Udinese Calcio: Der Supermarkt für Klassekicker

Umworben: Die Udinese-Entdeckung Mehdi Benatia ist nicht nur bei Bayern ein Thema, sondern auch bei englischen Topvereinen.
Der italienische Serie-A-Verein Udinese Calcio verfolgt eine ganz spezielle Vereinspolitik.

Mehdi Benatia wird derzeit umworben wie kein anderer Fußballer in Europa. Bayern, Chelsea und Manchester United wollen den Innenverteidiger verpflichten. Den Münchnern soll er bereits abgesagt haben. Immerhin 35 Millionen Euro soll der 27-jährige marokkanische Teamkapitän, der derzeit noch für die AS Roma spielt, kosten.

Benatia zählt zu besten Defensivspielern der italienischen Serie A. Seinen Durchbruch schaffte der gebürtige Franzose allerdings nicht in Rom, dort spielt er ja auch erst seit einem knappen Jahr, sondern in Udine. Drei Saisonen arbeitete der Sohn eines Marokkaners und einer Algerierin in der Provinzstadt unweit der österreichischen Grenze.

Zweitliga-Kicker

Schon in Frankreich hatte Benatia als großes Talent gegolten. Mit 16 kam er zu Olympique Marseille, doch dort war er kein Thema für die Kampfmannschaft. Also wechselte er zu kleineren Klubs – zunächst leihweise zum FC Tours und zum FC Lorient. Seine große Chance bekam der Innenverteidigung aber erst beim Zweitligisten Clermont Foot. Dort wurde er auch entdeckt von den Scouts aus Udine und im Alter von 23 Jahren in die Serie A geholt.

80 Ligaspiele absolvierte Benatia für den Klub aus dem Friaul. In Udine reifte er zum Klassespieler und wurde für den Klub zu einem guten Geschäft. Um 13,5 Millionen Euro wurde er in die italienische Hauptstadt verkauft. Gekommen war er übrigens ablösefrei nach Italien.

Benatia ist bei Weitem nicht der einzige Spieler, dessen Karriere in Udine begonnen hat und der jetzt bei einem europäischen Topklub spielt: die Chilenen Alexis Sanchez (Arsenal) und Mauricio Isla (Juventus), die Kolumbianer Pablo Armero, Cristian Zapata (beide Milan) und Juan Cuadrado (AC Florenz), der Schweizer Gökhan Inler (Napoli), der Slowene Samir Handanovic (Inter Mailand) – und diese Liste lässt sich noch um Dutzende Spielernamen fortführen.

Udinese Calcio ist ein ganz besonderer Klub mit einem ganz besonderen System. Auf Nachwuchsarbeit im üblichen Sinn wird verzichtet, dafür leistet sich der Klub ein weltweites Netz von rund 30 Scouts. Die suchen keine Wunderkinder, das machen die ganz großen Klubs, sondern Spieler mit Entwicklungspotenzial im Alter von 17 bis 23 Jahren, die dann zu Dutzenden verpflichtet werden.

Hinter dem System Udinese steht seit fast 30 Jahren eine Familie: die Pozzos. Der italienische Industrielle Giampolo Pozzo übernahm den Verein 1986, als es um Udinese alles andere als gut stand. Der Klub pendelte zwischen erster und zweiter Liga ohne große Zukunftsperspektive, war dazu in einen Wettskandal involviert.

Das ist mittlerweile anders. Längst ist Udine eine Fixgröße in der Serie A, spielte auch schon in der Champions- und Europa League. Und das, obwohl Jahr für Jahr die besten Spieler um viel Geld verkauft werden.

Aber Udinese hat ein riesiges Reservoir an Profis. Um die 100 sind es meistens. Der Großteil spielt aber gar nicht beim Serie-A-Klub, sondern ist verliehen – viele davon an den spanischen Erstligisten Granada und den englischen Zweitligisten FC Watford. Die beiden Vereine gehören ebenfalls der Familie Pozzo.

Spieler-Durchhaus

Es gibt aber auch genügend Spieler, die Udinese verpflichtet hat, die trotzdem nie beim italienischen Klub oder einem anderen Verein der Familie Pozzo gespielt haben. Ein Beispiel: Nikola Vujadinovic. Der Ex-Verteidiger von Sturm wurde im Sommer 2008 vom bulgarischen Klub ZSKA Sofia verpflichtet.

Nach einem Jahr ohne Einsatz wurde der Montenegriner verliehen – zunächst an den rumänischen Verein Alba Iulia, dann an den schottischen Klub Aberdeen und schließlich an den serbischen Verein Javor Ivanijca. 2012 war sein Vertrag in Udine abgelaufen, Vujadinovic wechselte nach Graz und blieb bis zu diesem Sommer bei Sturm.

Udinese funktioniert wie eine Art Handelsgesellschaft für Fußballer. Das hören die Pozzos zwar nicht gerne, genauso wenig wie sie nicht gerne hören, dass sie eine Möglichkeit gefunden haben, Geld mit einem Klub zu verdienen anstatt eigenes Geld in den Verein zu pumpen.

"Das ist kein Geschäft für uns, wir mögen es, zu konkurrieren", meinte Gino Pozzo, der von seinem mittlerweile 73-jährigen Vater die Geschäfte übernommen hat, in einem Interview mit der englischen Zeitung Times.

Und trotzdem: Die Pozzos haben nicht genug vom Fußballgeschäft. Ganz im Gegenteil: Gerade erst hat die Familie auch den rumänischen Erstligisten Rapid Bukarest übernommen.

Udineses Top-Verkäufe:

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