Prödl: "Diese Transfersummen tun Fußball nicht gut"

Kritischer Geist: Sebastian Prödl findet die Transfersummen höchst bedenklich.
Der Teamverteidiger über die Geldflut in der Premier League, das ÖFB-Team und sein Leben in London.

Für Sebastian Prödl hat am vergangenen Samstag seine bereits zehnte Saison als Legionär begonnen. Beim FC Watford ist der österreichische Teamverteidiger ein Führungsspieler und Wortführer - auch wenn er im Auftaktspiel gegen den FC Liverpool nur auf der Bank saß. Im KURIER-Interview erklärt der Steirer, warum für ihn "in der Premier League zu spielen und in einer Stadt wie London leben zu dürfen" ein "großes Privileg" ist.

Was gefällt Ihnen an London?

Vor allem die Weltoffenheit, die diese Stadt hat. Dazu die Möglichkeiten, die du in London hast. Wenn du kulturell ein bisschen interessiert bist, dann hast du hier das Paradies. Wir nutzen das auch aus. Ich bin ja nicht nur in England, um Geld zu verdienen. Ich möchte auch möglichst viel von der Kultur und dem Land mitnehmen.

Bei London denkt man zwangsläufig auch an die Terroranschläge der letzten Monate.

Wenn du die Plätze gut kennst, an denen etwas passiert ist, dann geht dir das nahe. Der Borough Market zum Beispiel ist unser Lieblingsmarkt in London, dort bin ich sicher einmal im Monat. Aber wenn wir deshalb jetzt Angst haben und uns einsperren, dann haben jene gesiegt, die das zu verantworten haben. Der Terror hat uns in Mitteleuropa eingeholt, man ist offenbar nirgends mehr richtig sicher. Was war denn vor zwei Jahren in Graz? Da ist auch ein Verrückter mitten durch die Stadt gerast.

Themenwechsel: Wie oft machen Sie sich aktuell Gedanken über das Nationalteam?

In den letzten Wochen öfters, weil unser Frauen-Nationalteam bei der EM gespielt hat. Ich würde selbst auch gerne noch einmal so ein Turnier erleben.

Haben Sie denn Angst, dass Ihnen die Zeit davonrennt?

Ich bin jetzt 30, und mir ist schon bewusst, dass ich nur noch ein, zwei Chancen habe, um an einer Endrunde teilzunehmen. Deshalb ist die Sehnsucht nach einer WM schon sehr groß.

Zwischen Traum und Wirklichkeit liegen aber einige Punkte und Tabellenplätze.

Wir sind uns der schwierigen Ausgangslage bewusst, aber ich glaube fest daran, dass wir es noch schaffen können. Wenn wir die restlichen vier Partien gewinnen, dann sind wir dabei.

Was macht Sie zuversichtlich?

Zum Beispiel, dass ich in dieser Gruppe bisher noch keine bessere Mannschaft gesehen habe als Österreich. Es hat uns kein Team in Grund und Boden gespielt.

Trotzdem hinkt Österreich den Ansprüchen und Erwartungen hinterher. Was ist anders als in der EM-Qualifikation?

Damals hat einfach alles zusammengespielt: Die Spieler haben perfekt funktioniert, keiner hatte Probleme bei seinem Verein, es gab kaum Verletzte, wir hatten unseren Stamm, die Sicherheit war da.

Und jetzt?

Manche Spieler sind zurückgetreten, manche hatten bisher, so ehrlich muss man sein, nicht die Form der EM-Qualifikation. Vielleicht fehlt uns auch ein wenig die Leichtigkeit von früher.

Und sofort sind die Österreicher statt himmelhochjauchzend zu Tode betrübt, und es wird Kritik geübt.

Es wäre absolut falsch, in dieser Situation keine Kritik zuzulassen. Vor allem keine Selbstkritik. Ich kann Ihnen versichern: Wir hinterfragen uns selbst am meisten. Wenn du nach der EM-Quali das Niveau nicht halten kannst, dann ist klar, dass von außen Druck kommt. Wissen Sie, was viel schlimmer wäre?

Verraten Sie’s.

Das Allerschlimmste wäre Gleichgültigkeit. Das darf nie mehr wieder einkehren, das hatten wir nämlich früher. Wo nach vier Spieltagen die Quali gelaufen war, der Teamchef gewechselt wurde, eine Unruhe da war und viele von außen wieder ihre Ratschläge gegeben haben, wer denn nicht aller im Team spielen müsse.

Diskussionen gibt’s aber auch jetzt: etwa die, wo David Alaba spielen soll.

Dieses Thema ist in den Medien größer als innerhalb der Mannschaft. Es ist für mich auch der falsche Ansatz, dass immer gleich alles auf David und Teamchef Marcel Koller projiziert wird, wenn das Ergebnis nicht stimmt. Man darf zwei Dinge nicht vergessen.

Nämlich?

Dass David als Mittelfeldspieler für uns viele wichtige Tore erzielt hat. Und die Gegner haben sich halt inzwischen auch umgestellt.

Wie ist das zu verstehen?

Früher hatte man das österreichische Team nicht so auf dem Radar. Jetzt stellen sich plötzlich alle Gegner hinten rein und spielen auf Konter. In der EM-Quali war das noch anders. Der Respekt vor dem österreichischen Fußball ist groß. Das merke ich auch hier in England.

Apropos England: Man hat gerade das Gefühl, dass nicht nur in der Premier League das Geld abgeschafft wurde.

Die Transfersummen sind außer Rand und Band. Ich glaube, das zerstört den Markt und tut dem Fußball nicht gut. Mir leuchtet ja ein, dass man für einen sehr guten Spieler viel Geld bezahlt, aber dass nur noch solche Summen im Spiel sind, das ist der falsche Weg. Wir müssen aufpassen.

Inwiefern aufpassen?

Ich werde es als Profi vermutlich nicht mehr erleben, aber mit diesen Entwicklungen laufen wir Gefahr, dass ein Desinteresse am Fußball entsteht. Es wird eigentlich nur im Heute gelebt, es wird nur auf die Vermarktung geachtet. Mir persönlich wird das fast zu viel.

Sie sind jetzt 30. Ertappen Sie sich dabei, dass Sie an die Karriere danach denken?

Klar ist das ein Thema. Vor allem, weil dir im Fußball ja auch suggeriert wird, dass du mit 30 kein Spieler von morgen mehr bist. Andererseits fühle ich mich noch nicht als Spieler von vorgestern. Ich sehe mich schon noch einige Jahre in einer Topliga spielen.

Und dann?

Ich mache mir Gedanken, weil ich nicht will, dass ich einmal die Karriere beende und dann vor einem riesigen Fragezeichen stehe.

Für viele Sportler ist das Karriereende ein Kulturschock.

Man muss ja auch aufpassen. Als Fußballer hast du viel Selbstvertrauen, du kannst dir viel leisten. Man hat viele Schulterklopfer und glaubt, dass es danach auch so leicht weitergeht. Im Grunde lebst du in einer eigenen Welt. Und wenn man dann nach der Karriere in das echte Leben eintaucht, dann kann man schnell einmal auf die Papp’n fliegen. Es gibt genug warnende Beispiele, die dann gescheitert sind. Deswegen will ich meine Karriere nach der Karriere gut vorbereiten.

Kommentare