunächst mit Ingolstadt den Klassenerhalt schaffen und dann mit Österreich eine geile EM spielen.

Was wäre denn eine geile EM Ihrer Meinung nach?
Wenn wir so spielen, dass wir nach jedem Spiel alle stolz sein können.

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