Gewonnen – mehr als nur ein Spiel

Im Glück: Das ehemalige Flüchtlingskind Zlatko Junuzovic (unter seinen Teamkollegen) erzielte den entscheidenden Treffer für Österreich.
Österreichs Nationalmannschaft siegte 1:0, aber der Fußball setzte ein klares Zeichen.

Ein denkwürdiger Tag. Ein Tag, der nicht zum Nachdenken anregt, sondern zwingt. Wien im Zwiespalt. Auf dem Westbahnhof begnügen sich Menschen mit der Freude über ihr nacktes Überleben. Wenige Kilometer entfernt, im Happel-Stadion, erleben 50.000 eine vom Fußball ausgelöste Glückseligkeit. EM-Qualifikation, ein Sieg gegen Moldawien ist das Ziel Österreichs, dem souveränen Tabellenführer in der Gruppe G. Die Russen haben zuvor die Schweden im anderen Spiel besiegt. Kein wirkliches Problem, vielleicht eine verzweifelte Suche nach restlicher Spannung.

5. September, ein Samstag in Wien. Womit immer geworben wurde, erfährt an diesem Abend Bestätigung: Wien, die Stadt der ungeahnten Gegensätze. Vielleicht nicht gerecht, aber vom Zufall inszeniert. Zwei Szenarien, ein Widerspruch, der den erhobenen Zeigefinger nicht braucht.

Gewonnen – mehr als nur ein Spiel
ABD0287_20150905 - WIEN - ÖSTERREICH: Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) während des EM-Qualifikationsspieles Österreich gegen Moldau am Samstag, 5. September 2015, im Ernst-Happel-Stadion in Wien. - FOTO: APA/EXPA/SEBASTIAN PUCHER
Weil der Sport den richtigen Stellenwert gefunden hat in der gnadenlosen Brot-und-Spiele-Gesetzmäßigkeit. Weil der Sport und seine Protagonisten damit begonnen haben, sich mit dem größten Drama der Gegenwart zu beschäftigen. Ein Drama, das der Sport als Begriff im Moment der Niederlage oft missbraucht.

Doch da stellen sich österreichische Teamspieler, ein bunter von Migranten- und und Flüchtlingskindern durchmischter Haufen, hinter ein Transparent, das Solidarität mit eben jenen beweist, die nur überleben wollen. Höchst beliebte Fußballern setzen einen Akt, im Bewusstsein, dass klare Stellungnahmen dieser Art möglicherweise nicht in allen Teilen der stetig angewachsenen Anhängerschar im Land für Begeisterung sorgen.

Klares Zeichen

Längst fällig und umso wichtiger ist so ein Statement. Denn es wird noch immer gerne gepflegt, das Image des Fußballs, der so gar nicht über den eigenen Stadionrand blicken will.

"I am From Austria" fördert – ob man will oder nicht – den kollektiven Stolz im vollen Stadion, der Radetzkymarsch presst die Ausgelassenheit ins zackige Korsett. Alles ist wie immer.

Nicht ganz. (Fast) 50.000 Menschen applaudieren der Mannschaft. Keine Anerkennung für ein Tor, für einen gelungenen Spielzug, sondern für die Unterstützung der Flüchtlinge. (Fast) 50.000, die oft verdächtigt werden, der Horizont als Fußball-Liebhaber würde mit der Länge ihrer Bierfahne ein jähes Ende fin-den. (Fast) 50.000, die als bedeutender Bevölkerungsquerschnitt versammelt, eigentlich gellend pfeifen hätten müssen, würde blauäugig manch menschenverachtender Politikerrede Glauben geschenkt.

Übrigens, Österreich ist so gut wie bei der EM. Und hat nicht nur das Spiel gewonnen. An diesem denkwürdigen Abend.

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