Seit 20 Monaten ist Marcus Knipping der Finanzchef bei Rapid. Der Deutsche erklärt, warum das Geld wieder sprudelt, das Budget weiter steigt und er in Wien verliebt ist.
Am 1. Juni 2023 startete Marcus Knipping in sein Amt als „Geschäftsführer Wirtschaft“. So lange Zeit gelassen hat sich mit dem ersten ausführlichen Zeitungsinterview noch kein Entscheidungsträger bei Rapid. Beim 60-jährigen Deutschen, der jahrzehntelang in Schlüsselpositionen für Dortmund gearbeitet hatte, war das volle Absicht.
Dabei hat Marcus Knipping als Rapid-Finanzchef und Wien-Liebhaber einiges zu sagen.
KURIER: Sie haben sich bei Ihrem Start als „Innenminister“ bezeichnet und kommunizieren tatsächlich fast nur intern. Mögen Sie die Öffentlichkeit nicht, oder sind Sie komplett uneitel?
Marcus Knipping: Eine Grundeitelkeit hat jeder Mensch. Ich bin der Meinung, dass der Sport im Vordergrund stehen sollte. Dafür gibt es mit Steffen Hofmann und Markus Katzer zwei Experten – warum sollte ich mich da auch noch in der Öffentlichkeit präsentieren? Wenn ich etwas Konkretes zu veröffentlichen habe, reicht es.
Werden Sie von Rapid-Fans angesprochen, die doch mehr wissen wollen?
Ich fahre täglich mit der U4 in die Arbeit und zurück. Tatsächlich werde ich da oft angesprochen, mittlerweile sogar im Restaurant. Ich stehe Fans gerne Rede und Antwort, merke dabei aber auch, dass sie meinen zurückgezogenen Stil schätzen.
Ja, es ist genug da. Ich verrate aber nicht, wie viel. Ich schaue jeden Tag, weil mir extrem wichtig ist, zu wissen, ob meine Annahmen bezüglich Liquidität stimmen.
Erstmals seit der Stadioneröffnung 2016 kann Rapid wieder mehr Geld ausgeben. Was war dafür entscheidend?
Als ich gekommen bin, habe ich alle Verträge analysiert und an den richtigen Stellschrauben gedreht. Wir konnten die Sachaufwendungen reduzieren und Geld zum Sport verschieben. Heuer ist die Conference League eine große Hilfe. Ehrlich gesagt habe ich sie für uns immer als passender denn die Europa League betrachtet.
Was hat es mit den Rapid-Handwerkern, die durchs Stadion laufen, auf sich?
Wir haben Insourcing betrieben und beschäftigen jetzt Maler, Elektriker und Schlosser. Da können wir nach Heimspielen bei den üblichen Beschädigungen viel schneller und einfacher reagieren, ohne Angebote von Firmen einzuholen. Bis jetzt hatten die Handwerker nie zu wenig zu tun. Mich hat es gewurmt, dass wir im Europacup – Stichwort aufwendiges UEFA-Branding – doch eine externe Firma beschäftigen mussten.
Rapid hat mehr Geld, die internen Wünsche häufen sich. Tun Sie sich leicht, nein zu sagen?
Wir sind sehr gut aufgestellt, aber bei den Einsparungsmöglichkeiten im Verein sehe ich weiter Potenzial. Das sind nicht immer angenehme Gespräche – auch wenn ich einmal „nein“ sage zu Wünschen. Wichtig ist: Wir haushalten solide und blicken dabei immer in die Zukunft, das sieht man auch bei unseren Transfers.
In der Vorsaison hat das gesamte Sport-Personal 21,9 Millionen gekostet. Diese Saison wird laut Ihren Zahlen bei der Hauptversammlung mit 25,4 Millionen kalkuliert. Sportchef Katzer meint, „wir werden die Kaderkosten im Sommer wieder erhöhen müssen“. Stimmen Sie zu?
(lacht laut) Ich spreche ja andauernd mit Mecki. Wir müssen die Wünsche des Sports in Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten bringen. Ich bin guter Dinge, dass das bei uns auch künftig gut funktioniert.
Der Umsatz bewegt sich seit vielen Jahren zwischen 40 und 50 Millionen. Geht es diese Saison sogar Richtung 60 Millionen?
Das Wichtigste ist der sportliche Erfolg. Aber wenn Sie eine Umsatzzahl wollen: Es schaut nach einer soliden Fünf aus, ganz vorne.
Es ist zu hören, dass das Merchandising „überragend“ läuft, Richtung Rekordergebnis. Welche Schrauben haben Sie gedreht?
Wir haben einiges verändert, aber ich möchte nicht zu viel Interna ausplaudern. Gerade im Merchandising ist die Kraft des Vereins zu spüren, wenn Qualität, Design und Preis stimmen. Der November war der erfolgreichste Merchandising-Monat der Vereinsgeschichte.
Geschmäcker sind verschieden, aber beim Heimtrikot ist doch Luft nach oben ...
Trikots polarisieren immer, ich verstehe die Diskussion – ich finde das Trikot mit dem Bezug zum Stadion schön. Als Mann der Zahlen kann ich verraten: Bevor wir noch einmal gegen den Ball getreten haben, waren die Verkaufszahlen bereits gut.
Sie sind mit Hofmann und Katzer gleichgestellt. Hat es zu einzelnen Themen Kampfabstimmungen gegeben?
Diese Dreier-Konstellation bringt spannende Diskussionen mit unterschiedlichen Sichtweisen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals mit einer 2:1-Kampfabstimmung den Raum verlassen hätten. Das passt gut so, auch für die Zukunft.
Die Austria wird ihr Stadion an die Stadt Wien verkaufen. Schreiben Sie schon an der Liste mit den Wünschen an die Stadtregierung?
(lacht) Wir wollen sauber und solide wirtschaften. Natürlich habe ich im Kopf Punkte, die wir zu gegebener Zeit besprechen könnten, aber ich schreibe keine Liste. Wir arbeiten gut mit der Stadt Wien zusammen.
Sie haben Rapid als „schlafenden Riesen“ bezeichnet. Welche konkreten Ziele wollen Sie hier erreichen?
Für mich ganz wichtig war, dass wir diese länger anhaltende Abwärtsspirale bei den Finanzzahlen umdrehen – dieser Turnaround ist gelungen. Ich will aber noch länger hier arbeiten und auch einmal Titel gewinnen.
Sie sind 60 Jahre, wollen Sie bei Rapid in Pension gehen?
Ich habe eine junge Familie, bin gesund, komme jeden Tag gerne her, fühle mich nicht wie 60 und möchte auch über die 65 hinaus arbeiten.
wurde am 31. Oktober 1964 in Essen geboren und kam als Betriebswirt zu Dortmund. Der dreifache Vater war ab 1995 bis 2021 Geschäftsführer mehrerer BVB-Abteilungen, etwa 22 Jahre lang Finanzdirektor.
Perfektes Scouting Rapid suchte 2023 via Headhunter nach einem neuen Geschäftsführer Wirtschaft. Knipping war Finanzvorstand der Paedi Protect AG, wollte zurück in den Fußball und unterschrieb als Finanzchef bis Sommer 2026 bei Rapid.
An Ihrer Familie würde ein längerer Verbleib in Wien nicht scheitern, oder?
Meine Kinder gehen in eine tolle Schule. Ich stutze nur, wenn die Zehnjährige Wienerisches übernimmt und plötzlich sagt: „Das geht sich nicht aus“. Das Freizeitangebot der Stadt ist überragend. Ich liebe es, in Museen zu gehen, oder mit dem Rad die Stadt zu erkunden. Ich hoffe, die Wiener nehmen diese Großartigkeit ihrer Stadt auch so wahr.
Sehen Sie es auch so wie viele Deutsche, dass die Wiener gemütlicher unterwegs sind?
Ja, ein Grund dafür ist der im Vergleich zu Deutschland häufige Öffi-Takt: Wenn ich hier eine U-Bahn verpasse, kommt in vier Minuten die nächste – kein Problem! Das ist entspannend und entschleunigend, ich mag das.
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