Rangnicks Assistent Kornetka: "Das ist eine intellektuelle Mannschaft"
Wenn Österreichs Team spielt, sitzt Lars Kornetka neben dem Teamchef. So war es auch am Freitag beim 3:1-Sieg in Berlin gegen Polen. Der 46-jährige Deutsche ist vor zwei Jahren mit Ralf Rangnick zum ÖFB gekommen.
Seine erste Berührung mit Österreich liegt jedoch viel länger zurück und ist nicht außergewöhnlich. „Ich bin zum Skifahren gekommen und habe mich in die Berge verliebt.“ Weit ungewöhnlicher als Kornetkas Talfahrten in den Bergen ist sein beruflicher Aufstieg.
Kornetka wächst im Westen Deutschlands auf, im Dreiländereck in der Nähe von Aachen. Er kickt aus Leidenschaft bis zur sechsten Liga und studiert Sport in Köln mit dem Schwerpunkt Journalismus. Beim Fernsehen startet er ins Berufsleben – als freier Mitarbeiter beim WDR, bis im Jahr 2006 ein Anruf aus Hoffenheim ertönt.
Der Drittliga-Klub von IT-Milliardär Dietmar Hopp will sich analytischer aufstellen. Bei einem Gespräch mit den Verantwortlichen sagt Kornetka: „Ich kann schneiden, Aufnahmen liefern, ein Archiv anlegen, aber vom Profifußball, wie ihr ihn spielt, habe ich keine Ahnung.“
Umso besser, denkt sich offenbar der Trainer – es ist Ralf Rangnick. „Der Vorteil an dir war: Deine Festplatte war leer. Du hattest keine Idee von Fußball von irgendjemand anderem gelernt, und wir konnten deine Festplatte mit unserer Idee komplett bespielen“, sollte Rangnick später zu ihm sagen.
Nach dem Aufstieg in die 2. Liga schmeißt Kornetka seinen Job beim WDR und ist ab sofort der erste Videoanalyst im deutschen Fußball. Hoffenheim schafft den Durchmarsch in die Bundesliga und überwintert als Erster – vor den Bayern.
„Da fingen viele an zu fragen, was wir anders machen als die anderen“, erinnert sich Kornetka. Die Antwort? „Es hat sich herumgesprochen, dass wir viel mit Analysen machen, den Spielern auch Videos mit nach Hause geben und sogar in der Halbzeit Szenen in der Kabine einspielen.“
Pionierarbeit
Abstürzende Laptops aufgrund großer Datenmengen sind anfangs keine Seltenheit. „Kinderkrankheiten“, die es längst nicht mehr gibt. Auch der Widerstand in der Szene ist gebrochen. „Es gab Alteingesessene, die gemeint haben, dass es das früher auch nicht gebraucht hätte. Dann hat Mehmet Scholl den Begriff ,Laptoptrainer‘ geboren, und heute stehen viele, die das einst verunglimpft haben, selbst vor der Kamera und erklären Szenen.“
Auch das Verhalten der Spieler habe sich gewandelt. „Zu Beginn haben sich einige ältere Semester bei Videobesprechungen ertappt gefühlt.“ Heute sei es normal, dass Spieler von selbst die Trainer um einzelne Videosequenzen bitten.
Ein Wandel, den Kornetka live miterlebt. Nicht nur bei Hoffenheim. Sein Weg führt über Schalke, Bayern, Leverkusen, Leipzig und PSV Eindhoven. Er assistiert Trainern wie Huub Stevens, Roger Schmidt, Pep Guardiola, Erik ten Hag oder Julian Nagelsmann. Was sie alle auszeichnet? „Ich glaube, dass die richtig guten Trainer auch richtig gute Menschen sind, die Persönlichkeit haben und nicht nur den Fußball lieben, sondern auch die Menschen. Sonst wird’s schwer, auf Dauer erfolgreich zu sein.“
Eine Firma mit Rangnick
Kornetka absolviert diverse Trainerausbildungen und wird vom Videoanalysten zum Co-Trainer. Für Ralf Rangnick ist er längst mehr als das. Die beiden sind eng miteinander vertraut und gründen im Jahr 2021 gar ein Unternehmen. Die „Rangnick Kornetka Consulting GmbH“ begleitet Vereine und Trainer bei ihrer Entwicklung. Bis zum Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist Lok Moskau ein erster Kunde.
In diese Zeit fällt nach der Trennung von Franco Foda die Teamchefsuche in Österreich. Während Ralf Rangnick in Manchester mit Sonderwünschen von Cristiano Ronaldo beschäftigt ist, studiert Lars Kornetka den Kader des ÖFB-Teams. „Ich hab’ gesehen, dass ich mit 70 Prozent schon gearbeitet habe oder sie aus Deutschland kenne. Ich war sofort begeistert von der Idee.“
Nachdem er nun alle Spieler persönlich kennt, ist er es umso mehr. „Das ist eine sehr schlaue, intellektuelle Mannschaft.“ Aber auch eine, die mutiger sein könnte. „Wenn du mit den Spielern sprichst, hast du manchmal das Gefühl, dass sie sich nicht ganz trauen, an große Ziele zu denken. Vielleicht auch, weil es immer schon so war“, grübelt Kornetka.
Am Mindset wird im ÖFB-Team ebenso gefeilt wie an taktischen Details. „Wir wollen uns etwas trauen, und so ist auch unsere Spielweise angelegt. Außergewöhnliches erreichen können wir nur, wenn wir außergewöhnlich spielen.“ Der erste Schritt ist bei dieser EM jedenfalls getan mit dem Sieg gegen Polen.
Welche Ziele Kornetka selbst verfolgt? „Mein Traum ist es, mit diesem Team nicht nur eine Europameisterschaft, sondern auch eine Weltmeisterschaft zu erreichen und so zu gestalten, dass man dort etwas gewinnt.“ Der Glaube versetzt bekanntlich Berge. Und auf denen fühlt sich Rangnicks Assistent längst wohl.
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