Lionel Messi hat mit Argentinien schon einmal die falschen Töne erwischt und ist in den Bewerb gestolpert. Robert Lewandowski mit Polen und Luka Modric mit Kroatien haben schon Haare gelassen. Hingegen haben Harry Kane mit England und Kylian Mbappé mit Frankreich die erste WM-Hürde grandios gemeistert. Am Donnerstag sind die Augen auf zwei weitere potenzielle Superstars dieser Endrunde gerichtet.
An Neymar klebt der WM-Ruf des Schwalbenkönigs und der Heulsuse – mit 30 Jahren ist die WM in Katar wahrscheinlich seine vorletzte Chance, um seine WM-Ehre doch noch zu retten. Los geht es für Brasilien gegen Serbien.
Für den 37-jährigen Cristiano Ronaldo ist es die letzte Chance, nach der EM 2016 mit Portugal ein zweites Turnier zu gewinnen. Rechtzeitig vor dem Anpfiff kehrte Ruhe ein, weil der Streit mit seinem Klub Manchester United beendet wurde, indem man sich getrennt hat. Ghana ist Portugals erste Hürde.
Das ist dem 37-jährigen Superstar auch noch nie passiert: Cristiano Ronaldo geht in das erste Spiel seiner fünften WM-Endrunde als Vereinsloser.
Der Albtraum einer jeder Vereinsführung ist vorbei – und zwar, dass die Spielerberater im Teamhotel herumlungern, weil ihre Schützlinge auf Angebote warten. Das fällt bei der Winter-WM weitgehend weg. Nur bei Ronaldo war es eine Frage der Zeit, bis sich Spieler und Klub trennen. Zu offensichtlich hat der Portugiese in einem Interview um sich geschlagen.
Der ehemalige Profi Rio Ferdinand sagte der BBC, bei der er als Experte arbeitet: "Die Situation mit Ronaldo war wie eine tickende Zeitbombe. Ich denke, er hat sich gefühlt, als würde man ihn in eine Ecke drängen. Für den Verein war es eine missliche Situation."
In Portugals Team hatte man stets betont, dass die Situation ihres Stars dem Teamgeist nicht belaste. Trotzdem zeigten Videos aus dem Teamcamp der Portugiesen, dass das Verhältnis zwischen Bruno Fernandes und Cristiano Ronaldo, bis Dienstag noch Kollegen bei Manchester, unterkühlt zu sein scheint.
Fans und Öffentlichkeit jedoch atmeten auf. "Er ist frei! Eine exzellente Nachricht für CR7", schrieb die portugiesische Zeitung A Bola. "Ronaldo ist jetzt auf dem Markt", schrieb die Zeitung Record. Mit einer schnellen Entscheidung über Ronaldos Zukunft ist jedenfalls nicht zu rechnen. Erst weit nach der WM könnte es Klarheit geben, wie und wo es für CR7 weitergeht. Portugiesische Experten spekulieren über ein mögliches Engagement außerhalb von Europa – Saudi-Arabien oder die USA gelten als mögliche Ziele. Ex-United-Profi Rio Ferdinand spekuliert: "Das nächste Kapitel für Cristiano? Das hängt davon ab, was seine Motivation ist. In der Champions League spielen? Geld? Irgendwo weiterspielen, wo ein angenehmes Klima herrscht?"
Dabei ist es gar nicht sicher, ob er den Kampf um einen Stammplatz gegen João Félix und Rafael Leão gewinnt: In Katar haben seine Mitspieler mehr Qualität als jene, die ohne den früh ausgewechselten Ronaldo 2016 Europameister wurden. Allerdings war danach bei EM und WM im Achtelfinale Endstation.
Brasilien-Star Neymar
2010 unterschrieben Tausende Fans eine Petition, trotzdem nahm ihn Teamchef Carlos Dunga nicht mit. 2014 schied Brasilien im Semifinale mit 1:7 aus, Neymar fehlte, weil ihm zuvor ein Kolumbianer in den Rücken gesprungen war. 2018 schied Brasilien im Viertelfinale aus, Neymar machte als Heulsuse Schlagzeilen.
2022 hat Brasilien eine ganze Reihe von starken Individualkünstlern: Vinícius Jr., Raphinha, Gabriel Jesús, Bruno Guimarães, Antony. Und auch starke Persönlichkeiten wie ihre früheren Spieler Marquinhos oder Thiago Silva.
Maurico Pochettino, der ehemalige Paris-Trainer, aber sagt: "Der emotionale Leader ist eindeutig Neymar. Brasilien braucht sein Temperament und seinen Charakter." Thiago ist eher eine stille Führungsfigur, ein bisschen wie früher Paolo Maldini bei Italien. Pochettino, der 50-jährige Argentinier, sagt: "Neymar hat Energie, Motivation, das Herz und das Charisma. Und er ist imstande, den Gegner aus dem Konzept zu bringen. Manchmal auch den Mitspieler oder sich selbst. Aber er ist sehr besonders."
Neymar spielt gern Mitte-links. Nicht ganz an der Außenbahn klebend, aber auch nicht als Neuner vorne drin. Er mag die Freiheit, und bei Brasilien kann er mehr oder weniger machen, was er will.
Wenn bei Paris im Training fünf gegen zwei gespielt wird, muss Messi nach einem Fehlpass nie in die Mitte, Neymar andauernd. Pochettino hat Superstars wie Kane, Mbappé, Messi und Neymar trainiert: "Messi macht keine Fehler. Neymar könnte das auch. Aber er ist anders. Messi findet die Zufriedenheit im Einfachen. Neymar findet sie im Schwierigen."
Pochettino charakterisiert den Brasilianer so: "Er ist von Natur aus unverantwortlich! Ein Bandit! Er schämt sich nicht, wenn er den Ball verliert. Ihm geht es vielmehr darum, ins Risiko zu gehen, etwas Schönes zu machen und Spaß zu haben."
Neymar ist aber auch eitel. Pochettino: "In einem Interview wurde ich gefragt, wer für mich der Beste ist: Lewandowski, Benzema oder Messi? Ich sagte: Messi!" Am nächsten Tag kam Neymar zu ihm und sagte: "So, so..." Da rechtfertigte sich der Coach, dass Neymar gar nicht zur Auswahl stand. Pochettino: "Dann haben wir beide gelacht."
Kommentare