Podolski musste eine Rede halten

Podolski musste eine Rede halten
Er hatte nach seinem 100. Länderspiel keine Wahl. Niederlande am Tiefpunkt.

Lukas Podolski hatte gar keine andere Wahl. Widerstand wäre zwecklos gewesen, ein Fluchtversuch obendrein völlig aussichtslos, 10.000 Meter über der Erde. Außerdem werden Bräuche innerhalb der deutschen Nationalmannschaft seit jeher mit deutscher Gründlichkeit durchgesetzt. So wie jeder Debütant zum Einstand ein Ständchen singen muss, so hat jeder Jubilar eine Rede zu schwingen. Und sei es über das Bordmikrofon.

Marschroute

Auf dem ausgelassenen Heimflug von Lemberg, wo Lukas Podolski in seinem 100. Länderspiel ein Tor zum 2:1-Sieg gegen Dänemark beigesteuert hatte, durfte der gebürtige Pole also sein rhetorisches Talent unter Beweis stellen. Podolski, sonst nicht unbedingt für seine Maulfaulheit bekannt, hielt sich kurz, als er die deutsche Devise für die EM ausgab. "Ab ins Finale!"

Nur nicht zu viele Worte über die bisherigen Auftritte bei diesem Turnier verlieren, bloß ja nicht in verfrühte Euphorie ausbrechen angesichts des überraschend unprominenten Viertelfinalgegners Griechenland. "Wir wollten einmal die Gruppe überstehen, aber wir haben noch nichts erreicht", betont der deutsche Kapitän Philipp Lahm.

Nichts erreicht?

Selbstkritik

Podolski musste eine Rede halten

Die Niederländer wären schon heilfroh, wenn sie nur ähnlich "wenig" erreicht hätten wie die deutsche Nationalmannschaft. Drei Niederlagen, null Zähler, peinliches Aus in der Vorrunde. Der WM-Finalist von 2010 präsentierte sich bei dieser EM als Punktelieferant, die abschließende 1:2-Niederlage gegen die Portugiesen, die nun im Viertelfinale auf Tschechien treffen, war nur noch die negative Draufgabe für ein völlig vermurkstes Turnier, das von teaminternen Grabenkämpfen und ständigen Trainerdiskussion geprägt war.

"Ich bin hierhergekommen, um Europameister zu werden. Nun fahren wir mit leeren Händen nach Hause. Wir haben es nicht geschafft, unsere Egos beiseitezuschieben", meinte ein selbstkritischer Wesley Sneijder. Auch Teamchef Bert van Marwijk, stellt sich persönlich die Schuldfrage. "Wir haben zu viele Fehler gemacht. Nicht nur die Spieler, ich auch. Ich übernehme die Verantwortung."

Es war von Anfang an klar, dass in dieser berüchtigten Gruppe B – Joachim Löw nannte sie treffend Group of Death – zumindest eine prominente Mannschaft auf der Strecke bleibt. Dass es dabei ausgerechnet die Holländer erwischt und dass dazu noch die Deutschen so souverän mit dem Punktemaximum durch die Vorrunde spazieren, hätte auch der Bundestrainer nie erwartet. "Neun Punkte sind eine Klasseleistung", lobte denn auch Joachim Löw, "wichtig war, dass wir diese Gruppe einmal überstanden haben." Sprachs und hob vier Tage vor dem Viertelfinale bereits mahnend den Zeigefinger: "Die Griechen sind hartnäckig, da beißen viele auf Granit."

Stimmungshoch

Podolski musste eine Rede halten

Nicht alle Deutschen nahmen den Viertelfinaleinzug so gelassen und nüchtern hin wie Bundestrainer Löw und seine Spieler. Daheim in Deutschland wird dieser Tage schon wieder einmal ein Sommermärchen inszeniert. Auf der größten Fanmeile Europas in Berlin feierten am Sonntag 450.000 Anhänger, das deutsche Fernsehen verbuchte eine Rekordquote. 27,65 Millionen Menschen verfolgten den 2:1-Sieg gegen Dänemark, das entspricht einem Marktanteil von knapp 75 Prozent.

Nicht die einzigen Zahlen, die beim Deutschen Fußballbund (DFB) für Hochstimmung sorgen. Der Viertelfinaleinzug füllt die Kassen des größten Sportverbandes der Welt, der DFB-Kassier darf sich bereits über 13 Millionen Euro freuen, jedem Teamspieler ist eine erste Prämie von 50.000 Euro sicher.

Doch damit will sich die deutsche Nationalmannschaft nicht abspeisen lassen. Wie meinte doch gleich Lukas Podolski. "Ab ins Finale".

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