"Austria wird nur eine geringe Chance haben"

Ein Mann klarer Ansagen: Der Ex-Austrianer Rashid Rachimow.
Ex-Austrianer Raschid Rachimow über den russischen Kick, Austria-Gegner St. Petersburg und seinen Kontakt zu den Veilchen.

Raschid Rachimow bleibt in Moskau. Dort ist er für den Privatsender NTV als Experte tätig. Daher wird er seinen früheren Klub Austria beim Gastspiel am Dienstag in St. Petersburg nur aus der Ferne beobachten. Rachimow lebt in der Hauptstadt und wartet, dass ein Job als Trainer für ihn frei wird.

Welche Chance geben Sie der Austria?
Ich fürchte, dass die Austria nur eine geringe Chance haben wird. Zenit spielt seit Jahren in der Gruppenphase, hat viel mehr Erfahrung. Zenit ist in Russland an der Spitze und wieder so gut in Form wie vor einigen Jahren. Dazwischen hat das Team ein wenig seinen Stil verloren.

Worauf muss die Austria besonders achten?
Auch wenn es komisch klingt, auf die Konterstöße von Zenit. Wenn die Austria offensiv ein Spiel aufbauen will, dann wird es gefährlich. Die Wiener müssen im Mittelfeld die Räume eng machen und Zenit dort unter Druck setzen. Nur so kann man das schnelle Spiel bremsen. Man muss die Geschwindigkeit aus ihrem Spiel nehmen. Ich glaube nicht, dass die Austria ganz vorne anpressen sollte, weil dann zu viele Räume für die Russen entstehen. Und dann wird es sehr schwierig.

Ist Zenit die stärkste Mannschaft in Russland?
Nein, das würde ich nicht sagen. ZSKA und Spartak Moskau sind ähnlich stark. ZSKA halte ich sogar von der Qualität für das stabilste Team Russlands.

Sie sehen in Moskau nicht die österreichische Bundesliga, aber die Champions League. Was halten Sie von der Wiener Austria aktuell?
Gegen Porto war sie in ein paar Situationen gefährlich, aber eben nicht so gefährlich wie Porto. Da fehlt eben genau dieser Schritt in Richtung Effizienz. Zenit und Atletico werden aber schwierigere Spiele.

Weil die besser als Porto sind?
Ja. Zenit ist besser als Porto, Atletico noch besser als Zenit. Die Spanier sind mein Gruppenfavorit. In Russland meinen alle, dass Zenit die stärkste Mannschaft dieser Gruppe ist. Aber Atletico spielt einen Fußball, der für jeden Gegner extrem unangenehm ist: hart, schnell nach vorne. Sie kämpfen um jeden Ball.

Welches Resultat tippen Sie für das Dienstag-Spiel?
Ach das ist schwer zu sagen, ich rechne aber schon mit einem Sieg von Zenit. Es kommt darauf an, wie sehr der Trainer die Mannschaft nach dem Liga-Hit gegen Spartak Moskau umstellt und verändert, ob er gegen die Austria frische Kräfte bringt oder nicht. Zenit geht jedenfalls von drei Punkten aus. In ihrem Kader stehen auch fast ausschließlich Nationalspieler vieler Länder, daher ist die Qualität höher als jene der Austria.

Haben Sie noch irgendeinen Kontakt zur Austria?
Kaum. Nur noch zu Vereinsarzt Alexander Kmen, er war auch mein Doktor zu meiner aktiven Zeit bei der Austria und dann bei der Admira.

Immer wenn die Austria in der jüngsten Vergangenheit einen Trainer suchte, fiel auch Ihr Name.
Ich weiß, davon habe ich auch von Freunden gehört oder in Zeitungen darüber gelesen. Es ist schön, wenn ich ein Kandidat gewesen bin, aber vom Verein selbst hat mich nie jemand kontaktiert. Ich hatte schöne Jahre bei der Austria, es war auch eine interessante Zeit, daher bin ich dem Klub sehr wohl verbunden. Aber ob ich dort irgendwann einmal Trainer werde, das entscheiden andere Leute, nicht ich.

Die Austria hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Sind Sie davon überrascht?
Eigentlich nicht. Meister in Österreich zu werden, ist auf Dauer trotz der Konkurrenz durch Salzburg zu wenig. Die Austria hatte immer auch den Anspruch, international dabei zu sein. So gesehen ist der Schritt in die Champions League sehr positiv, weil das in den letzten Jahren eben nicht möglich war. Man hat ja gesehen, dass die Spiele gegen Zagreb sehr schwierig waren. Überrascht hat mich die Leistung beim Sieg in Zagreb, da hat die Austria sehr gut gespielt. Vielleicht hat Zagreb die Austria auch ein wenig unterschätzt.

Wie steht es aktuell um den russischen Vereinsfußball? Immerhin steigt 2018 in Russland die Weltmeisterschaft.
Die Qualität steigt. Die Meisterschaft ist ausgeglichener geworden. Klubs wie Zenit oder Spartak können zu keinem Klub fahren und fix mit drei Punkten rechnen. Auch das Tempo ist im russischen Fußball höher geworden. Jetzt fehlen nur noch Kleinigkeiten zum europäischen Spitzen-Fußball.

Zum Beispiel?
An der Spitze bleibt einem Spieler keine Zeit mehr zum Überlegen. Man kann nicht mehr den Ball annehmen und dann eine Entscheidung treffen. Heute muss man schon wissen, wohin man den Ball spielt, bevor man ihn noch hat. Das fehlt zum Beispiel noch in der Liga.

Sie haben schon Perm und Lok Moskau trainiert und warten auf einen neuen Trainerjob. Wie stehen die Chancen?
Angebote aus der ersten Division liegen vor, da könnte ich morgen schon anfangen. Aber ich will unbedingt in die Premjer Liga.

Alt ist sie nicht, die russische Premjer-Liga. Sie wurde erst 2001 gegründet und löste ab der Saison 2002 die vormals Oberste Division ab. Die Liga besteht aus 16 Mannschaften, zwei müssen absteigen. Bis einschließlich 2010 lief die Saison im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ligen von März bis November eines Jahres, also im Kalenderjahr. Mit der Saison 2011/2012 erfolgte aber mit Blick auf die WM 2018 in Russland eine Angleichung an das System der großen europäischen Fußball-Ligen. Aus diesem Grunde dauerte die Saison 2011/2012 von März 2011 bis Mai 2012 und umfasste insgesamt 44 Spieltage.

In der ewigen Tabelle dominiert Moskau das Geschehen: Es führt Spartak vor Lokomotive, ZSKA und Dynamo. Erst auf Platz fünf folgt Zenit St. Petersburg. Den Hit daheim gegen Spartak gewann Zenit am Samstag mit 4:2. Austrias Dienstag-Gegner befindet sich in Topform.

Verlockungen

Dank der Millionen-Investitionen der potenten Klub-Sponsoren lockt die russische Liga immer mehr klingende Namen an. Russland entwickelte sich somit zum Schaulaufen der Stars. Mit einem der auffälligsten bekommt es die Austria am Dienstag zu tun – Hulk. Das Echo der Medien war gewaltig, als Zenit St. Petersburg den Brasilianer im Sommer 2012 für 55 Millionen Euro vom FC Porto verpflichtete. Zunächst schien der Transfer zu floppen, doch nach einem Jahr hat sich der schussgewaltige Stürmer in Russland durchgesetzt.

Aber auch Asiaten suchten und fanden ihr Glück in Russland, wie Keisuke Honda, der als erster japanischer Spieler seinen internationalen Durchbruch gefeiert hat. Der Freistoßkünstler spielt seit 2010 bei ZSKA Moskau und gilt als eines der Aushängeschilder der russischen Premier Liga.

Der neue Neymar

Vitinho kam im Sommer aus Brasilien von Botafogo für knapp zehn Millionen Euro nach Moskau zu ZSKA. Der dribbelstarke Mittelfeldmann wird in seiner Heimat nicht ohne Grund mit Superstar Neymar verglichen und hat hohe Erwartungen in Russland geweckt.

Auch nach drei Jahren in Moskau ist der frühere deutsche Teamstürmer Kevin Kurányi torhungrig. Der Stürmer ist absoluter Leistungsträger bei Dinamo Moskau und soll 2013 helfen, seinen Club endlich in die Champions League zu führen.

Bei Champions-League-Teilnehmer ZSKA Moskau spielt mit Alan Dzagoev das wahrscheinlich größte Talent im russischen Fußball. Mit seiner unbekümmerten Spielweise hat der Dribbelkünstler auch im Nationaldress schon oft überzeugen können. Nationalheld Andrej Arschawin kehrte nach seiner England-Zeit bei Arsenal wieder zu seinem Stammklub zurück: Zenit St. Petersburg.

Nicht nur für Spieler, sondern auch für Trainer ist Russland ein interessantes und vor allem lukratives Pflaster: Guus Hiddink und Dick Advocaat coachten das Nationalteam, das derzeit vom Italiener Fabio Capello trainiert wird. Ein weiterer Italiener dirigiert Zenit: Luciano Spalletti.

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