Sprachbarriere in der Ukraine

Sprachbarriere in der Ukraine
Fahrtenbuch: Kiews Bevölkerung muss sehr geduldig sein mit Menschen, die einfach nix verstehen.

Ein Knopfdruck. Ziel ist der 20. Stock. Direkt, wenn möglich.

Etage 12. Ein Zwischenstopp, wie das Amen im Gebet. Die Tür geht auf. Eine ältere Frau in Warteposition. Blicke werden ausgetauscht. Ein genervter hier, ein ungeduldiger dort. Ihr Gesichtsausdruck lässt jedenfalls vermuten, man selbst sei soeben mit Schwefelgestank behaftet aus der Hölle hochgefahren. Sie rümpft die Nase und fragt: "Grwaschitisch djakov blalala?" Oder so ähnlich. Die Antwort ist so kurz wie vertrottelt: "Good morning." Der Mann im Fond der Liftkabine mischt sich ein. "Der fährt rauf", dürfte er wohl erklären. Denn die Frau mit Abwärtstrend steigt nicht zu.

Wieder einmal gescheitert. An den einfachsten Dingen des Lebens. Kein Russisch, schon gar kein Ukrainisch befindet sich im Repertoire. Man glaubt den Unterschied zwar zu erkennen, an der Hilflosigkeit ändert dies jedoch nichts.

Der Fall in die eigene Bildungslücke ist tief. Wie eine unüberwindbare Mauer baut sich die Sprachbarriere in der Ukraine auf.

Herumfuchteln

Englisch wird zum verbalen Notausgang. Kiews Bewohner über einer gewissen Altersgrenze wissen damit nicht viel anzufangen. Sich bei einem Polizisten nach einem Kiosk zu erkundigen, in dem Zigaretten verkauft werden, endet mit der wenig befriedigenden Auskunft: "Not today". Schaden kann es in diesem Augenblick dennoch nicht, ein in Russisch gehaltenes, in aller Unterwürfigkeit vorgetragenes Dankeswort an den Mann zu bringen: "Spasiba".

Vielfältig sind die Reaktionen. Nicht selten: Abwehrhaltung mit erhobenen Händen bedeutet die Aufforderung zur sofortigen Einstellung des Kontakts. Überflüssig sind jedes weitere Ringen nach Worten oder affenartiges Artikulieren.

Doch man sollte sich vom herben männlichen Charme nicht immer täuschen lassen. Ohne mit der Wimper zu zucken, ohne ein Wort zu sagen, schlicht ohne Reaktion, fordert eine Handbewegung auf, unauffällig zu folgen. Mit zwei Metern Respektabstand, lautlos, dackelt man wie der Hund hinter dem Herrl ans gewünschte Ziel. "Spasiba".

Jene Frau, die im Zigaretten-Kiosk sitzt, steigert sich sofort in den hysterischen Lachanfall. Als hätte sie schon vermutet, sie würde eines Tages kommen, die Begegnung mit der anderen Art. Ihre Hand schießt aus der kleinen Öffnung. Ein Heftchen, Englisch / Ukrainisch steht drauf. In diesem Falle sage man einfach nur: "Lucky Strike". Und danach? Genau: "Spasiba!"

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