Prödl: "Wir brauchen uns nicht kleinreden"

Fixe Größe: Mit dem Nationalteam bereitet sich Sebastian Prödl in Seefeld auf die EM-Quali vor.
Der Bremen-Legionär über seinen Reifeprozess und den Aufwärtstrend im Nationalteam.

Bei seinem Verein Werder Bremen ist Sebastian Prödl mit sechs Dienstjahren bereits eine Institution, auch in der Nationalmannschaft zählt der 26-Jährige mit 44 Länderspielen bereits zu den Routiniers. Im KURIER spricht der Verteidiger über seine Lehr- und Lernjahre in Bremen, über Mentalitätsunterschiede, und über die rosige Zukunft der rot-weiß-roten Nationalmannschaft. Sebastian Prödl über. . .

... die abgelaufene Saison bei Bremen. "Diese Saison war für uns alle sehr intensiv und nervenaufreibend. Unser großer Vorteil war, dass wir nie auf einem direkten Abstiegsplatz gestanden sind und der Druck deshalb nie so extrem groß war, wie vielleicht bei anderen Vereinen. Außerdem war uns allen schon vor der Saison klar, wohin die Reise gehen wird und dass auf uns ein hartes Jahr zukommt. Im Nachhinein kann man jetzt sagen: mit 39 Punkten haben wir den Klassenerhalt relativ stressfrei geschafft, es hat aber auch viele Phasen gegeben, wo sehr viel Druck war."

... den persönlichen Umgang mit Druck. "Ich schwöre schon seit Jahren auf Mentaltraining. Nach meiner schweren Gesichtsverletzung hatte ich große Angst vor Kopfbällen und war gehemmt, mit dem Mentalcoach ist es mir gelungen, diese Blockade zu lösen. Ich bin auch überzeugt davon, dass bei Fußballern im mentalen Bereich noch sehr viel Potenzial schlummert. Früher ist das ja oft belächelt und als Zeichen von Schwäche ausgelegt worden, wenn du zum Mentaltrainer gegangen bist. Da herrschte dann landläufig die Meinung: 'Der legt sich auf die Couch, der ist krank, mit dem kann was nicht stimmen.' Ich will jedenfalls während meiner Karriere nichts unversucht lassen und alles unternehmen, damit ich mir dann mit 40 einmal nichts vorwerfen muss."

... die österreichische Mentalität. "Ich habe früher schon einmal gesagt: ‘wenn achtzig Prozent genügen, dann macht der Österreicher nicht mehr als achtzig Prozent.‘ Wir sind schon eher ein gemütlicheres Volk. Sobald es uns gut geht, sind wir zufrieden. Und sobald wir etwas erreicht haben, herrscht sofort die Ansicht: ‚jetzt sind wir schon wieder wer.‘ In dieser Hinsicht haben uns die Deutschen schon etwas voraus. Die geben immer alles. Selbst wenn 80 Prozent reichen würden, wollen die trotzdem auf 100 Prozent und ganz an die Spitze kommen. Ich versuche diese österreichische Eigenschaft, die ich auch besessen habe, raus zu bringen."

... den Reifeprozess in Bremen. "Ich war früher definitiv zu verbissen und habe praktisch jeden Tag nur an den Fußball gedacht. Ich glaube auch, dass ich am Anfang für meine Mitmenschen oft nicht wirklich angenehm war, weil sich bei mir einfach immer nur alles um den Sport gedreht hat. Da war ich irgendwie ein Getriebener, und habe ständig nur nachgedacht: 'was passiert, wenn ich das nicht schaff', was passiert, wenn wir dieses Spiel verlieren, und, und, und...' Da kann ich jetzt schon differenzieren und Prioritäten setzen, und so lebt es sich auch angenehmer. Die Verletzungen haben mich sicher geprägt, ich weiß jetzt auch, wie man aus Löchern wieder raus kommt."

... seinen Status bei Werder. "Ich habe am Anfang in den Zeitungen häufig schlechtere Noten erhalten, als die Kollegen. Klar versucht man, diese Benotungen nicht ernst zu nehmen, aber wenn die Selbsteinschätzung fast nie mit der Bewertung von außen zusammen passt, dann stört das. Ich habe mir jedenfalls den Status erst erarbeiten müssen. Jetzt kommt es zurück und jetzt werde ich interessanterweise auch für die vergangenen Jahre gelobt. Ich habe festgestellt: Man muss in der Bundesliga als Ösi nicht nur auf das Leistungsniveau der Deutschen kommen, sondern man muss eigentlich fast besser sein, damit man akzeptiert wird. Wir sind sicher lange ein bisschen belächelt worden, aber auch durch die letzten Länderspiele gegen Deutschland haben wir es geschafft, Ausrufezeichen zu setzen und uns Respekt zu verschaffen."

... Bremen und seine Österreicher. "Ich glaube, dass wir Österreicher in Bremen einfach gut ankommen. Und Werder hat natürlich auch eine lange Tradition. Für Zlatko Junuzovic und mich war es sicher von Vorteil, dass ein Pezzey, ein Herzog, ein Pfeifenberger bei Werder so einen guten Eindruck hinterlassen haben. Ich werde oft gefragt, was ich zum Thema Urgestein sage. Und ich glaube, ich bin schon ein kleines. Heutzutage ist es für einen Fußballer nicht selbstverständlich und normal, dass er sechs Jahre beim gleichen Verein bleibt. Mir gefällt es hier, weil es in Bremen auch eine große Identifikation der Stadt mit dem Verein gibt."

... den Klassenerhalt des Erzrivalen HSV. "Ich bin froh, dass ich nächstes Jahr das Derby wieder spielen kann. Das sind immer coole und sehr emotionale Spiele. Wir brauchen jetzt auch gar nicht darüber diskutieren, ob sich der HSV den Klassenerhalt verdient hat, oder nicht. Sie wissen selbst am besten, dass sie von der Kippe gesprungen sind, aber eines ist klar: die Duelle mit dem HSV würden uns fehlen."

... die Testspiele gegen Island und Tschechien. "Leider fehlen einige wichtige Spieler, aber diese Tage zusammen sind jetzt sehr wichtig, weil du mit dem Team während der Qualifikation kaum Zeit hast, dich vorzubereiten. Wir müssen jetzt in diesen Tagen schon den Grundstein legen. Wobei wir inzwischen in Österreich ein sehr gutes Team beeinander haben. Ich glaube, in den letzten zwei Jahren hat es kein Spiel gegeben, in dem wir wirklich schlecht ausgeschaut hätten."

... den Aufwärtstrend der Nationalmannschaft. "Ich denke, dass wir es nicht mehr nötig haben, auf den Gegner Rücksicht zu nehmen und uns unterzuordnen. Sondern dass wir mittlerweile eine Spielphilosophie entwickelt haben, die wir auch 90 Minuten durchziehen. Wir haben in der WM-Quali die Gegner früh attackiert, und damit einige Mannschaften schon ziemlich unter Druck gesetzt. Dieses System haben wir gut verinnerlicht, es liegt uns, und ich denke, dass sich auch die Fans damit identifizieren. Sonst hätten wir nicht immer so volle Stadien bei unseren Spielen."

Prödl: "Wir brauchen uns nicht kleinreden"
epa03906550 Austrian Sebastian Proedl and Swedish Zlatan Ibrahimovic during the World Cup qualifying match Sweden vs Austria at the Friends Arena in Solna, Sweden, 11 October 2013. EPA/ROBERT JAEGER
... die EM-Qualifikation. "Wir sollten jetzt aufhören, uns selbst immer klein zu reden. Ich bin jetzt auch schon einige Jahre dabei, aber: wir haben zur Zeit in unserer Nationalmannschaft eine Qualität, wie es sie in den letzten zehn Jahren nicht gegeben hat. Mit so vielen Legionären, die im besten Alter sind, die auch noch in dieser Besetzung noch einige Jahre zusammen spielen können. Da ist es eigentlich fast verpflichtend, sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren. Sollten wir uns in den nächsten vier Jahren für kein Turnier qualifizieren, so muss man das eigentlich als Misserfolg bewerten."

... den Herbst 2014 mit den Qualifikationsheimspielen gegen Schweden, Russland, Montenegro und der Partie in Moldawien. "Der Herbst kann sicher schon eine Vorentscheidung bringen. Wir tun gut daran, den Herbst sehr sehr ernst zu nehmen und sehr entscheidend zu sehen. Sonst kann es ein böses Erwachen geben. Und dann macht es sicherlich keinen Spaß die Quali zu Ende zu spielen, wenn du als Dritter, Vierter herumgurkst."

Der Steirer (*21. Juni 1987) begann seine Profikarriere bei Sturm Graz und wechselte 2008 zu Werder Bremen. Mit den Hanseaten spielte der Verteidiger bereits in der Champions League. Sebastian Prödl wurde 2007 mit Österreich bei der U-20-WM in Kanada Vierter, in der A-Nationalmannschaft hatte er bislang 44 Einsätze und erzielte vier Tore.

www.sebastianproedl.com

Bereits zum dritten Mal in Serie bereiten sich Sebastian Prödl, Zlatko Junuzovic und die anderen Bremen-Stars im Zillertal (19. bis 29. Juli) auf die neue Bundesliga-Saison vor. Doch nicht nur die Werder-Profis sind am Ball, auch der Fußball-Nachwuchs kann den Doppelpass mit den Werder-Idolen pflegen: Bremen-Legende Dieter Eilts, 1996 Europameister mit Deutschland, bittet unter dem Motto "Werder zum Anfassen" zur gleichen Zeit beim Profi-Camp im Zillertal die Talente auf den Platz und kümmert sich um die nächste Werder-Generation.

"Für die Kinder wird das ein Riesenspaß, weil man die Gelegenheit, unserer Bundesligamannschaft so nahe zu kommen, nur sehr selten hat", erklärt Eilts. Auch Sebastian Prödl freut sich schon auf die gemeinsame Vorbereitungszeit mit den Talenten: "Es ist immer wieder schön, Kontakt mit den Kids zu haben und zu sehen, wie sie sich über Autogramme und Ratschläge freuen."

www.werder.de

www.zillertalarena.com

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