Schwedisches Wikinger-Dorf in Kiew

Schwedisches Wikinger-Dorf in Kiew
Auf einer Dnjepr-Insel kampieren und feiern die Schweden ihre Feste, bis sie fallen.

Nach und nach tröpfeln die Schweden in der Ukraine ein. In ihr Dorf, das mitten im Dnjepr auf der Insel Truchanow liegt. Ein Steg ist die kürzeste Verbindung mit dem hektischen Großstadtgetriebe Kiews. 4500 Wikinger haben sich für das Abseits entschieden, werden dort die Feste feiern, bis sie fallen.

Insgesamt vergrößern 20.000 Schweden, die wohl größte Reisegesellschaft während dieser EURO, die Einwohnerzahl der ukrainischen Hauptstadt (2,8 Millionen). Die Menschen von der Insel geben es allerdings billig. Ab 15 Euro Mitgliedsbeitrag als Fan des Svenska Fotbollförbundet und der Miete für ein Zelt oder den Abstellplatz fürs Wohnmobil ist man dabei. Geboten werden dafür spartanische, mehr oder weniger hygienische Bedingungen. Idyllisch wirkt das Gelände nur vom anderen Ufer.

Sie waren zu spät dran, die ukrainischen Gastgeber, mit ihren Aufbauarbeiten und Säuberungsversuchen. Als Alibi hängt auf manchen Bänken der Zettel mit der Aufschrift "Frisch gestrichen". Das Flussufer ist aus Sand, stellenweise aus Plastik. Ein Bad im Dnjepr könnte dem meist helleren Teint des gemeinen Skandinaviers möglicherweise schaden.

Egal, Schweden sind nicht wehleidig. Niemand verliert ein böses Wort. Drei junge Männer aus Göteborg haben sich ihr Einmannzelt soeben gemütlich eingerichtet. Will heißen, die Luftmatratze ist aufgeblasen, zwei Flaschen Bier sind geöffnet. "Wir sind sowieso meist nicht ganz nüchtern. Da stört es nicht, dass es etwas eng werden könnte", meint Filip.

Das Trio ist Fangruppe aus Leidenschaft. Und es ist für sie eine Selbstverständlichkeit, auf die etwas rustikalere Weise ihrem Team bei Turnieren beizuwohnen. Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz schlugen 2500 in Innsbruck ihre Zelte auf. In Massen kommen sie sowieso. Berlin wurde bei der WM 2006 von bis zu 100.000 Schweden bevölkert.

Stehvermögen

"Schweden sind halt ein wenig anders", sagt Andreas aus Stockholm. 1700 Kilometer haben er und Freund Per mit dem Wohnmobil zurückgelegt. Bleiben werden sie so lange, bis ihr Team aus dem Wettbewerb purzelt. Trinken werde man dabei auch nicht mehr als Engländer, Deutsche oder sonst wer. "Der große Unterschied ist aber: Die anderen sind nur besoffen, wir hingegen sind freundlich."

Und das sind sie wirklich. Am Eingang empfängt Viktor aus Katrineholm die Neu­ankömmlinge. Er ist einer der ehrenamtlichen Betreuer im Camp. "Komm vorbei in den nächsten Tagen", fordert er auf. Dann sei nämlich ziemlich was los auf der Insel. Auf einer von Wald umrandeten Wiese wurde eine große Bühne aufgebaut. Stand-up-Comedy aus der Heimat steht auf dem Programm, die "Metal Allstars" aus Schweden, bestehend aus Mitgliedern der Bands Europe und HammerFall schwingen den musikalischen Hammer, und auch Patrick Anderson, einst Profi bei Bayern München und dem FC Barcelona, hat schon einen Inselhüpfer angekündigt.

EM-Spiele mit schwedischer Beteiligung werden im Stadion, die anderen "zu Hause" in Truchanow auf einer Großleinwand verfolgt – das Alternativprogramm zum offiziellen EURO-Fest.

Die Fanmeile der UEFA, sie soll bleiben, wo sie ist: drüben, in der Hektik der Großstadt.

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