Ruhig und kitschig

Ruhig und kitschig
Fahrtenbuch: Erinnerungen an zu Hause. Ein Hotel versucht den Luxus. Nicht perfekt, aber kurios.

Stetsenko heißt die Straße. Traurig ist die Gegend. Und Mauern, kilometerlang Mauern. Das weckt Erinnerungen an zu Hause. Irgendwie.

Genau, es erinnert an den Zentralfriedhof.

Fünf-Sterne-Hotel in absoluter Ruhe – ewig versprechen die Beschreibungen derartige Qualität. Im konkreten Falle scheint es zu stimmen. Die Einfahrt ist von schwarzen geländetauglichen Limousinen, der Eingangsbereich von schwarzen Anzügen, schwarzen Strümpfen und schwarzen Miniröcken verstopft. Kein Anlass zur Trauer, nur ein Treffen der besseren Gesellschaft.

Weit weg ist das Hotel nahe des Dnipro. Dessen herber Charme, konserviert aus längst vergangenen Tagen, als die Ukraine noch Teilrepublik der Sowjetunion gewesen ist. Liebenswert auf eine besondere Art und Weise, weil die Nostalgie doch ihre verklärende Wirkung tut.

Hier, im Reich der Neureichen, erledigt ein Barbie-Puppen-ähnliches Geschöpf einfach alles. Sie sagt "Guten Tag", sie führt den Gast aufs Zimmer, sie hat keine Ahnung, warum es aus der Klimaanlage tropft, sie erklärt das Betätigen der Aufzugtaste, ist stolz, dass man diese nur kurz anzutippen braucht. Sie lächelt ohne Unterbrechung. Entzückend.

Oase

Ruhig und kitschig

Viel Schein, ein bisschen weniger Sein. Bunt die Kulisse, ein Versuch von Hollywood. Wenngleich die Vergabe der fünf Sterne wahrscheinlich auf einer mehrheitlich getroffenen Entscheidung des letzten Astrologenkongresses von Dnipropetrovsk beruht.

Der Kitsch dominiert hier, unendliche Verspieltheit. Als wär’s die ukrainische Zweigstelle vom Marchfelder Hof. Im Hotel an der Stetsenko Straße weiden lebensgroße Plastikpferde im Garten. In kleinen, von künstlichen Bächen umschlängelten Pavillons biegen sich die Tische vom üppigen Mahl.

Und dann schwebt sie heran: Barbie, einen großen Teller in Händen. Lächelnd, natürlich. Sie bringt auch das Essen, weil sie ja schließlich alles macht.

Ein Berg von Gemüse liegt darauf, ein Haufen von Zartweizenkörnern, die Beilagen für das Pariser Schnitzel.

Ganz wie daheim.

Nur muss das wirklich sein. Um acht, zum Frühstück?

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