Schmidt: "Erfolgszwang hatten wir schon immer"

5. Wir haben eine sehr intakte Mannschaft, weshalb wir uns nur punktuell verstärken mussten. Zulj ist ein absoluter Gewinn für uns.
Trainer Roger Schmidt und sein Team stehen nach einer titellosen Saison unter Druck.

So viele Punkte wie noch nie holte Salzburg in der vergangenen Saison. Trotzdem reichte es nur zum Vize-Meistertitel. Da sich das Red-Bull-Team dazu in der Champions-League-Qualifikation (gegen den Luxemburger Klub F91 Düdelingen) und im Cup-Semifinale (gegen Drittligist Pasching) blamierte, konnte kein einziges sportliches Ziel erreicht werden. Trotzdem darf Trainer Roger Schmidt - wie vor ihm nur Giovanni Trapattoni und Huub Stevens, die beide in ihrer ersten Saison allerdings Meister geworden waren - in eine zweite Saison bei Red Bull gehen.

Nicht nur der Trainer ist geblieben, sondern es sind auch - mit nur einer Ausnahme (Innenverteidiger Ibrahim Sekagya wechselte nach New York) - alle Stammkräfte weiter in Salzburg aktiv. Der Kader wurde mit dem ungarischen Torhüter Peter Gulacsi (vom FC Liverpool) und dem peruanischen Offensivspieler Yordy Reyna (von Alianza Lima) punktuell verstärkt. Dazu kamen die Leihspieler Jakob Jantscher (von Dynamo Moskau) und Marco Meilinger (von Ried) zurück nach Salzburg. Und der 21-jährige Brasilianer Andre Ramalho soll in seinem dritten Jahr in Salzburg nun doch eine Chance bei den Profis bekommen.

Der KURIER bat Trainer Roger Schmidt kurz vor dem Saisonstart zu einem ausführlichen Interview. . .

KURIER: 3:1 gegen Schalke, 9:0 gegen St. Florian: Wer soll Salzburg in dieser Saison stoppen?
Roger Schmidt
(lacht): Das eine war ein Vorbereitungsspiel, das andere ein Pokalspiel gegen einen Drittligisten. Von daher glaube ich nicht, dass man deshalb zu sehr in Euphorie verfallen, sondern den Respekt vor den Gegnern beibehalten sollte. Aber natürlich war es klarer Hinweis darauf, dass wir in einer guten Verfassung sind und die Vorbereitung genutzt haben, um uns weiterzuentwickeln.

Trainerwechsel gehörten bei Red Bull bisher zum Jahresgeschäft. Waren Sie überrascht, dass sie nach einer Saison ohne Titel weitermachen dürfen?
(Schmunzelt) Nein, ich war nicht überrascht. Als ich im Sommer 2012 geholt worden bin, war mein Urgedanke, meine Motivation, in Salzburg etwas zu entwickeln und aufzubauen. Man hat versucht, einen anderen Weg zu gehen als in den Jahren davor, mit anderen Spielern, mit einer anderen Weise des Fußballs. Die letzte Saison war nicht perfekt, aber wir haben schon deutlich gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Deshalb bleibe ich. Denn wenn etwas funktioniert, dann ist es sinnvoll, Kontinuität bei den handelnden Personen zu haben. Deshalb bin ich davon ausgegangen. dass ich weitermachen soll. Und letztlich ist es auch so gekommen.

Warum haben Sie trotzdem Ende Mai mit Köln gesprochen?
Das ist eine gute Frage. Es war so, dass ich davon ausgegangen bin, dass es weitergeht, ich aber nicht sicher sein konnte, dass das von allen anderen auch so gesehen wird. Es hat ein Gespräch gegeben, aber es hat unter der Voraussetzung stattgefunden, dass ich auf keinen Fall aus freien Stücken meine Mannschaft verlasse, sondern auf jeden Fall diesen Weg weitergehen wollte.

Also wäre Köln nur ein Thema gewesen, wenn Sie Salzburg hätten verlassen müssen ...
Genauso ist es.

Das wusste auch Köln?
Ja, ja.

Ist aus dem Erfolgsdruck bei Red Bull nach der letzten Saison nicht jetzt schon ein Erfolgszwang geworden?
(Lacht) Das war schon immer so. Ich weiß nicht, ob das noch eine Steigerung ist. Wir müssen aufgrund unserer Rahmenbedingungen einfach den Anspruch haben, die beste Mannschaft in Österreich zu sein. Den Anspruch haben wir auch an uns selber, ich auch an mich als Trainer. Wir haben nun 36 Spieltage Zeit, das entsprechend unter Beweis zu stellen und etwas besser zu sein als letzte Saison, die ja auch keine Katastrophe, sondern für Red-Bull-Verhältnisse sogar eine außergewöhnliche Saison war. Mittlerweile sind wir auch schon einen Schritt weiter. Dieser Erfolgszwang belastet uns nicht, sondern motiviert uns, zu zeigen, dass wir in der Lage sind, noch besser zu sein als in der letzten Saison.

Würden Sie von sich aus die Konsequenzen ziehen, sollte Salzburg auch in dieser Saison im Cup gegen einen Drittligisten ausscheiden?
Nein. Ich beschäftige mich nicht mit solchen Szenarien, das wäre ja ein Wahnsinn, wenn ich jetzt schon darüber nachdenke, dass es negativ laufen könnte. Ich konzentriere mich darauf, meine Mannschaft super vorzubereiten auf die Saison, auf jedes einzelne Spiel, alles andere interessiert mich nicht.

Die Champions-League-Gruppenphase ist das eigentliche sportliche Ziel von Red Bull. Wie realistisch ist es, dieses gerade diese Saison zu erreichen?
Wir sind natürlich Außenseiter, weil spätestens im Play-off alle Mannschaften wahrscheinlich über eine größere individuelle Qualität verfügen. Aber im Fußball ist die Mannschaftsleistung mehr als die Summe der Einzelqualitäten. Wir wollen so gut strukturiert sein, einen so guten Plan haben, dass wir dieses Extra, dieses Plus, das man aus so einer Mannschaft herausholen kann, so groß wie möglich machen. Dann sind wir absolut in der Lage, gegen europäische Spitzenmannschaften in zwei Spielen besser zu sein.

Ist die Außenseiterrolle vielleicht sogar angenehmer?
Ich beschäftige mich da nicht so sehr damit, ob jemand Außenseiter oder Favorit ist. Wir haben einen großen Traum, etwas hinzukriegen, was bei Red Bull noch keiner geschafft hat. Und gerade weil wir in der letzten Saison arg gebeutelt worden sind, durch Dinge, die wir uns selbst eingebrockt haben, ist die Motivation, etwas Außergewöhnliches zu erreichen, jetzt riesig. Dazu haben wir in der Champions-League-Qualifikation die Chance.

Salzburg-Sportchef Ralf Rangnick hat moniert, dass ihre Mannschaft vergangene Saison zu viele Gegentore kassiert hat. Warum werden es diese Saison weniger sein?
Weil wir uns weiterentwickelt haben. Wir haben vergangene Saison seht gut im Spiel nach vorne agiert, wir haben sehr viele Tore geschossen, aber wir haben über die ganze Saison sicherlich zu viele, auch einfache bekommen. Wir wollen jetzt das Spiel gegen den Ball verbessern, optimieren, das Spiel noch konsequenter vom eigenen Tor fernhalten und besser nach vorne verteidigen. Darauf haben wir in der Vorbereitung einen großen Fokus gelegt. Wir haben gegen Schalke, gegen eine absolute Top-Mannschaft, sehr wenig zugelassen, obwohl wir eine sehr junge Innenverteidigung auf dem Platz hatten. Weil wir extrem weit vorne gepresst haben, den Gegner unter Druck gesetzt haben, ist Schalke selten in die torgefährliche Zone gekommen. Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Ich bin überzeugt, dass wir wenige Tore bekommen werden.

Viele hat überrascht, dass ein neuer Torhüter geholt wurde, der, nimmt man die letzten Spiele als Maßstab, die neue Nummer 1 ist. Warum wurde der Ungar Peter Gulacsi verpflichtet?
Weil wir einfach der Überzeugung waren, dass wir noch einen jungen Torhüter mit Entwicklungspotenzial dazuholen sollten, der in den Kampf um die Nummer 1 eingreifen kann. Den haben wir mit Gulacsi gefunden. Jetzt, in der Vorbereitung zeichnet sich ab, dass er diesen Konkurrenzkampf ganz klar aufnehmen kann. Wir haben jetzt mit Walke und Gustafsson zwei erfahrenen Torhüter, mit Gulacsi einen jungen und mit Dähne einen sehr jungen, der überwiegend beim FC Liefering spielen wird. Wir haben damit eine Konstellation, die hohen Konkurrenzkampf beinhaltet. Das kann letztlich für die Leistung nur förderlich sein.

13 Spieler stehen im Salzburger Kader, die auf den derzeit vier Positionen im Mittelfeld eingesetzt werden können. Sind das nicht zu viele?
Der Kader ist nicht übermäßig groß, aber natürlich haben Sie recht, dass im Mittelfeld ein extremer Konkurrenzkampf herrscht. Mag sein, dass wir da den ein oder anderen Spieler zu viel haben. Aber das relativiert sich schon im Moment, weil einige Spieler gar nicht zur Verfügung stehen. Man wird im Laufe der Saison sehen, ob das wirklich zu viel ist, oder ob diese 41 Pflichtspiele, die zumindest unsere Teamspieler bis Weihnachten haben könnten, nicht das Potenzial beinhalten, dass jeder doch Spielpraxis bekommt. Wenn dem nicht so ist, dann wird man sich sicherlich Gedanken machen.

Schon in der vergangenen Saison war Salzburg praktisch nie komplett. Auch am Sonntag in St. Florian sind sechs Spieler ausgefallen. Bereitet Ihnen die Verletzungsmisere Sorgen?
Wir waren sicherlich arg gebeutelt im vergangenen Jahr. Das muss man schon so sagen. Svento hat sich ja direkt im ersten Champions-Quali-Spiel die erste schwere Verletzung zugezogen. Es war dann Wahnsinn, dass sich auch bei der zweiten historischen Niederlage gegen Pasching mit Isaac Vorsah ein Spieler das Kreuzband reißt. Diese Verletzungen kann man nicht verhindern, das passiert immer wieder. Ich hoffe natürlich, dass wir im nächsten Jahr davon verschont bleiben. Wir arbeiten auf einem extrem hohen Niveau, was die Verletzungsprophylaxe angeht. Ich hoffe, dass sich das auszahlt.

An welchem Punkt würden Sie sagen, dass Sie in Salzburg gescheitert sind?
Ich bin hier angetreten, um Titel zu gewinnen. Die Sehnsucht nach Titeln ist natürlich dadurch nicht geringer geworden, dass wir sie letzte Saison nicht erreicht haben. Aber ich tue mir sehr schwer, Fragen zu beantworten, die in der Zukunft liegen und dann auch noch negative Ereignisse beinhalten, die hypothetisch sind.

Ihr Vertrag läuft noch bis Saisonende. Bis wann wollen Sie über Ihre eigene Zukunft Bescheid wissen?
(Lacht) Da bin ich völlig relaxed. Ich möchte mit meiner Mannschaft eine erfolgreiche Saison spielen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das hinkriegen werden. Alles andere wird sich in der Zukunft zeigen, da sollte man nicht zu weit im Voraus denken. Aber im Moment fühle ich mich extrem wohl in diesem Verein und bei der Mannschaft und genieße jede Sekunde, die ich auf dem Trainingsplatz bin und mit meinen Spielern zusammenarbeiten kann. Für mich zählt momentan nur das Jetzt und Hier.

Sollte ihr Vertrag verlängert werden, wären Sie der erste Trainer, der für Red Bull länger als zwei Saisonen arbeiten dürfte. Ist das eine Ehre oder mehr eine Bürde?
Ich gehe davon aus, dass wenn der Verein meinen Vertrag verlängern würde, es eine sehr erfolgreiche Saison gewesen sein wird. Dann ist das sicher positiv zu werten.

In der achtjährigen Ära Red Bull ist Salzburg nach einer titellosen Saison immer Meister geworden. Auch kommende Saison spricht nichts dagegen: Salzburg hat den besten Kader und die besten Einzelspieler. Die Mannschaft von Trainer Schmidt kann sich nur selbst stoppen – mit Überheblichkeit und durch Unkonzentriertheiten.

KURIER-Prognose: Meister

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